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Migräne – Den Schmerz wegrennen

Body & Soul

Migräne – Den Schmerz wegrennen

  • Redaktion: Helene AecherliIllustration: Lisa Rock

Migränepatientinnen können ihr Leiden mit Ausdauersport lindern.

Maja Strasser ist Neurologin am Rehazentrum Leukerbad und integriert Joggen und Velofahren in ihre Migräne-Therapien.

annabelle: Rund zwanzig Prozent der Frauen und fast zehn Prozent der Männer in der Schweiz leiden an Migräne. Warum sind doppelt so viele Frauen betroffen?
Maja Strasser: Es gibt Hinweise dafür, dass Migräne mit weiblichen Geschlechtshormonen zusammenhängt. Man vermutet, dass die sinkende Östradiolkonzentration vor der Menstruation Migräneattacken begünstigt. Fast die Hälfte aller betroffenen Frauen haben vor und während der Menstruation besonders starke Attacken.

Warum bekommt jemand überhaupt Migräne?
Einerseits gibts eine genetische Veranlagung dafür, andererseits spielen Umweltfaktoren und Lebensstil eine grosse Rolle. Stress, unregelmässiger Schlaf, Alkohol, Lebensmittel wie rezenter Käse, Nüsse, Schokolade oder gewisse Medikamente können bei entsprechender Veranlagung Attacken triggern.

Oft sollen sogar Medikamente den Schmerz auslösen. Warum?
Jedes Kopfschmerzmedikament kann bei zu häufigem Gebrauch selbst Kopfschmerzen verursachen. Meist wird dieser sogenannte Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz (Müks) durch die übermässige Einnahme von speziellen Migränemedikamenten ausgelöst. Lässt ihre Wirkung nach, erleiden viele Patienten einen erneuten, oft noch stärkeren Kopfschmerz, der dann wieder mit Medikamenten behandelt wird. So geraten manche Patienten in die Abwärtsspirale von mehr Kopfschmerzen und immer häufigerer Einnahme.

Nach neusten Erkenntnissen soll Ausdauersport gegen Migräne helfen. Joggen gegen den Schmerz im Kopf?
Ungefähr so, ja. Man vermutet einen Zusammenhang zwischen körpereigenen Schmerzhemmstoffen und der Häufigkeit von Migräneattacken. Diese Schmerzhemmstoffe, sogenannte Beta-Endorphine, werden durch regelmässigen Ausdauersport vermehrt ausgeschüttet. Wir behandeln Migränepatientinnen deswegen mit einer Kombination von Ausdauersport, Physio– und Entspannungstherapien, vorbeugend eingesetzten Medikamenten und einer genauen Aufklärung über Kopfschmerzen. Je mehr man über den eigenen Schmerz weiss, desto besser kann man ihn bewältigen.

Wie intensiv muss man trainieren, damit der Sport gegen Migräne hilft?
Ich empfehle regelmässigen Ausdauersport ohne Leistungsdruck, zwei- bis dreimal pro Woche 45 Minuten lang, zum Beispiel Velofahren, Joggen oder Schwimmen. Dadurch halbiert sich die Anzahl der Attacken innerhalb weniger Wochen, und die Intensität schwächt sich um gut ein Drittel ab.

Kann man so die Medikamentendosis verringern?
Die meisten Migränepatientinnen, die regelmässig Ausdauersport betreiben, spüren eine gewaltige Verbesserung. Sport verringert auch das Risiko eines Müks’ und ist zudem ein wichtiger Bestandteil der Migräneprophylaxe.

Sind neue Migränemedikamente in Sicht?
Wir wissen, dass geschlechtsunabhängige Botenstoffe, insbesondere das Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP), zu einer Entzündung und Gefässerweiterung der Hirnhaut, also zum Migräneschmerz führt. Aktuell werden Gegenspieler dieses Botenstoffs zur Behandlung von Migräne erforscht.

Volkskrankheit Migräne
Rund eine Million Menschen sind hierzulande von Migräne betroffen. Die Mehrheit leidet an mittelstarken bis starken, pulsierenden, oft einseitigen Kopfschmerzen, die durch alltägliche körperliche Aktivitäten wie Treppensteigen verstärkt werden. Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen, Licht- oder Lärmüberempfindlichkeit. Eine Migräne mit sogenannter Aura, einem neurologischen Symptom, tritt bei etwa zehn Prozent der Patientinnen auf und ist mit Sehstörungen (Flimmern, Lichtblitze) oder kribbelnden Missempfindungen verbunden. Seltener sind Auren mit Sprachstörungen, Schwindel, Hör- oder Bewusstseinsstörungen.
Infos: www.rzl.ch