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Wie ist es eigentlich, in Las Vegas zu heiraten?

Body & Soul

Wie ist es eigentlich, in Las Vegas zu heiraten?

  • Aufgezeichnet von Evelin Hartmann; Foto: Getty Images

Sandra (34), PR-Beraterin, ist seit fünf Jahren verheiratet und erzählt, wie es ist, sich in Las Vegas zu trauen.

Ich wollte immer in Weiss heiraten. Mein Vater sollte mich zum Altar führen. Ich wollte etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues tragen, die ganze Nacht durchtanzen, zu viel Champagner trinken und den Brautstrauss in Richtung meiner besten Freundin werfen. So hatte ich es mir immer vorgestellt.

Daran muss ich denken, während ich vor dem Marriage License Bureau Schlange stehe. Strassenfeger surren auf ihren Maschinen die South 3rd Street entlang, beseitigen die Spuren der Nacht. Mir gelingt das nicht ganz. Immer wieder reibe ich nervös über den Rotweinfleck auf meinem Sommerkleid. Vor uns wartet ein Paar im Hochzeitsoutfit, er im schwarzen Anzug, sie in Schneeweiss. Ich muss schmunzeln, «verrückt», denke ich, «du bist einfach verrückt». Ich kenne Markus seit drei Wochen, in etwa einer halben Stunde werde ich ihn heiraten.

Eine Kollegin hatte mir Markus auf einer Party vorgestellt. Noch am gleichen Abend haben wir Nummern ausgetauscht. Bei unserem ersten Date hat er für mich gekocht, beim zweiten gefragt, ob ich ihn auf Geschäftsreise begleite. Drei Tage Las Vegas. Warum nicht, habe ich gesagt. Ich war verliebt.

Unser Hotel Mandalay Bay sieht aus wie ein riesiger Goldbarren und liegt am Strip – Las Vegas’ Hauptmeile, in der sich Glitzerpaläste und Funkelhotels aneinanderreihen. Tagsüber shoppe ich in Premium Outlets und lächle über Paare, die sich in einer der zahllosen Weddingchapels trauen lassen.

Nachts fährt Markus mit mir auf einen Hügel und legt mir zehn Minuten vom Zentrum entfernt Las Vegas zu Füssen. Sin City kann auch romantisch sein.

«Heute gewinnen wir ein Vermögen», verkündet mein Freund am zweiten Abend. Ich lache. Wir essen im Fünf-Sterne-Restaurant, tanzen in einer Bar eng umschlungen. Um Mitternacht stehen wir am Blackjacktisch im hoteleigenen Casino, ich im crèmefarbenen Paillettenkleid, die Hand auf seiner Schulter, küsse Würfel, trinke jede Menge Champagner. «Du bringst mir Glück», sagt Markus übermütig und hält einen 500-Dollar-Jeton hoch. Berauscht vom Champagner, dem Jubel der Gewinner um uns herum und dem Gedudel der Spielautomaten, küsse ich das runde Teil aus Plastik und schiebe es über den grünen Filz. So viel Geld riskieren würde ich normalerweise nie. Aber heute ist alles anders, heute bin ich Ginger an der Seite von Robert De Niro. «Wenn ich gewinne, heiraten wir noch heute Nacht!» Ich lache und hauche ihm ins Ohr: «Yes, I will.» Drei Sekunden später brechen wir in Jubel aus.

Markus meint es ernst. Aber vom Concièrge erfahren wir, dass das Marriage License Bureau erst um acht Uhr morgens öffnet. Nur dort erhalten wir die Heiratserlaubnis.

Im Hotelzimmer starre ich gegen die Decke. Wie verhältst du dich in einem Streit? Schmollst du stundenlang, oder gibst du schnell nach? Wie bist du, wenn du traurig bist, während ich glücklich bin? Wird mein Vater dich mögen? Das würde ich gern wissen. Markus hört den Zweifel in meinen Fragen nicht. Er schläft. Aber sagen, dass alles nicht so gemeint war, dass wir vernünftig sein sollten – nein, dafür fühle ich mich mit ihm zu wohl.

Vier Stunden später warten wir mit anderen Pärchen vor dem Hochzeitsbüro, bis wir an der Reihe sind. Markus legt mir die Hand auf den Rücken, fragt: «Alles okay?» Ich nicke. Ja, ich will, denke ich und lächle. Um 8.20 Uhr laufen wir Hand in Hand die Strasse hinauf zum Commissioner of Civil Marriages, das Schreiben mit dem entscheidenden Stempel in der Tasche. Voranmeldung? Nicht nötig. Trauungen finden hier im Viertelstundentakt statt. «Würden Sie unsere Trauzeugen sein?», fragt Markus ein altes Ehepaar, dem wir auf der Strasse begegnen. Beinahe fünfzig Jahre seien sie verheiratet, das wird uns Glück bringen, sagt die alte Dame gerührt. Das Büro des Standesbeamten ist karg eingerichtet, kein Blumenschmuck, keine Musik. Markus reicht einer Mitarbeiterin seine Digitalkamera. Ob wir ein Ehegelöbnis vorbereitet hätten, will der Standesbeamte wissen. Ach ja, ein eigenes Gelöbnis – Punkt sieben auf meiner Hochzeitswunschliste, fährt es mir durch den Kopf, während ich mit der Hand den Rotweinfleck auf meinem Kleid verdecke. Sieben Minuten dauert die Trauung. Ringtausch nach fünf Minuten, Kuss nach sechs Minuten, Umarmung mit den Trauzeugen. Den Brautstrauss werfe ich später, wieder in der Schweiz, nach der Rede des Brautvaters; fünf Jahre ist es her.