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Das sind die Gewinner des Schreibwettbewerbs zum Thema «Helfen»

Kultur

Das sind die Gewinner des Schreibwettbewerbs zum Thema «Helfen»

  • Redaktion: Florina Schwander

Viele Geschichten sind bei books.ch und annabelle hereingeflattert, viele haben der Jury das Wasser in die Augen getrieben oder sie herzlich zum Schmunzeln gebracht. Hier präsentieren wir Ihnen nun die Gewinner-Geschichten. 

Viele Geschichten sind bei books.ch und annabelle hereingeflattert, viele haben der Jury das Wasser in die Augen getrieben oder sie herzlich zum Schmunzeln gebracht. Hier präsentieren wir Ihnen nun die Gewinner-Geschichten des Schreibwettbewerbs zum Thema «Helfen».

Den ersten Platz hat sich Thomas Friedt mit seiner Geschichte «Zwischen den Zeilen» erschrieben. Er erhält den Lesesessel im Wert von rund 1000 Franken, nebst einem Goodie-Paket zum Film «The Help». Auf den zweiten Platz hat es Alexa Neuenstein mit ihrer Kurzgeschichte «Die amerikanische Katze» geschafft. Sie erhält zum Film-Paket zusätzlich einen Büchergutschein von books.ch im Wert von 100 Franken. Platz drei teilen sich Doris Wirth («Die gute Fee») und Lisa Ladner («Unter anderen Vorzeichen»). Die beiden werden mit einem Büchergutschein von je 50 Franken belohnt und kommen weiter in den Genuss des Buchs, Soundtrack und DVD von «The Help».

Die Geschichten der Gewinner finden Sie auf den folgenden Seiten zum Nachlesen. Die weiteren Geschichten der Plätze fünf bis zehn werden in den nächsten Tagen hier veröffentlicht.

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden ganz herzlich fürs Mitmachen und die vielen tollen Geschichten!

Platz 1: «Zwischen den Zeilen» von Thomas Friedt

Hallo Pete“, grüsst sie und setzt sich neben ihn an die Bar. Kein Kuss, kein Händedruck.

„Hallo, Scha—, Eva“, sagt er und mustert sie von der Seite. Sieht ihr wunderschönes Gesicht, das ihn jede Nacht in den Träumen besucht.

„Wie geht’s dir?“, fragt sie.

„Gut“, antwortet er und strahlt.   

„Schon lange da?“

„Grad erst gekommen.“ In Wahrheit hockt er schon seit einer halben Stunde hier, konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen.

„Was trinkst du da?“

„Blue dream.“

„Lecker?“

„Ja.“ Er schiebt ihr sein halbvolles Glas rüber. „Kannst den rest haben.“ Er will nicht, dass sie das Zittern seiner Hände bemerkt.

„Danke.“ Sie saugt an dem Trinkhalm. „Mhm. Ist das mit Blue Curacao?“

Er nickt und zündet sich eine Zigarette an.

„Du rauchst wieder?“ Ihre Missbilligung tut ihm gut. Es scheint ihr also doch noch etwas an ihm zu liegen. Dann gehen ihnen die Worte aus. Die Stille fühlt sich unangenehm an. Es ist nicht mehr dieses behagliche Schweigen von damals.

„Und?“, fragt sie.

„Was und?“

„Na, dieses Treffen heute.“

Er wollte sie sehen. Doch das sagt er nicht, übergibt ihr stattdessen eine Plastiktüte.

„Hab beim aussortieren noch ein paar von deinen CDs und Büchern gefunden.“

„Danke“, sagt sie und fragt sich, was er wirklich will.

Er erträgt ihre Blicke, ihren Geruch nicht. Ihr gegenüber zu sitzen, ohne sie berühren, küssen zu dürfen, ist die reinste Folter. „Ich… ich…“ Komm zurück, Eva. Das Bett, die Wohnung — meine Welt ist viel zu gross ohne dich.

„Was?“

„Nichts… Warst du bei Szabo?“ Der Psychiater. Seine letzte Hoffnung.

Sie nickt.

„Und?“

„Ich bin nur zweimal dagewesen.“

„Wieso nur zweimal?“

„Es hat nichts gebracht…“ Szabo ist ihr zu nahe gekommen. Genauso wie Pete. Sie hasst es, bedrängt zu werden. Gewisse Dinge bleiben besser ungesagt. Vorbei ist vorbei.

„Wie willst du das wissen, nach gerade mal zwei Sitzungen?“

„Ich möchte nicht darüber reden, okay?! Ich bin nur hingegangen, um dir einen Gefallen zu tun.“

„Um mir einen Gefallen zu tun?“ Er schüttelt den Kopf.

„Es ist aus, Pete. Und kein Seelenklempner kann daran etwas ändern.“ Leise fügt sie hinzu: „Ich liebe dich nicht.“ Sie fühlt sich schrecklich, als sie sich diese Worte sagen hört.       

„Dann waren all deine Liebesschwüre also Lügen? ‚Liebe meines Lebens‘, Heirat, drei Kinder…“

„Ich—“

„…und dann plötzlich — paff, vorbei! Du musst eine verdammt gute Schauspielerin sein, Eva. Du solltest nach Hollywood gehen.“

„Ich hab mir was vorgemacht, Pete. Ich war in dich verliebt, aber—“

„Was darf’s sein?“, werden sie von der Bardame unterbrochen.

„Für mich nichts, danke“, sagt Eva und erntet einen bösen Blick.

„Noch mal dasselbe“, sagt Pete. Werd ich mich eben betrinken. Scheiss auf die zitternden Hände! Scheiss auf den Kater! Scheiss auf Eva! „Weisst du noch, im Sommer letzten Jahres auf Kreta? Da hättest du es mir beinahe erzählt.“

„Was? Was hätte ich dir beinahe erzählt, Pete?“

„Woher soll ich das wissen? Aber du wolltest dir irgendwas von der Seele reden.“

„Ich war betrunken. Sentimental. Ich wollte mein ganzes Leben vor dir ausbreiten.“

„Und warum hast du es nicht getan?“

„Hab ich doch.“ 

„Hast du nicht. Warum sprichst du zum Beispiel nie über deine Eltern? Und Fotos von früher hast du mir auch nie gezeigt. Und deine Depressionen, die—“

„Hör auf, Pete! Es gibt kein Kindheitstrauma. Du machst es dir zu einfach. Ich liebe dich nicht. Punkt!“ Ach, Pete, denkt sie, ich bin tausend Tode gestorben, wenn du abends weg warst. Dich zusammen mit einer anderen Frau zu wissen, und sei es nur eine Verabredung zum Essen, konnte ich nicht ertragen. Wenn dieser Schmerz der Preis der Liebe ist, dann will, dann kann ich ihn nicht bezahlen.

„Wir waren perfekt, Eva.“

„Bitte, Pete, mach es nicht noch schlimmer.“

Schlimmer?“, schnaubt er. Seit sie gegangen ist, kann er nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, hat sechs Kilo abgenommen. Aber das hat sie vermutlich gar nicht bemerkt. Wie so vieles, was sie nicht sehen will. „Du hast Angst vor der Liebe, Eva.“

„Angst vor der Liebe! Pah, ich… ich kann’s nicht mehr hören Pete! Immer kommst du mir damit!“ Hat nicht jeder Mensch Angst vor der Liebe, fragt sie sich. Deswegen ist man noch lange kein Fall für den Psychiater. Sie will nur niemanden so sehr brauchen wie Pete. Kein Mensch soll je wieder diese Macht über sie haben. Irgendwann hätte er sie ohnehin verlassen. Es ist besser so.

Als ihm der Cocktail gebracht wird, trinkt er ihn in zwei Zügen leer. Dann hebt er das Glas und bestellt noch einen. Eva rutscht unbehaglich auf ihrem Stuhl umher und schaut auf die Uhr.

„Willst du etwa schon wieder gehen?“, fragt er und drückt seine Zigarette aus.

„Tut mir leid. Ich muss…“

„Gibt es schon einen… Neuen?“

„Nein.“

Er nickt erleichtert. Wenigstens das. Sie schweigen sich wieder an, während er auf den dritten Blue dream wartet. Blue nightmare wäre passender, denkt er und muss lachen.

„Was ist?“, fragt sie.

„Nichts. Nichts…“ Ich liebe dich, Eva, das ist.

Sie schaut erneut auf die Uhr. „Na… dann… geh ich mal.“ Bevor sie noch was Falsches sagt. Sie erträgt es nicht, ihn so zu sehen. Ein kleines Küken mit gebrochenen flügeln. Sie möchte ihn in den Arm nehmen, ihn küssen, trösten, ihn in sich spüren. Und — nie wieder Angst haben.

„Ich werd auf dich warten, Eva…“

Ihre Mundwinkel zucken. Sie drückt die Handtasche an ihre Brust und starrt zu Boden.

„…für eine Weile.“

„Okay“, flüstert sie, „okay…“ Dann küsst sie ihn hastig auf die Wange, steht auf und geht. Er blickt ihr nach. Als sie draussen am fenster vorbeigeht, winkt sie ihm zu. Sie lächelt, aber ihre Augen schwimmen in Tränen.

„Lass dir helfen, Eva“, murmelt er. Dann merkt er, dass sie ihre Tüte mit den CDs und Büchern hat liegen lassen. Er springt auf, will ihr hinterherlaufen, hält dann aber inne. So hat er wenigstens einen Vorwand, um sie wieder anzurufen. Fünf Minuten später zahlt er und tritt aus der Bar in die kühle Herbstnacht.

Scheiss Liebe, denkt er, scheiss Liebe.

Auf den nächsten Seiten finden Sie die Geschichten des zweiten und dritten Platzes

Platz 2: «Die amerikanische Katze» von Alexa Neuenstein

„Françoise, komm her, du bist ja ein süsses Kätzchen, ja, sehr süss und noch so klein“, murmle ich ihr ins Ohr und streichle sie sanft. Ich kann das weiche Fell und die zarten Umrisse der kleinen Katze sehen, ich muss dazu nicht einmal die Augen schliessen. Françoise ist überall dabei, sie begleitet mich stets, sogar in die Ferien. Maman sieht mich an, aber ich sehe nicht sie, sondern die Katze. Ich weiss noch, wie alles begann. Es war kurz vor Weihnachten und ich fühlte mich so allein. Maman sagte zwar, wir wären eine richtige Familie, wir zwei, und ich könnte jederzeit mit anderen Kindern im Hof spielen, Fussball, was denn sonst. Aber ich fühlte mich unvollständig, wie ein Dreieck, aus dem eine Ecke gewaltsam entfernt wurde, und wenn ich es mir recht überlege, gibt es kein Zweieck, es schrumpft zu einer Linie, zu einer lumpigen, lausigen Linie, ohne Körper, ohne die Bezeichnung einer geometrischen Fläche, ohne Inhalt, leer und dünn. Ich weiss nicht, wie Maman glücklich sein kann mit dieser Linie. Sie und ich. Ich und sie. Ich glaube, sie liest viele Bücher und besucht Monsieur Arnond, den Psychiater, der ihr sagt, wie o.k. alles wäre. Es war also kurz vor Weihnachten und ich fand mein Leben nicht o.k. Maman nahm ein sehr altes Kuscheltier in die Hand, es stammte noch aus meiner Krippenzeit, damals hatte es wenig Bedeutung für mich, denn das Dreieck war mein Zuhause, ich stand mit strammen Beinen in meiner Eckposition, und seine Aussenlinie legte sich wie ein schützender Mantel über meine Kante und verband mich mit den zwei anderen Ecken. Keiner brauchte etwas zu tun, die Form war vollendet schön und von mir aus hätten wir uns sogar zu einem Quadrat ausdehnen können. Aber es kam anders. Maman nahm also das Kuscheltier zwischen ihre arbeitsamen Finger, die Nägel waren wie immer kurz geschnitten, es muss bei ihr immer praktisch sein und schnell gehen und sie begann, wie eine Katze zu sprechen. Und zwar nicht wie eine französische, ihren französischen Akzent kann sie zwar nie richtig verbergen, sondern wie eine amerikanische. Ich musste laut lachen. Eine kleine, unbeholfene, dumme amerikanische Katze mit einem kindlichen Sprachfehler. „Spiel weiter, Maman“, und Maman spielte weiter und erfand Françoise.

Endlich ist Maman zurück, denn diese Woche, die sie im Spital verbrachte, erschien mir wie ein Jahr. Nie hat sie mich verlassen, es war das erste Mal, dass sie Françoise mit sich nahm, sie, die Unsichtbare mit dem unendlichen Meer an einfältigem Wissen und den drolligen Ideen. Manchmal wird Françoise frech. Einmal eskalierte die Lage. Ich kann es nicht leiden, wenn sie mit den Zähnen fletscht wie ein Hund, das gehört sich einfach nicht für eine Katze und sie tat es mehrere Male hintereinander, um mich zu provozieren, ich wurde wütend und drohte damit, sie an chinesische Köche zu verkaufen oder noch schlimmer, zu verschenken. Sie flehte mich an, es nicht zu tun, sah mich mit Katzenäuglein an, aber ich war unerbittlich, fühlte die Lust des Zufügens von Schmerzen und rief die Chinesen, die sie unverzüglich für ihr Spezialitätenrestaurant abholten. Als ich dann versuchte, zu schlafen, überkam mich das blanke Entsetzen. Oh, was hatte ich bloss getan. Schnell rief ich Maman und damit Françoise zurück. Zwar war Françoise immer noch beleidigt, was ich auch verstehen konnte, aber es war immer noch besser, als sie auf dem Teller eines Gastes zu wissen.

Maman versucht immer, ganz ehrlich zu sein, sie sagt, es sei besser für mich, wenn ich die Wahrheit kenne. Ich weiss nicht, sie sagt, ihr Krebs sei heilbar, aber schlimm tönen tut ihre Krankheit schon. Manchmal sehe ich sie von der Seite an, sie ist wunderhübsch, aber ihre Augen sind müde. Sie sagt, ich dürfe alle Gefühle haben, die kommen, alle seien willkommen, sogar die Wut und die Angst. Wenn ich im Bett liege, und Maman schon draussen ist, nachdem ich die Nachtzeremonie wieder in die Länge gezogen habe, weil mir plötzlich alle Geschichten, die sich im Verlaufe des Tages ereignet haben, einfallen, die Worte nur so aus mir heraussprudeln und dann das Spiel mit Françoise, manchmal erfinden wir sogar Freunde für sie und Eltern, und einen Kindergarten für Katzen, den sie besucht, und ich wünschte, die Nacht möge kein Ende nehmen, dann sagt sie auf einmal, ich müsse jetzt wirklich schlafen. „Aber Maman, ich habe Angst.“ Und Maman legt ihre starken, kurzen Finger auf meine Stirn. „Ist sie hier, die Angst?“ Ich nicke und spüre schon, wie sie mich bald besuchen wird, mit ihren feurigen Augen. „Ich weiss, du willst sie loswerden. Die beste Methode, die ich von einem tibetischen Lama gelernt habe, ist, sie anstatt zu vertreiben, wie einen Gast zu behandeln, biete ihr ein Getränk an, zum Beispiel eine Cola.“ „Echt, das hat der tibetische Lama gesagt, eine Cola?“ Sie nickt, hebt dazu die Augenbrauen und lächelt mich an.

Als Maman draussen ist, erinnere ich mich an meine jüngsten Alpträume. Meistens fressen uns entweder Drachen oder wilde Tiere auf. Einmal wurden wir von einem Löwen paniert und flambiert. Ein anderes Mal schwammen wir direkt in den Mund eines Wales. Als hätte das nicht gereicht, erwarteten uns im Maulinnern Haie, die uns bei lebendigem Leibe zerfleischten. In der Zeit ihres Spitalaufenthaltes fühlte ich mich wie ein Punkt und verstand allmählich den Wert der Linie. Seit sie wieder da ist, darf ich Françoise nicht aus den Augen lassen, denn die Linie droht, ihre Farbe zu verlieren, als wäre sie mit einem kaputten Tintenkiller angegriffen worden, der zwar nicht mehr ganz zu löschen vermag, aber mit letzter Kraft mit ihrem giftigen Saft der Farbe ihr Leuchten raubt.

Für Morgen wünsche ich mir, Françoise sei ein Baby, dann macht Maman eine Zeitreise, lallt und lächelt mich an, und ich bin ihr Beschützer, ich nehme sie in den Arm, und sage, alles wird gut, hab keine Angst und vertreibe die Tiere aus den Träumen und sehe die stramme Linie vor mir, die sich wie ein Seidenfaden anfühlt, weich und stark. Und Françoise schnurrt mit amerikanischem Akzent „Oh, thanks for your help!“

Auf Platz drei haben es sogar zwei Geschichten geschafft


Platz 3: «Die gute Fee» von Doris Wirth

Es klingelt. Ich bleibe sitzen, Lara ist eingedöst, das Mündchen geöffnet, sie schnarcht, aber nur leise. Es klingelt nochmal. Ich rühre mich nicht. Vom Plattenweg aus kann man wahrscheinlich meine Silhouette durch den Vorhang sehen: Wie ich hier sitze, starr, aufrecht, das Kind im Arm, wie eine Marienstatue. Jetzt klopft es. Eins, zwei, drei, dann ein schnellerer Takt: tocktocktocktock, tocktock-togogeditock. Ich zähle auf zwanzig. Ich zähle nochmals, diesmal rückwärts. Ich atme wie im Flugzeug, kurz bevor es abhebt.

Dabei hat es gut angefangen. Stefan und ich haben uns in die Wohnung verliebt trotz der Bahnlinie hinterm Haus. Die Holzstuckatur an der Decke, ein Erker, die Wiese. Wir wussten gleich, welches das Kinderzimmer sein würde. Als wir die Kisten ausluden, stand sie auf einmal lächelnd vor uns: Die Füsse in Diddl-Pantoffeln, der rote Frottee-Hausanzug passend zu den Lippen. Sie streckte uns ein Tablett voller duftender Brötchen entgegen: „Ich bin die Uschi. Würde ja gern helfen, aber der Rücken.“ Die Brötchen schmeckten gut.

Dann kam der Oleander. Er hatte im Keller überwintert und Uschi war der Tontopf zu schwer. Stefan schleppte ihn hoch. Uschi wies ihn an, sie trat ein paar Schritte zurück, kniff die Augen zusammen: „Noch ein Stück nach rechts. Noch acht Zentimeter.“

Ein paar Tage später stand sie mit einem Zitronenbäumchen auf der Schwelle. Der sei für Lara. Und ob sie das Kind vielleicht sehen könne. Sie musterte die Wand im Flur, die noch kahl war. Aus der Decke schlängelten sich Lampenkabel. Ich nahm ihr das Zitronenbäumchen ab und rief nach Stefan. Er trug unsere Tochter zur Tür.

Wann immer sie mich die nächsten Wochen im Treppenhaus hörte, trabte sie die Stufen hinab und bot an, Lara zu halten, bis ich den Kinderwagen aufgeklappt hatte. Breitete ich die Flickendecke auf der Wiese aus, ging es nicht lange, schon ratschte Uschis Plastikliegestuhl und sie linste unter der Krempe ihres Sonnenhuts hervor. „Herrlich, oder?“, sagte sie, wenn sie nicht gerade in der Zeitschrift blätterte, die Stirn in Falten legte und: „Ein Fluss mit A, ein Fluss mit A“ murmelte. Bei einer solchen Gelegenheit riet sie mir, die Fenster zu putzen, die seien ziemlich staubig. Keine Stunde später brachte sie mir ihr Hirschleder vorbei – mit dem glänze  n­­achher alles tiptop.

Einmal bedauerte sie, dass wir noch immer keine Lampe im Flur hätten. Übrigens hätte sie noch eine Hängeleuchte im Keller. „Ach so, nun ja, gern“, sagte ich, ohne zu überlegen. Uschi überschritt, ein in Zeitung gewickeltes Ungetüm vor sich her balancierend, die Schwelle. Sie legte die Lampe auf den Küchentisch und sah sich in der Wohnung um. Dazu stützte sie die Hände in die Hüften. Dann setzte sie sich auf Laras Lammfell auf die Couch: „Ein Tee wäre jetzt gut. Lindenblüten am liebsten. Das beruhigt die Nerven.“

Jetzt hab dich nicht so, habe ich gedacht, vielleicht braucht sie jemanden zum Reden. Immerhin hat sie euch die Lampe geschenkt. Ich habe genickt, als Uschi geredet hat. Ich habe ihr in die Augen geschaut und gesagt, dass ich sie verstehe.

Am nächsten Morgen raschelte sie mit einer Tüte Croissants. Stefan sei doch eben aus dem Haus gegangen. „Und wir Frauen, so untereinander…“. Ich hob den Zeigefinger an den Mund. Uschi nickte. „Darf ich mal?“, fragte sie und rauschte an mir vorbei. Wieder setzte sie sich aufs Lammfell. Sie musterte die Pflanzen auf dem Fensterbrett. Dass die Orchidee fast eingehe, meinte sie. Und dass sie dagegen ein Mittelchen hätte. Uschi rückte näher an mich heran. Ich wich zurück.

Als ich am Tag darauf meine Wäsche aus der Waschküche holen wollte, lag sie zusammengelegt im Korb. Zwei Pullis fehlten. Ich zuckte zusammen, als die Klingel durch die Stille gellte. Ich blickte durch den Spion. Uschi grinste, als sähe sie mich.

„Die hatten Löcher“, sagte sie und drückte mir die säuberlich gefalteten Pullover in die Arme. „Dazu sind gute Nachbarn schliesslich da.“ Ich schluckte leer und stellte mich breitbeinig hin. „Ich wollte grad los“, sagte ich. „Kann ich mitkommen?“, fragte Uschi, „bestimmt bist du froh, wenn jemand auf Lara schaut.“ Ich schüttelte den Kopf.

Als ich heimkam, lag sie wieder mit dem Kreuzworträtsel im Garten. Sie komme gleich vorbei, strahlte sie, sie hätte etwas für uns. Eine Überraschung. Ich hob müde den Blick. „Ich komm gleich“, rief sie mir nach.

Ich öffnete die Tür nur einen Spalt. Uschi fummelte an einer Tüte herum und zog einen blauen Stoff heraus. „Tadaaaaa!“, machte sie. „Ein Vorhang. Selbst genäht. Dann sieht man nicht mehr immer bei euch rein. Ihr wollt doch auch mal etwas ungestört sein. So wie neulich, als ich abends den Oleander goss, wie ihr euch da geküsst habt, süss war das, so im Lampenschein. Übrigens habe ich eine, die man dimmen kann, wäre das nicht auch mal was für euch…?“

Ich nahm ihr den Stoff aus den Händen. Dann sagte ich, dass ich Bauchschmerzen hätte und dringend aufs Klo müsse. „Durchfall“, zischte ich und verzog das Gesicht. „Kein Problem, ich pass auf Lara auf“, sagte Uschi noch und wollte ihren Kopf hereinstrecken, da gab ich der Tür einen gewaltigen Stoss. Sie knallte. Irgendetwas klirrte.

Die Blätter der Birke leuchten. Das Klopfen hat vor einer Minute aufgehört. Ich würde gerne rausgehen mit Lara, aber ich darf nicht. Ich muss ausharren. Zwei Tage noch oder drei. Eine Woche besser. Solange gehe ich nur nachts aus dem Haus, wenn Stefan zurück ist und auf die Kleine schaut. Ich schlüpfe zur Wohnung hinaus, tappe in den Socken über den Plattenweg und ziehe die Schuhe erst an, wenn ich das Haus nicht mehr sehen kann. Dann renne ich, ich renne und breite die Arme aus, ich höre, wie die Absätze auf dem Gehsteig klacken. Ich würde mich gerne um mich selber drehen, ich würde gerne laut singen, aber das kommt mir zu theatralisch vor. Viel Zeit habe ich ohnehin nicht. Ich muss zurück, muss ins Haus, ehe sie nicht schlafen kann, ehe sie auf dem Balkon steht und in die Nacht späht. Ich lege den Kopf in den Nacken. Oben sind Sterne. Milliarden von Augen, die auf mich herunterblicken.

 

Platz 3: «Unter anderen Vorzeichen» von Lisa Ladner

Vor einem halben Jahr hatte sie ihn angerufen. „Hey, wie hast Du das geschafft, über dreissig Mitbewerber auszustechen? Ich gratuliere Dir! Nur noch drei im Rennen? Kennst Du die anderen? Wie geht’s jetzt weiter? Brauchst Du Hilfe?“ Dankbar hatte Ben Hannas Angebot angenommen, es ihr überlassen, seinen Lebenslauf und die weiteren Texte zu schreiben, die er in ein, zwei Monaten einreichen musste. Ob sie gleich noch seine Skizzen einscannen könnte, kurze Bemerkungen zu ihnen verfassen? Aber sicher. „Oh, und könntest Du auch noch ein Foto von mir machen?“ Kein Problem.

Die Hilfe artete in Arbeit aus. Sie tat, was nötig war. Unbezahlt, natürlich. Aber Freunde rechnen nicht. Wenn er den Auftrag zugesprochen bekäme, die Fassade des Bankgebäudes mit Kunst einzukleiden, würde auch für sie etwas herausspringen. Auf die eine oder andere Weise, hatte er sich im Verlaufe ihrer Freundschaft noch immer erkenntlich gezeigt. Er brauchte nicht zu wissen, dass Hanna es aus Liebe tat, froh, einen Grund zu haben, endlich mal wieder Bens Nähe zu spüren.

Hanna war nicht überrascht gewesen, dass Ben ohne Anstrengung so weit gekommen war. Abgemüht hatten sich bisher nur die Künstlerinnen und Künstler, die bereits aus dem Rennen waren. Ben war direkt in die Endrunde gekommen. Irgendjemand hatte ihn unbedingt dabei haben wollen. Ben hatte keinen Namen genannt, Hanna fragte nicht. An Bewunderern, vor allem weiblichen, mangelte es Ben nicht. Aber nun, das war dem Künstler bewusst, halfen Beziehungen nicht weiter. Um den Job zu kriegen, mussten überzeugende Vorschläge gemacht und der Papierkram erledigt werden. „Meine liebe Hanna, was würde ich bloss ohne Dich machen?“

Als Ben seine Künstlerkarriere begann, reichte es, einige biografische Angaben für die Einladungskarte oder den Katalog zu übermitteln. Hanna hatte ihn das oft wiederholen gehört. Geschäfte entstanden aus persönlichen Begegnungen, Handschläge ersetzen Verträge. Wie man Künstler-Statements und Resümees verfasste, hatte er nie gelernt. Lange Erklärungen zu Kunstwerken kamen ihm unnötig vor.

Hanna recherchierte an seiner Stelle, trieb Kunstbände und Kataloge auf, die auf ihn verwiesen, stellte biografische Daten zusammen, überprüfte widersprüchliche Informationen. „Bist Du im Atelier? Kann ich kurz vorbeikommen? Wir sollten Deine Kurzbiografie nochmals überarbeiten, hier stimmt was nicht mit der Chronologie.“

Hanna wusste schon länger, dass Ben in einer Beziehung dümpelte, die er schon längst abbrechen wollte. Aber der richtige Moment wollte einfach nicht kommen, in dem er es dieser Frau sagen konnte. „Ich möchte ihr nicht wehtun. Ich mag sie doch.“ So begann er, ihr einfach auszuweichen und stattdessen mit Hanna auszugehen. Hanna wertete es als Zeichen dafür, dass nun ihre Zeit mit Ben gekommen war. Sie genoss die Aufmerksamkeit, die Zuneigung. Ben lud sie zum Essen ein oder machte nach getaner Arbeit im Atelier eine Flasche Wein auf. „Danke für Deine Hilfe, Hanna!“ Dann fragte er sie, ob sie über Nacht bleiben wollte. Ja, sie wollte. Und blieb immer mal wieder. An anderen Abenden begann er, Bleistifte auf dem Tisch auf einen unsichtbaren Punkt hin auszurichten und sagte, er begleite sie nun zum Auto. Wie viel Nähe oder Distanz Ben brauchte, war immer schwierig vorauszusehen.

Diese unfertige Sache mit der anderen schlug Ben aufs Gemüt, besonders wenn Hanna fragte, weshalb sie noch immer so oft anrief. „Ist diese Geschichte nun abgeschlossen oder nicht? Hast Du mit ihr gesprochen?“ Hatte er nicht. Hoffte noch immer, dass sie einfach so aus seinem Leben verschwinden würde. Hanna dämmerte es, dass er sich eines Tages auch ihr entziehen würde. Immer wieder sprach er von Freiheit, davon, dass er sich am liebsten irgendwo verkriechen würde, um alleine zu sein. Als Hanna zufällig der nichtsahnenden Nebenbuhlerin begegnete, liess sie durchblicken, dass Ben ein Doppelleben führte, zwei Frauen gleichzeitig zum Narren hielt. Die andere machte Ben eine Szene und liess ihn stehen. Ben war klar, woher sie die Details kannte, die sie ihm an den Kopf geschmettert hatte. Er war beschämt und verletzt.

„Du hast mein Vertrauen missbraucht, Dich in mein Leben eingemischt“, sagte Ben. Hanna hatte sich vor seiner Reaktion gefürchtet. Sie hätte heftiger ausfallen können. „Jetzt hast Du doch, was Du wolltest“, meinte sie. „Nun bist Du frei, ohne dass Du etwas dafür tun musstest.“ Ben begann die Stifte zu sortieren, die vor ihm lagen. Hanna stand auf und verliess das Atelier. Den Weg zum Auto fand sie auch alleine.

Hanna hatte nicht erwartet, dass Ben erleichtert oder dankbar sein würde. Sie hatte auch nicht erhofft, dass er sich nun für sie entscheiden würde. Das wäre naiv gewesen. Der Verlust schmerzte sie dennoch. Und doch fühlte sie sich seltsam zufrieden, so, als hätte sie allen Beteiligten einen Dienst erwiesen: der anderen Frau, die ihre Energie nun in eine neue Beziehung lenken konnte, Ben, dem sie den Akt des Verlassens abgenommen hatte, den er mehr fürchtete als verlassen zu werden, sich selbst, indem sie sich von einer Illusion befreit hatte, die ihre Würde belastete. Sie bedauerte einzig, einen Freund verloren zu haben.

Einige Monate waren vergangen, in denen sie nichts von Ben gehört hatte. An einer Vernissage trafen sich ihre Blicke so direkt, als wären sie die einzigen Besucher. „Ich habe gehört, Du seiest für einen Kunstpreis vorgeschlagen worden“, nickte sie ihm zu. „Brauchst Du Hilfe bei den Papieren?“ Überrascht nahm Ben Hannas Angebot an. „Du kennst mich ja besser als ich“, meinte er und blickte zu Boden. So aktualisierte sie sein Curriculum Vitae und füllte die Formulare aus, die einzureichen waren, wählte repräsentative Bilder seiner Werke aus und versah sie mit den nötigen Bildlegenden. Sie war froh, die meisten Fragen telefonisch klären zu können, suchte keinen Vorwand, ihn persönlich aufzusuchen.

Die Arbeit nahm Tage in Anspruch. Ob er den Preis gewinnen würde – das lag nun in den Händen der Jury. Sie hoffte es für ihn. „Danke für Deine Solidarität“, sagte er, als sie ihm eine Kopie des eingereichten Dossiers vorbeibrachte. Sie lehnte seine Einladung zum Essen ab. „Vergiss nicht, mir Deine Bankangaben zu schicken“, rief er ihr nach. Aber Hanna ging es nicht ums Geld. Sie half aus Mitleid. Und, weil Helfen sie an eine tiefe Liebe erinnerte, die sie verloren hatte.

Im Anschluss finden Sie die Gewinner-Geschichten der Plätze 5 bis 10

Platz 5: «Ehrensache» von Stefan Millius

Er hatte sich bereits auf eine längere Wartezeit eingestellt, als ein Wagen die Fahrt verlangsamte und auf seiner Höhe zum Stehen kam. Erstaunlich, dachte Frank. Wenn es erst einmal eindunkelt, hält in der Regel kein Mensch mehr an.

„Wohin denn?“

Die Stimme kam aus dem spaltbreit geöffneten Beifahrerfenster. Frank zögerte keinen Moment und öffnete die Tür, bevor er antwortete. Alte Mitfahrerweisheit: Ist die Autotür erst einmal offen, wird man meist auch mitgenommen. Die Innenbeleuchtung des Wagens war schwach und Frank erkannte kaum Details. Ein Mann, mittleres Alter, mehr war nicht auszumachen.

„In Ihre Fahrtrichtung. Soweit wie möglich. Ich brauche nur was für die Nacht, morgen geht es weiter.“

Der Mann hinter dem Steuer schwieg, das Gesicht der Frontscheibe zugewandt. Frank glitt auf den Beifahrersitz, schlug die Tür zu und schnallte sich an.

„Morgen geht es weiter“, wiederholte der Fahrer mit tonloser Stimme und liess den Wagen anrollen. Frank warf einen verstohlenen Blick nach links, aber nun war es wieder dunkel im Innern des Autos. Das Gespräch suchen, dachte er sich, das richtige Thema finden, dann vergeht die Fahrt wie im Flug, und morgen konnte er sich die Fahrgelegenheiten wieder aussuchen.

„Schön, dass Sie angehalten haben. Wird nicht einfacher mit der Autostopperei, wenn es erstmal dunkel ist.“

Der andere nickte langsam. „Ich helfe gern. Ehrensache.“ Er setzte den Blinker Richtung Autobahneinfahrt. Frank atmete innerlich auf. Das sah nach einer schönen Wegstrecke aus, die er heute schaffen konnte. Er hatte sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und die Bahn war bei seinem Kontostand keine Option. Mit ein bisschen Glück war er morgen Mittag bei ihr. Endlich wieder bei ihr.

Auf der Autobahn herrschte kaum Verkehr. Die Nadel des Tachos blieb dennoch stoisch auf der erlaubten Marke. Ein gesetzestreuer Bürger, dachte Frank und lehnte sich zurück. Egal. Er hatte Zeit. Sofern ihn der Mann irgendwo in der Zivilisation ablud, würde sich eine kostenlose Behelfsunterkunft finden lassen, eine Bahnwartehalle, eine unverschlossene Garage, was auch immer. Mit jedem Meter Autobahn kam Frank seiner Sehnsucht näher. Da spielten ein paar Stundenkilometer mehr oder weniger keine Rolle.

Einige Minuten herrschte Stille im Wagen. Nicht mal das Radio lief. Die meisten Autofahrer nahmen Leute wie ihn mit, um sich die langweilige Fahrt allein hinter dem Steuer zu verkürzen. Vielleicht war der hier eine Ausnahme, aber es war ein Gebot der Höflichkeit, es wenigstens zu versuchen.

„Wo müssen Sie denn hin?“

Der Mann lachte kurz und scheppernd auf. „Ich muss gar nichts.“

Frank lachte ebenfalls, weil es ihm passend schien, aber als er sich selbst hörte, klang es furchtbar unecht.

„Okay, dann eben: Wo wollen Sie denn hin?“

Erstmals blickte der Lenker zur Seite. Frank sah aus dieser Distanz, dass der Mann jünger war, als er zunächst gedacht hatte. Die Haut war faltenfrei, das Haar voll. Die Augen wiederum wirkten seltsam alt und müde und ausdruckslos. Der Mann blickte Frank an und gleichzeitig durch ihn hindurch, als würde er ihn gar nicht wahrnehmen. Als wäre er blind.

Klar, dachte Frank. Der Mann ist blind und fährt Auto und hält an, um einen Autostopper mitzunehmen und biegt dann auf die Autobahn ein. Himmel, reiss dich zusammen. Der Typ ist seltsam, aber nicht blind.

„Ich will an den Ort meiner Bestimmung“, sagte der Mann hinterm Steuer. „Dorthin, wo ich hingehöre.“

Doch ein Freak. Aber man kann sich seine Mitfahrgelegenheit eben nicht aussuchen. Nachts jedenfalls nicht.

„Genau wie ich. Bin unterwegs zu meiner Freundin. Fernbeziehung. Ziemlich anstrengend, vor allem, wenn man sich kein Auto leisten kann. Aber dank Ihnen werde ich ja bald…“

„Money, money, money, must be funny, in the rich man’s world.“

Der Mann hatte aus dem Nichts heraus mit dem alten ABBA-Song begonnen und Frank mitten im Satz unterbrochen. Dazu schlug er mit einer Hand auf dem Armaturenbrett den Rhythmus, während er mit zwei Fingern der anderen Hand das Steuer mehr schlecht als recht auf Kurs hielt. Frank zog zischend die Luft ein. Das hier war selbst für ihn eine Premiere. Aber andererseits: Im eigenen Auto konnte jeder singen, soviel er wollte. Also tun, als wenn nichts wäre.

„Die alten Schweden. Haben selbst ganz schön Kasse gemacht mit dem Lied, was?“ Frank bemühte sich, seine Stimme zu kontrollieren. Eine Tafel kündigte eine Ausfahrt in zwei Kilometern an. „Hören Sie, wie gesagt, wirklich toll, dass Sie angehalten haben…“.

„Ehrensache!“ sagte der Mann, nun wieder mit tonloser Stimme. „Ich helfe gern. Helfersyndrom. Kennst Du das?“

„Jedenfalls ist mir schon gedient, wenn Sie mich bei der nächsten Ausfahrt rauslassen. Für heute bin ich weit genug gekommen.“

„Glaub ich nicht. Hast doch gesagt: So weit wie möglich. Mache ich doch glatt. Ehrensache! So weit. Wie. Möglich.“

Okay, dachte Frank, dem es inzwischen definitiv zu weit ging. Die nächste Tafel. 1500 Meter. Ein einziges überzeugendes Argument und dieser Spuk hier war zu Ende.

„Sie wollen helfen? Sie helfen mir, wenn Sie mich da vorne rauslassen. Müssen nicht mal rausfahren. Einfach vor der Ausfahrt auf den Pannenstreifen, ich hüpfe raus, den Rest mache ich schon.“

Der Mann drehte sein Gesicht wieder Frank zu. Die müden, alten Augen waren inzwischen seltsam weit hervorgetreten.

„Helfen ist was Einsames. Immer helfen. Anderen helfen. Schön, dass ich wenigstens jetzt nicht alleine bin. In diesem Moment.“

Frank schluckte. Aussteigen bei voller Fahrt war keine Option. Und nüchtern betrachtet konnte ihm nichts passieren. Er war in Form und der Mann hinterm Steuer wirkte nicht besonders sportlich. Jetzt war die Ausfahrt zu sehen.

„Dort vorne? Dort willst du raus?“

Frank atmete auf. „Exakt. Perfekt für mich. Wirklich.“

„Für mich auch.“ Der Mann setzte den Blinker. „Perfekt. An den Ort der Bestimmung, richtig?“

„Klar.“ Jetzt bloss nicht widersprechen und dann hat das hier ein Ende. Frank hatte die Hand bereits am Türgriff. Er spürte, wie der Wagen leicht beschleunigte. Die Gabelung lag jetzt direkt vor ihnen. Die Autobahn schnurgerade, die Ausfahrt rechts, im grünen Dreieck dazwischen der Baum. Frank riss den Kopf herum. Die Hände des Fahrers umklammerten das Steuer, die Knöchel der Finger traten weiss hervor.

„Wir beide helfen uns. Okay? – Ehrensache!“

Und da war der Baum.

 

Platz 6: «Da Heim» von Marta Bühler

Die Kinder kamen in unser Haus am Morgen, tagsüber, in der Nacht, zu jeder Zeit. Sie wurden uns gebracht und sind angekommen wie Strandgut, angeschwemmt, liegengelassen und gefunden. Wir haben sie empfangen, innerlich, bevor sie da waren. Haben uns Bilder erschaffen, wie die neue Welt für jedes Kind aussehen könnte. Versuchten, dem Bild einen Anfang zu geben, schufen Raum für diesen Beginn.

Sie kamen, drei Kinder im Alter von drei, acht und elf Jahren.

Gefunden, herausgeholt aus ihrer Wohnung, der Sozialvorsteher und der Polizist.

Eingesperrt, nackt, frierend in einer ungeheizten Wohnung, lebten sie. Der Strom, wegen nicht bezahlten Rechnungen, abgestellt. Eine tote Katze, verwest im Bettzeugkasten des Kinderzimmers gefunden, nicht losgelassen, immer noch dazugehörend. Säcke gefüllt mit Abfall getürmt bis unter die Decke. Urin gesammelt in Flaschen, das WC verstopft, unbenutzbar. Die Mutter nicht zu Hause, der Vater wohnhaft ausserhalb.

Sie standen da in Kleidern ihrer Mutter, gestellt in fremde zu grosse Schuhe. Die Mäntel stiessen vom Boden ab, bildeten einen kleinen Kranz und gaben den Schein eines Haltes. Wir suchten ihre Augen, suchten nach Worten, nach einem Kontakt.

Es gab vorerst nichts zu sagen, zu ihrer Welt. Geleitet vom inneren Bild entstand ein Angebot von Verwöhnen, von Gast sein zu dürfen, nach so karger Kost. Wir boten Herberge und stellten uns zu Diensten. Ein Vollbad mit Rosenblättern und Vanillegeschmack, eine Ente und ein Motorschiff im Wasser, Fischstäbli und Kartoffelstock, eine Geschichte nach Wunsch. Ein Bett zu dritt wie gewohnt und vertraut, eine kleine Nachtmusik, farbige, durchsichtige Tücher über dem Bett hängend, gaben dem Ganzen einen rosaroten sanften Schimmer. Wir waren für sie da im Sein und im Bleiben. So begann der erste Tag und die beginnende Nacht an einem neuen Ort.

Drei Wochen sind sie geblieben. Zusammen haben wir eine Sprache gefunden. Entstanden sind Worte, die verrieten, was gut war in ihrem Leben, was sie alles können, nach was sie sich sehnten und wie sie dort hinkommen könnten. Es entstanden Gespräche über die Sehnsucht nach der Zukunft. Sie schufen dazu Bilder, gemalt auf Papier. Wir bauten Brücken hin zur Versöhnung, waren Übergang hin zu einer neuen Familie. Boten Schutz, Sicherheit und Geborgenheit für eine kurze Zeit. 

Losgelöst, vertrauensvoll sind sie weitergegangen in eine neue Familie. Die Tücher, die Ente, das Schiff und die Rosenblätter haben sie mitgenommen. Von ihrem Vater wurden sie abgeholt und an einen neuen Ort gebracht.

Das Zimmer leer gehalten für eine kurze Zeit. Die Fenster geöffnet, den Blick weit, Gedanken mitgegeben. Dem Geist Zeit gelassen zum Entfliehen. Inneren und äusseren Raum bereitgestellt für Neuankömmlinge. Gelernt, zufrieden zu sein mit der begrenzten Zeit der Beziehung.

Gekommen sind sie je an der Hand einer Grossmutter. Aneinander an den Händen festhaltend versunken in die eigene Welt, die Kinder und ihre Begleiterinnen. Wie getrieben und gestossen sind sie in unser Haus gekommen. Drei- und fünfjährige Buben.

Der eine an der Hand der Mutter der Mutter, der andere an der Hand der Mutter des Vaters. Empfangen in Stille und Trauer. Wortlose Ruhe, Totenstille. Im Kopf ein Bild des Grauens. Wir haben Worte gefunden für die grossen Mütter. Wertschätzung, Hochachtung und Respekt ausgedrückt für die Bereitschaft, ihre Grosskinder zu begleiten, als Mutter des Opfers und als Mutter des Täters. Haben zusammen geweint und über das gesprochen, was sie, die Kinder, in ihren grossen Taschen und Koffern mitgebracht haben.

Die Kinder haben ihre Welt von zu Hause ausgepackt und in unsere gestellt. Wir haben ihre Geschichten angehört und ihnen Platz gegeben. Mit den vertrauten Spielsachen haben sie begonnen zu spielen, so eben wie Kinder spielen. 

Im Spiel gemordet und getötet, den Himmel besucht, mit dem Engel gesprochen. Zusammen haben wir Blumen gepflanzt, weite Spaziergänge gemacht, gekämpft und Frieden gemacht. Gelernt, Grenzen zu setzen.

Gross wurden sie in einem Jahr. Ein neuer Vater und eine neue Mutter wurden gefunden. Sie haben sich gemeinsam langsam angenähert, haben vertrauensvoll Schritte gemacht, immer noch an der Hand ihrer Grossmütter, immer noch begleitet von vertrauten Menschen.

Die Koffer wurden gepackt, die Taschen gefüllt, Vertrautes und Neues mitgegeben. Bereichert mit neuen Geschichten sind die Buben gegangen.

Gesucht nach der Gerechtigkeit, das Warum vergessen. Das Wie für die Veränderung viel wichtiger geworden. Empfanden Dankbarkeit im Geschehen, ein Teil zu sein.

Erst ein paar Tage alt, das Kindlein, die Welt erst erblickt, schon kaum geboren, das Ende schon ganz nah. Geschüttelt durch Arme, gebrochen die Schädelknochen, das Hirn verdrängt an die Begrenzung, Löcher entstanden, gefüllt mit nichts. Das Kind nicht zerbrochen, geblieben, getaucht in Tiefen. Nur manchmal geschüttelt durch Hirngewitter, dann wieder Stille und Schlaf.

Haben dem Geborenen ein Bett gemacht, mit Kissen umhüllt, auf Weiches gelegt. Nicht gewiegt im Korb und in den Armen. Nur gehalten und leise gesprochen, nur wenig zu trinken gegeben, aber viele Male. Viel berührt mit warmen Händen, ganz sanft. Gewacht am Tag und in der Nacht. Das Zimmer verdunkelt mit wenig Licht.

Die Augen geöffnet, erwacht aus dem Traum. Den Vorhang ein wenig verschoben, dem Licht eine Öffnung gemacht.

Die Trinkmenge verdoppelt, in die Gemeinschaft der Kinder mitgenommen, den Garten im Tragtuch erkundet. Das Wasser zum Baden kennengelernt. Kontakt mit den Augen gehalten. Zuckungen der Arme in Bewegung übergegangen, die Medikamente erhöht.

Gesucht einen Platz für ihresgleichen, für die ohne Sprache, die ohne Sehen, ohne Hören, für die, die nicht auf den Beinen stehen.

Einen Ort gefunden, dort aufgenommen, erwünscht, eine Welt für sich, für die Stillen und Bewegungsarmen.

Wir haben das Mögliche getan. Waren Brücke, um geboren zu bleiben.

Mit ihnen, den Kindern, kamen die Eltern und ihre Geschichten. Sie zogen ein, ohne wirklich da zu sein.

Wir schufen innerliche Bilder, aus den uns mitgeteilten Geschichten, um sie, die Eltern, empfangen zu können.

Kinder weggenommen, Türen aufgebrochen, Kinder weggerissen.

Einblick gewonnen in Leid, Krankheit, Elend, Scham und Schuld, Ohnmacht und Kampf, Verlust und Not, Einsamkeit und Angst.

Wir haben sie empfangen, behutsam, streng und in abgesteckten Grenzen. Den Spiegel immer wieder versucht hinzuhalten, auch nur für kurze Zeit.

Hineingelassen in unser Haus, manchmal draussen stehen gelassen, sie neben uns gesetzt, innerlich ein warmes Tuch um sie gelegt, mitgenommen auf den Weg, manchmal abgeschnitten die Brücken. Neue gebaut zu ihrem Innern, uns umgedreht und abgewandt. Das Kind in die Mitte gesetzt und für sie und nur für sie eine neue Welt erbaut.

Verankert in mir, geerdet als Frau, geborgen in der Familie zu Hause im eigenen Heim bin ich in dieses Haus der Kinder gekommen. Es war einfach da, das Haus, der richtige Ort, um zu wirken, um zu sein. Konnte aus dem Vollen schöpfen, führen und leiten, lehren und lernen, geben und nehmen, die Hand halten und sich an der Hand nehmen lassen.

Konnte Vorbild und Kind sein, gemeinsam und zusammen ein Haus erbauen, nach innen und aussen strahlen. Habe Wachsen gesehen, Jahreszeiten miterlebt. Das Geschehen als ein Geschenk des Himmels empfunden, Kraft und Stärke entwickelt, Vertrauen gefasst, Dankbarkeit und Zufriedenheit gefühlt. Zutiefst berührt, ein Teil dieses Sinngebens, dieser eigenen Welt zu sein.

 

Platz 7: «Der Rothelfer» von Omar Hidber

Nadja stand am Fenster mit der Espresso‐Tasse in der Hand. Wie jeden Morgen war viel los auf der Strasse vor dem Bahnhofplatz in Altstetten. Stossstange an Stossstange drängelten die Autos stadteinwärts. Passanten eilten zu den Zügen oder Bussen. Alles war in Bewegung.

„Du, der Rothelfer ist wieder da“. Nadja sagte es in einem ruhigen Ton. Fast beiläufig. Wie wenn es das Selbstverständlichste der Welt wäre, und sie ihre Beobachtung überhaupt nicht erstaunte.

„Hmm“, sagte Thomas und blickte kurz von seiner Zeitung auf. Nun war er also wieder da. 

Der Rothelfer war ein etwa 45‐jähriger Mann, der den Leuten über die Strasse half. Vor allem Kindern, alten Frauen und alten Männern. Gehbehinderten, sehbehinderten, schwerhörigen, buckligen, wackligen, besoffenen, verladenen. Leuten ohne Gepäck oder solchen, die mit viel Gepäck vom Bahnhof kamen. Einfach allen, die es nötig hatten. Oder von denen er glaubte, dass sie es nötig hatten, denn eigentlich war seine Hilfe nicht nötig.

Der Fussgängerstreifen hatte zwar kein Lichtsignal, er war aber gut signalisiert und die Strasse übersichtlich. Die meisten Autofahrer gewährten den Fussgängern gelangweilt den Vortritt. Mit einem missmutigen Blick hielten sie an und schickten sich in das Unvermeidliche. Man war hier in der Stadt und wusste, dass Anhalten Pflicht war. Seit einige Fussgänger in letzter Zeit auf Fussgängerübergängen angefahren worden waren, kontrollierte die Polizei das Verhalten der Autofahrer intensiver und sprach empfindliche Bussen aus. Das wirkte.

Nadja musste los. Sie strich Thomas übers Haar und gab ihm flüchtig einen Abschiedskuss. Im Flur zog sie ihre Schuhe und den Mantel an. Mit ihrem langgedehnten „Tschü‐üss“ verabschiedete sie sich und warf die Türe ins Schloss.

Thomas ging zum Fenster und überzeugte sich davon, dass der Rothelfer wieder da war. Seine Hilfe für die Passanten war wirklich nicht nötig. Seit ein paar Jahren hatte es in der Mitte der Strasse sogar eine Fussgängerinsel. Nachts war der Streifen hell beleuchtet. Die Fahrzeuge kamen höchstens mit Tempo 50. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens meist langsamer. Gefahr bestand keine. Seine Hilfe war nicht nötig. Dennoch gehörte der Rothelfer inzwischen zum Quartier wie die Buslinie 31.

Gerade reich an Sehenswürdigkeiten war das Quartier ohnehin nicht. Wer hierher kam, tat es wegen der Arbeit und war froh, wenn er abends wieder weg konnte. Thomas arbeitete als Informatiker für eine Grossbank. Sein Arbeitsplatz lag auf der anderen Seite des Bahnhofs. Er war in fünf Minuten am Arbeitsplatz. Er schätzte den kurzen Arbeitsweg, seit er bei Nicole eingezogen war.

Der Rothelfer war stets korrekt gekleidet. Er war kein Penner. Ohne seine leuchtend orange‐silberne Jacke wäre er in der Masse der Passanten kaum aufgefallen. Man hätte ihn für einen Angestellten eines der Backoffices der Banken oder Versicherungen halten können.

Nadja hatte versucht, herauszufinden, warum er das tat. Sie hatte versucht, mit ihm ein Gespräch aufzunehmen. Immer war er zu beschäftigt gewesen. Er half ihr über die Strasse. In ein Gespräch liess er sich nicht verwickeln.

Selbst der Journalistin der lokalen Gratiszeitung hatte er keine Informationen preisgegeben. Er hatte sie bloss einige Male hin und zurück über die Strasse geleitet, bis es ihr zu bunt wurde. Das hatte sie dann in ihrer Kolumne verarbeitet. Sie war es auch, die ihm den Namen „der Rothelfer“ gegeben hatte. Nadja wusste nicht mehr weshalb. Aber unter diesem Namen kannte man ihn seither im Quartier.

Vor vier Wochen war er verschwunden. Von einem Tag auf den anderen. Niemand wusste, wo er geblieben war. Jetzt, da er weg war, vermissten ihn alle. Er hatte zum Quartier gehört.

Nadja hatte sich auch bei Pino erkundigt, der die Bar gleich beim Fussgängerstreifen betrieb und der sonst alles wusste, was in der Gegend geschah. Über den Rothelfer wusste er nichts, was Nadja nicht auch schon wusste. Er hielt ihn für einen Spinner und damit „basta“.

Auch die Verkäuferin des Arbeitslosenmagazins auf dem Bahnhofsplatz hatte sie gefragt. Ihr war der Rothelfer auch aufgefallen, aber sie wusste weder seinen Namen, noch kannte sie seine Geschichte.

Niemand wusste, wo der Rothelfer geblieben war. Und nun war er wieder da. Half den Passanten über die Strasse.

Noch merkwürdiger als sein Verschwinden schien Nadja sein erneutes Auftauchen. Warum tat dies jemand? Ohne Auftrag und ohne Bezahlung. Bei jedem Wetter. Morgens von 6 bis 10 und abends von 16 bis 20 Uhr. Auch an den Wochenenden. Die Umstellung auf die Winterzeit machte er jeweils nicht mit. Es schien, dass er ausserhalb der Zivilisation lebte. Dabei war er doch mitten drin. „Basta“ hatte Pino gesagt und mit dem Zeigfinger an die Stirn getippt.

Sie war spät dran. Ihr Zug würde in 4 Minuten einfahren. Der Rothelfer grüsste sie wortlos und half ihr über die Strasse. Am Abend wollte sie ihn fragen, wer er war, und weshalb er dies machte. Nun war keine Zeit dazu.

Auf dem Heimweg kaufte Nadja im Shopville bei Krämer eine rote Rose. Mit dieser wollte sie den Rothelfer wieder im Quartier willkommen heissen. Insgeheim hoffte sie, so mit ihm sprechen zu können. Doch der Rothelfer war nicht am Fussgängerstreifen. Nur seine orange‐silberne Jacke lag auf der Fussgängerinsel. Nadja ging direkt zu Pino und fragte ihn, was geschehen sei. Pino konnte ihr keine genaue Auskunft geben. Er wusste bloss, dass Polizei und Ambulanz wegen eines Unfalls auf dem Fussgängerstreifen gekommen waren. Der Rothelfer war weg. Erneut.

Tags darauf die marktschreierische Schlagzeile des lokalen Boulevardblatts: „Todeszone Zebrastreifen! ‐ Schon wieder ein tödlicher Unfall“. Augenzeugen des Unfalls gaben zu Protokoll, dass ein Mann wild gestikulierend auf die Fahrbahn gesprungen sei. Der Automobilist konnte nicht mehr bremsen. Der Artikel enthielt keine Hinweise auf die Identität des Toten. 

Nadja legte die Rose auf die Fussgängerinsel zur orangen Jacke.

Wochen später erfuhr Thomas, dass der Tote ein arbeitsloser Engländer war, der in der Finanzkrise Job und Halt und Verstand verloren hatte. Er wohnte im Wald und ernährte sich von Nahrungsmittelabfällen von Restaurants, Altersheimen und Grossverteilern. Er konnte seinen Kindern die brutale Wahrheit nicht sagen. Er hatte es vergeblich versucht. Lieber tauchte er erneut ab.

 

Platz 8: «Der Stock» von Irène Horst

Schon früh streckte die Sonne ihre Strahlen der Erde entgegen und begrüsste die ganze Besatzung der bunten Kugel. Der Flieder genoss die Wärme und das Licht, entschied sich, die Blüten zur Feier des Tages zu öffnen. Der betörende Duft verbreitete sich über die Gärten und meldete den Beginn einer aufregenden Zeit. Mathilda räkelte sich, drehte sich nochmals im Bett und versuchte, den Schlaf zurückzuhalten. Aber dem Ruf des Erwachens kann niemand entrinnen. Vor dem Fenster erklangen zauberhafte Konzerte und ermutigten die alte Dame zum Aufstehen. Zaghaft entnahm sie die Füsse der Decke und legte sie auf den Boden. Es fühlte sich gut an, auch ohne Hausschuhe. Sie tapste durch das Zimmer und begab sich zur Küche, um den ersten Kaffee zu brauen. „Hallo, ihr lustigen Kumpanen“, rief sie durch das offene Fenster. „Ihr habt Recht, heute komme ich raus und geniesse das Leben“. Ein Spaziergang zum Stadtpark täte ihr gut, dachte sie, den konnte sie alleine bewältigen. Die Zuverlässigkeit ihrer Beine liess zu wünschen übrig und ihre Augen, ach ihre Augen. Die wollten die Pracht der Natur nicht mehr wiedergeben, hüllten Mathilda allmählich in eine einheitliche und undurchdringende Düsterheit. Trotzig stand sie auf und murmelte vor sich hin „dieses Vergnügen lass ich mir nicht nehmen, ich gehe trotzdem raus. Wo habe ich den Stock hingelegt? Den weihe ich heute ein. Es ist an der Zeit, der Vernunft einen Platz einzuräumen“.

Die alte Dame zog eine leichte Jacke über die Schultern, ein kecker Hut schmückte ihr Haupt und ein zufriedenes Lächeln erhellte ihr Antlitz. Mit ihrem neuen Stock stellte sie sich an den Strassenrand, versuchte die Konturen ihrer Umgebung zu deuten. Ein lautes „oh, hallo“ ertönte hinter ihr, ein strammer Arm umklammerte ihren Ellbogen. „Sie wollen sicher über die Strasse, da muss ich auch hin, ich nehme Sie grad mit“. Bevor sich Mathilda versah, stand sie auf der anderen Seite der Strasse. „Einen schönen Tag noch“, hörte sie schon in der Ferne und drehte sich langsam um. Hier befand sie sich auf der falschen Seite, der Park lag im Quartier hinter ihrem Haus.

Lange Zeit blieb ihr nicht zum Überlegen. Eine junge Frau meinte freundlich, „es ist grün, kommen Sie, wir gehen zusammen“ und nahm Mathilda bei der Hand. Sie liefen schnell, die alte Dame kam etwas ins Keuchen. Drüben stützte sie sich auf ihren Stock, holte Luft und schüttelte den Kopf. Die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen schätzte sie durchaus, aber… Weiter brachte sie ihren Gedanken nicht. Die Ampel gab ihr grün zum Besten und eine mitfühlende Passantin führte die alte Dame, die unschlüssig auf dem Trottoir stand, über den Zebrastreifen.

Da stand sie wieder, Mathilda, da wo sie nicht wollte. Sie verstand diesen plötzlichen Eifer nicht und fühlte sich verunsichert. „So geht das nicht“, grummelte sie. „Doch doch, geht schon, ich helfe Ihnen gerne“, antwortete eine tiefe Stimme und die alte Dame spürte, wie sie buchstäblich über die Strasse getragen wurde. Dort hielt sie sich an der Ampelstange fest, schlug ihren Stock auf den Boden und wollte ihren Unmut zum Ausdruck geben. „Ach, Sie Arme, wie lange warten Sie denn schon?“, erkundigte sich ein Polizist und begleitete sie sanft zurück. „Sie wohnen doch an der Pfeifferstrasse“, bemerkte er besorgt, „darf ich Sie nach Hause begleiten?“ Und ohne lange zu zögern, seine Dienstzeit war schliesslich nicht dehnbar, marschierte der Mann weiter, die Grossmutter am Arm. Sie erreichten die Haustür, er verabschiedete sich höflich, glücklich, einen betagten Menschen aus dem Wirrwarr des modernen Lebens gerettet zu haben.

Zurück am Start. Die Grossmutter lehnte sich an die Wand, richtete ihr Gesicht zum Himmel, liess die warmen Sonnenstrahlen auf ihre Haut perlen. Resigniert stieg sie die Treppe zur Wohnung wieder hoch, setzte sich in die Küche vor das Fenster. Ein heisser Kaffee half ihr beim Aussortieren der Gedanken. Allmählich spross die Lösung in ihr und nach der Erholung machte sich Mathilda ans Werk.

Aus ihrer Basteltruhe holte sie einen Pinsel und eine Dose Akrylfarbe. Rot, grellrot. Den Stock bemalte sie, so gut es ihre Sicht zuliess. Die Farbe trocknete schnell, der Tag leuchtete noch immer. Die alte Dame startete einen zweiten Spazierversuch. Und erreichte ihr Ziel ohne weitere Vorkommnisse. Sie setzte sich auf eine Bank, hörte den fröhlichen Frühlingsgeräuschen zu und freute sich über die geretteten Stunden. Ein junger Strassenkünstler, der im Park sein Können präsentierte, gönnte sich eine Pause und setzte sich neben sie auf die Bank. Seine bunten Jonglierstäbe legte er neben sich. Mathilda sah sie an, schmunzelte und meinte: „Und, hat‘s mit den weissen Stöcken auch nicht geklappt?“

Platz 9: «Wer nicht riechen will, muss hören» von Marc Bodmer

Es war nicht der Geruch, der mich störte. Daran hatte ich mich schon lange gewöhnt und als Zoltan mich streichelte, half das auch. Die Rückseite seiner etwas behaarten Hand traf mich unter dem rechten Auge. Der Arzt meinte, dass mein Jochbein angerissen sei oder wie auch immer dieser Knochen heisst. Das Nasenbein sei etwas verschoben. Weiter nicht schlimm. Es half mir beim Job.

Klar schauten die Männer etwas komisch. Die Frauen blickten mir ohnehin nie in die Augen. Es war, als würden sie sich für mich schämen. Ich machte mir nicht die Mühe, den Bluterguss unter dem rechten Auge wegzuschminken. Ich war mehr um die Symmetrie besorgt. Das dunkle Blau war einfacher als die seltsamen Grün- und Gelbtöne, die folgten. Dass ich aussah wie ein Waschbär an einer Beerdigung fand Gudrun lustig, so beschrieb sie es auf alle Fälle. «Du kannst so locker an ein Goth-Konzert», sagte sie immer wieder. Keine Ahnung was das ist «goss», aber sie hatte ihren Spass mit Mutter.

Es waren nicht die Gerüche. Zur Not, wenn einer nach einer Sauftour auf den Boden kotzte, konnte ich auch mal eine Nase voll von dem Desinfektionszeug nehmen. Das biss sich gleich bis zum Hirn durch. Es war wie eine kleine Granate zwischen den Augen, die die Nase wegsprengte. Irina hat mir das gezeigt. Drei Wochen später musste sie notfallmässig ins Spital. Sie war überzeugt, dass ein Pilz – ein «Scheisspilz» sagte sie – in ihrer Nase wächst. Zu Beginn hat sie immer Nasentropfen hochgezogen, aber «das Zeugs wächst weiter», war sie überzeugt. Zum Arzt mochte sie nicht gehen. Die Krankenkassenrechnungen konnte sie schon lange nicht mehr bezahlen. Also begann sie vor zwei Wochen, das blaue Zeug zu schnupfen. Dass ein Kleber mit Totenkopf auf der weichen Spritzflasche war, kümmerte sie nicht: «Die warnen sowieso vor allem.»

Es funktionierte auch. Nach drei Tagen war ihre Nase frei, doch Irina hörte nicht auf. «Ein geiles Gefühl», meinte sie. «Du riechst nichts und hast trotzdem eine freie Nase.» Dann kam das Nasenbluten und hörte nicht mehr auf. Eine ganze Nachfüllpackung Papierhandtücher hat nicht gereicht. Alles war hellrot. Das blasse Grün sog es auf und wurde Graubraun. Meinem Chef musste ich dann erklären, warum ich plötzlich ein ganzes Pack mehr gebraucht habe als sonst. Ich konnte ihm schlecht sagen, dass Irina endlos aus der Nase blutete und nicht ins Spital wollte. Die offizielle Version hiess: Irina hat ihre Tage und kommt morgen wieder. Aus morgen wurde übermorgen, bis der Chef schliesslich dahinter kam.

Abgesehen von seiner Kleinlichkeit war er ganz okay, der Chef. Er wollte sogar mit mir mal herummachen, aber als er mein blaues Auge und die geschwollene Nase sah, überlegte er es sich anders. Vorbei war es mit den netten Nackenmassagen und den Schmeicheleien vor dem Spiegel – «Du bist so sexy …». Irina hatte natürlich etwas mit ihm. Sie sagte, er hätte einen «total geilen Schwanz». Den hat er aber schnell eingezogen, als er Zoltans Handwerk sah. Es kam mir vor, als hätte er etwas lesen können, in einer nur für Männer entzifferbaren Schrift, um nicht zu sagen Handschrift: «Eigentum von Zoltan» muss da gestanden haben.

Es war mir auch lieber, mit dem Chef nichts anzufangen. Das kommt nicht gut. Irina sieht das natürlich anders und hat sich schon verschiedentlich mit ihm, aber auch mit «Kunden» in die Putzkammer verzogen. Davon zeugen in der Regel hastig hingestellte Flaschen Lösungsmittel zwischen den Schachteln mit den Gummihandschuhen oder umgekippte Eimer, in eine Ecke getreten. Dort haben sie nämlich nichts zu suchen.

Das alles ist mir eigentlich Wurst. Sollen die doch machen, was sie wollen. Aber das tun sie nicht. Nie. Es sind eigentlich arme Kerle, die in ihren dunklen Anzügen, fein gemusterten Hemden und farbigen Krawatten. Sie sehen alle gleich aus. Wenn einer mal ausrasten würde und alles kurz und klein schlagen würde, ich könnte nicht sagen, wie er ausgesehen hat. Dunkler Anzug, helles Hemd, Krawatte – aber so sehen sie ebene alle aus, aber tönen tun sie anders. Nur so kann ich sie unterscheiden, doch das halte ich kaum mehr aus.

Da ist Flöt-Otto. Etwa 170 klein und fast so schwer. Wenn er in die Kabine verschwindet, dann haben alle etwas davon. Es beginnt mit der Gürtelschnalle, die gegen die Halterung des Klo-Papiers schlägt. Er kriegt es jedes Mal hin. Hat er sich grunzend hingepflanzt, beginnt das Konzert. Zuerst sind es fiepende Fürze, die von seinem unablässigen Stöhnen begleitet werden und schliesslich in ein prasselndes Crescendo münden. Wenn Flöt-Otto am Eingang auftaucht, gehe ich gerne meinen Kaffee holen, aber immer klappt dieses Ausweichmanöver nicht.

Korinthen-Karl – keine Ahnung, ob der Karl heisst – kann es mit Flöt-Otto an seinen ärgsten Tagen locker aufnehmen. Karls Anzug schlackert um seine schmalen Schultern und betont die hängenden Augenlider. Seine Gesichtsfarbe ist eigentlich abwesend und spielt eher ins blass Gelbe. Die höfliche Verkrampftheit umschlingt scheinbar auch seine Eingeweide, die flottierende Fäkalien produzieren, so sie solche nach diversen unüberhörbaren Hauruck-Versuchen freigeben. «Die unversenkbare Bismarck», pflegte mein Grossvater, der im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen gekämpft hatte, bei solchen Anblicken zu sagen. Karl war ein richtiger Flottenkapitän.

Mit ganz anderen Problemen hatte offensichtlich der vegane Valentin zu kämpfen. Warum ich wusste, dass er dem Tierischen abgesprochen hatte? Nach einer weiteren explosionsartigen Sitzung verliess er einmal das nicht so stille Örtchen so schnell, dass er seine schäbige Tasche, vollgestopft mit irgendwelchen Wurzelgemüsen und abgegriffenen Büchern über fleischlose Ernährung stehen liess. Beschämt kehrte er tagsdarauf zurück und holte sie wieder ab. Die nächste Sitzung verlief leider nicht minder heftig.

Es sind Momente wie diese, wenn die Herren der Gesellschaft mit beschämtem Rot, zittriger Stimme und stammelndem Entschuldigen vor mir stehen, dass ich mich mit ihnen und meinem Job wieder etwas versöhne. Riechen mag ich sie trotzdem nicht und hören schon gar nicht.

 

Platz 10: «Unser letzter Weg» von Jacqueline Buff

„Zeitpunkt des Todes 21.03, 21.03 Uhr“, nahm ich wie benommen aus dem Munde des Arztes wahr. Nie konnte ich mir vorstellen, dass Herzen einfach so zu schlagen aufhören. Erst recht nicht deins. Doch jetzt liegst du da. Tot. Unzählige Male bin ich dieses Szenario die letzten Wochen in Gedanken durchgegangen. Die Grausamkeit der Realität trifft mich tausend Mal härter als geistig ausgemalt. Augenblicklich scheint meinem Herzen dasselbe zu drohen wie deinem. Insgeheim wünsche ich es mir, denn ich weiss nicht, wie ich die Tücken des Lebens ohne dich bewältigen soll. Ich fühle mich wie gelähmt, kann mich nicht bewegen. Vor meinen Augen fügen sich die Mosaiksteine der letzten Monate zu einem verschwommenen Ganzen zusammen. Unser ganz persönlicher Film flimmert wie auf einem Nebelstreifen an mir vorbei. Ich sehe, wie wir vor vier Monaten wie ferngesteuert in der Küche stehen, als du uns mitteilst, dass die Ärzte bei dir Krebs diagnostiziert haben. Ich glaube, mich an erste Lähmungserscheinungen erinnern zu können.

Nach vielen schlaflosen Nächten, etlichen Chemotherapien, Unmengen von Morphium, unzähligen Stunden von Verzweiflung, Schmerz und Wut, aber auch nach vielen Momenten der Nähe und Zugehörigkeit, entschieden wir uns, dich zu Hause zu pflegen. Deine Augen dankten unsere Entscheidung mit enorm viel Liebe und Güte. Deine Pflege verlangte eine straffe Organisation und ein unterstützendes und verständnisvolles Netzwerk. Immer musste jemand an deiner Seite horchen, um sicherzustellen, dass es dir an nichts fehlt. Regelmässig mussten wir dir Spritzen setzten, in der Hoffnung, dass dein körperlicher Schmerz etwas nachlässt. Die ganze Zeit durch gabst du dich extrem tapfer, doch die seelische Belastung konnten wir dir nicht nehmen. „Zu wissen, dass man sterben muss, aber nicht weiss wann, ist furchtbar“, flüstertest du mir einst ins Ohr. „Am liebsten würde ich mich von einer Brücke stürzen, aber das Schlimme daran ist, dass ich es nicht mal auf die Brücke hochschaffen würde“, legtest du nach. Deine Worte versetzten mir einen immensen Stich ins Herz und führten mir einmal mehr vor Augen, dass du die grösste Last von uns allen zu tragen hast. Du musstest dich mit deinem eigenen Tod auseinandersetzen, dir eine eigene Vorstellung vom „Danach“ zurechtlegen. Für uns würde es irgendwie weitergehen.

Die Krankheit stellte sich schnell als sehr aggressiv heraus. Innert kürzester Zeit, war es dir unmöglich aufzustehen oder dich selbständig zu bewegen. Zu geschwächt warst du. Ich erinnere mich, welch harter Schlag dies für dich war. Du, das stolze und unabhängige Familienoberhaupt warst auf eine Rundumbetreuung angewiesen. Deine Pflege zerrte an unserer aller Nerven und Substanz. Doch wenn wir dein Strahlen in den Augen sahen, wussten wir, wofür wir tagtäglich erneut an unsere Limite gekommen sind. Deine Frau war schon längst ein Schatten ihrer selbst. Sie hatte schon lange nicht mehr richtig geschlafen, zu gross war ihre Angst, dass du unbemerkt auf deine Reise hättest gehen können. An Essen war gar nicht zu denken, die Verzweiflung raubte ihr jeglichen Appetit. Die Erschöpfung liess ihre Bewegung an die eines Roboters erinnern. Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie funktionierte nur noch, um dir, ihrem geliebten Mann, seinen letzten Lebensabschnitt so würdevoll wie möglich zu gestalten. Auch wenn es unausgesprochen war, wussten alle, dass man dir aus medizinischer Sicht nicht mehr helfen konnte. Das einzige, was man für dich noch tun konnte, war, dir die Liebe und das Vertrauen zu schenken, dass du brauchtest um Loslassen zu können. Tränen schiessen mir in die Augen, als mir bewusst wird, dass jetzt dieser Moment gekommen ist, indem du dich von deinem Leiden lösen konntest. Ein Blitz durchfährt meinen Körper, der meine Starre auflöst. Gesteuert vom Schock, der dein Verlust mit sich bringt, setze ich mich noch ein letztes Mal neben dich. Sofort erinnere ich mich an die vielen Momente der Zweisamkeit, die wir in unserem umfunktionierten Lazarett im Wohnzimmer hatten. Wie glücklich du immer warst, wenn ich mich neben dich gelegt hatte und deine Hand hielt. Dir war egal was wir oder ob wir überhaupt miteinander gesprochen haben. Hauptsache du warst nicht alleine. Das war mitunter auch ein Grund, wieso du dich mit Händen und Füssen gegen einen Krankenhausaufenthalt gewehrt hast. Du fürchtetest die Einsamkeit und wolltest nicht von fremden Personen umgeben und gepflegt werden. Bewusst betteten wir dich deshalb ins Wohnzimmer um. So warst du immer am Ort des Geschehens und konntest so gut wie möglich in den Alltag eingebunden werden. Die verschiedensten Menschen haben hier neben dir gesessen, um dir ihr Mitgefühl auszusprechen oder mit dir die Nostalgie der wilden Jugend aufleben zu lassen. Was wurde in diesen vier Wänden gelacht, geweint, geflucht und gebetet. Zeitlebens warst du ein Gefangener deiner selbst. Du hegtest grösste Mühe, deine Gefühle zu zeigen. Die schweren Stunden trugen nicht gerade zu deiner Redseligkeit bei. Unser aller Verhältnis war geprägt von Höhen und Tiefen, von Nähe und Distanz. Doch selten waren wir uns als Familie so nahe wie die letzten Monate. Gemeinsam haben wir Grenzen ausgetestet und sie überschritten. Grenzen des Erträglichen, Grenzen des Möglichen. Auch wenn ich nicht weiss, wie wir das geschafft haben, weiss ich wofür. Für dich, den stillen und tapferen Kämpfer. Für dich, den liebevollsten Vater und Ehemann. Für dich, unseren Helden.

Der Frühling kam und du bist gegangen.