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Diese Bücher lesen wir im Mai

Literatur & Musik

Diese Bücher lesen wir im Mai

  • Redaktion: Frank Heer, Claudia Senn; Texte: Verena Lugert, Dietrich Roeschmann, Viviane Stadelmann; Foto: Unsplash / Kinga Cichewicz

Mit Sonnenstrahlen im Gesicht ein Buch lesen – herrlich! Dafür brauchen Sie nur noch guten Lesestoff. Wir hätten da einige Vorschläge für Sie.

Ein trauriger wie witziger Wunderroman über wiederentfachte Lust, eine herzzerreissende Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht, eine hintersinnige Parabel auf das heutige Amerika, ein Familienroman und ein Bildband über den Nahostkonflikt – mit diesen Tipps aus der Kulturredaktion wird Ihnen bestimmt nicht langweilig.

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1.

Die Richardsons sind eine blonde Bilderbuchfamilie, sie leben in einem Traumhaus in Shaker Heights, einer sauberen, ordentlichen Kleinstadt. Doch dann zieht Mia, eine Künstlerin, mit ihrer Teenager-tochter Pearl in eine Wohnung, die den Richardsons gehört. Bald freundet sich Pearl mit den Richardson-Kindern an. Bloss mit Izzy, dem Rebellenkind wird sie nicht warm. Umso mehr nähert sich Izzy Pearls Mutter Mia an, die nun als Putzfrau für die reichen Richardsons arbeitet . Immer heftiger lodern Ungerechtigkeit und verdrängte Wut unter der strahlenden Oberfläche von Shaker Heights – bis das Haus der Richardsons niederbrennt. Hintersinnige Parabel auf das heutige Amerika.

– Celeste Ng: Kleine Feuer überall. dtv, München 2018, 384 S., ca. 29 Fr.

2.

Die US-Südstaaten in den 1940er-Jahren: Eine tote weisse Frau und ein Schwarzer, Will, der sie vergewaltigt hat. Oder nicht? Der weisse Mob fordert das Todesurteil. Schon wird ein «Mercy Seat», wie man den elektrischen Stuhl euphemistisch nannte, ins Städtchen geliefert. Der Richter hat Hemmungen, ein Todesurteil wäre ein Skandal. Denn die junge Frau war die Geliebte von Will, sie hat sich aus Verzweiflung umgebracht. Will setzt einem Todesurteil nichts entgegen … Spannend und herzzerreissend erzählt – nach einer wahren Begebenheit.

– Elisabeth H. Winthrop: Mercy Seat. C. H. Beck Verlag, München 2018, 251 Seiten, ca. 23 Fr.

3.

Lucy ist 39 und frisch getrennt. Sie promoviert über griechische Dichtung, ist dick und traurig und sexuell frustriert und hat grad einen Selbstmordversuch unternommen. Nun soll sie sich wieder fangen, in Venice Beach, beim Dogsitten eines diabetischen Hunds und in einer Selbsthilfegruppe. Bei einem nächtlichen Strandspaziergang lernt sie Theo kennen, der aus den Fluten des Pazifiks auftaucht – ein Meermann, eine Schaumgeburt aus den Tiefen, mit dem Sex auf einmal zu etwas wird, was Lucy noch nie gespürt hat, «als werfe sich etwas Leuchtendes gegen eingerostete Türen ». Melissa Broder, die mit ihrem Twitter-Account «So Sad Today » eine halbe Million Follower hat (darunter auch Lena Dunham), hat einen ebenso traurigen wie witzigen Wunderroman verfasst. Sexual Healing!

– Melissa Broder: Fische. Ullstein- Verlag, Berlin 2018, 352 Seiten, ca. 32 Franken

4.

Dass da etwas schwelt in der Familie, weiss die Ich-Erzählerin in Claudia Tieschkys schönem, dichtem Roman schon lang. Sie vergöttert ihre Oma, die ihr wie ein Filmstar erscheint. So grandios! So selbstsicher! So anders als ihre eigene Mutter, die wie eine grause Maus wirkt. Die Grossmutter kam in den 1930-Jahren als emanzipierte junge Frau aus der polnischen Provinz nach Berlin – und hat ihr Leben gelebt, mit allen Facetten, den hellen und den dunklen. Den dunklen Stellen spürt die nun erwachsene Erzählerin nach.

– Claudia Tieschky: Engele. Rowohlt-Verlag, Berlin 2018, 208 Seiten, ca. 30 Franken

5.

Seit 2003 dokumentiert der Schweizer Fotograf Meinrad Schade Menschen und Landschaften in Palästina und Israel. Und damit auch den Nahostkonflikt, dessen Ende heute, siebzig Jahre nach der Staatsgründung Israels, ferner denn je zu sein scheint. Seine Bilder, die er nun im Band «Unresolved» zeigt, haben eine grosse emotionale Kraft, ohne zu manipulieren oder Partei zu ergreifen. Spektakulär ist oft das Unspektakuläre: Schafe entlang der Grenzmauer im Westjordanland, palästinensische Paintballspieler, ein Sanitäter, der israelischen Kindern am Modell zeigt, wie man die Blutung bei abgerissenen Extremitäten stoppt (Foto).

– Meinrad Schade: Unresolved. Verlag Scheidegger & Spiess, 2018, 188 Seiten, 50 Fr.