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Frauengefängnis: Verloren in der Weihnachtszeit

Leben

Frauengefängnis: Verloren in der Weihnachtszeit

  • Text: Dalma Aebischer; Foto: Gabi Vogt

Dalma Aebischer sitzt wegen Kindesentführung eine mehrjährige Haftstrafe in der Strafanstalt Hindelbank ab. In ihren Briefen berichtet sie für uns regelmässig aus dem Gefängnisalltag.

Das ganze Gefängnis ist wie ein aufgescheuchtes Wespennest. Alle bereiten sich auf den Weihnachtsmärit am letzten Novemberwochenende vor. Dort werden die im Tonatelier und in der Stoffwerkstatt hergestellten Handarbeiten verkauft, Produkte von einem angrenzenden Bauernhof und der Aussenwohngruppe, Backwaren und Patisserie. Schon einige Wochen zuvor laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Plastikweihnachtsbäume werden aufgestellt und beleuchtet, ein Hexenhaus aus Marzipan dekoriert, Verkaufsstände aufgebaut. Im Barockschloss wird eine Cafeteria eingerichtet. In den Werkstätten schieben die Frauen freiwillig Überstunden. Dieses Ereignis tröstet viele über die Traurigkeit der Weihnachtszeit hinweg, die sie ohne ihre Familie verbringen müssen. Manche warten das ganze Jahr darauf. Tonschalen werden im Ofen gebrannt, Krippenfiguren bemalt, Kerzenständer glasiert. In der Stoffwerkstatt fertigen die Frauen Strickmützen, Schals, Pulswärmer, Täschchen aus Plastik und Stoff für unterschiedliche Zwecke. Manches wird weihnächtlich verpackt.

Die beleuchteten Weihnachtsbäume in der Dunkelheit des Wintermorgens wecken Sehnsüchte. Alles hier drin ist ein Wettlauf gegen die Einsamkeit. Aber man versucht, die Traurigkeit zu verdrängen und sich der Winterstimmung hinzugeben. Es schneit, der Schnee knirscht unter den Füssen. Frauen, die Ausgang haben, dürfen im Verkauf arbeiten. Der Rest besucht den Markt am Samstag früh. Viele kaufen Backwaren, Crèmetorten, Wurstprodukte vom Bauern. Für kostbarere Dinge fehlt uns das Geld. Ein alkoholfreier Glühwein wird als Begrüssungsgetränk verteilt. Doch auf mich wirkt das alles irgendwie unecht, nichts ist wie draussen. Das Gefängnispersonal bemüht sich redlich um uns, keine Frage. Doch ohne die Aussenwelt, ohne die Familie sind wir verloren in der Weihnachtszeit.

Dalma Aebischer (Name geändert) wurde wegen qualifizierter Freiheitsberaubung und Entführung sowie Erschleichung einer Falschbeurkundung verurteilt.

Ein Porträt über sie und die Hintergründe ihrer Tat finden Sie hier.

Die älteren Briefe aus dem Gefängnis finden Sie hier:

Nr. 1. Der erste Tag

Nr. 2: Arbeit

Nr. 3: Tischordnung

Nr. 4: Knastkost

Nr. 5: Alltag in der Zelle

Nr. 6: Hafturlaub

Nr. 7: Krankheit und Wehwehchen

Nr. 8: Besuch

Nr. 9: Sporttag

Nr. 10: Pakete

Nr. 11: Figurprobleme

Nr. 12: Liebschaften

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2.

Eine Zelle in der Strafanstalt Hindelbank

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Ein Aufenthaltsraum

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Der Speiseraum

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Die Stoffwerkstatt, in der die Frauen kreativer Arbeit nachgehen können

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