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Die Kraft der Worte: Bücher sammeln im Jemen

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Die Kraft der Worte: Bücher sammeln im Jemen

  • Redaktion: Helene Aecherli

Im krisengeplagten Jemen sammeln Männer Bücher für mobile Bibliotheken. Abdulfattah Alghurbani über seine Bildungsinitiative «Yemen Reading Points».

Abdulfattah Alghurbani, welches sind im Jemen die gravierendsten Probleme?
Die prekäre Sicherheitslage und die dauernden Stromunterbrüche. Immer wieder werden Strommasten von marodierenden Banden gesprengt, was zur Folge hat, dass wir zum Teil nur zwei Stunden pro Tag Strom haben. Und seit Jahren machen uns politisch und religiös motivierte Machtkämpfe, Korruption, Mangelernährung und der desolate Zustand unserer Schulen zu schaffen.

Mit der Initiative «Yemen Reading Points» wollen Sie zum Lesen motivieren. Im Jemen sind siebzig Prozent der Frauen und die Hälfte der Männer Analphabeten. Sind Sie nicht etwas sehr optimistisch?
Nein. Um unser Land aufzubauen, brauchen wir ein gutes Bildungssystem. Lesen ist ein zentraler Baustein. Die Initiative zielt darauf ab, Bildung zu einem zentralen Thema zu machen und die Behörden dazu zu bewegen, an den Schulen Bibliotheken einzurichten. Ich hoffe, dass in dreissig Jahren 25 Prozent der Jemeniten süchtig nach Büchern sein werden.

Konkret: Wie wollen Sie das anstellen?
Erst mal geht es darum, das Lesen jenen schmackhaft zu machen, die lesen können. Wir sind daran, Bücher für mobile Bibliotheken zu sammeln. Wir bauen zum Beispiel in einem Shoppingcenter Regale auf und füllen sie mit Büchern, die gegen eine kleine Depotgebühr ausgeliehen werden können. Oder wir platzieren die Bücher auf einem Pick-up, den wir an einer Strassenecke parkieren.

Wie kriegen Sie die Bücher zurück?
Es ist uns bewusst, dass wir viele Bücher nie zurückbekommen werden, aber Hauptsache ist, es wird gelesen. Wir erklären den Leuten den Wert eines Buchs und geben ihnen unsere Telefonnummer, damit sie uns anrufen können, wenn sie das Buch zurückbringen wollen.

Wie werben Sie für Ihre Bibliotheken?
Über unsere Facebook-Seite und mit Aktionen. So positionieren wir uns schon mal neben Ampeln und verkaufen Bücher.

Was für Bücher sammeln Sie?
Alles, von Kinderbüchern über Romane und wissenschaftliche Abhandlungen bis zu Shakespeare. Einzige Bedingung: Sie sollten auf Arabisch sein. Inzwischen haben wir rund 1200 Bücher zusammen.

Welches ist Ihr Lieblingsbuch?
«Les misérables» von Victor Hugo. Ich habe es über zehn Mal gelesen.

— Abdulfattah Alghurbani (35) ist Geoinformatiker und kommt aus der jemenitischen Provinz Ibb. Zurzeit arbeitet er an seiner Dissertation an der Friedrich-Schiller-Universität im deutschen Jena

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