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Meine Meinung: Warum es sich nicht lohnt, Serviceleistungen zu beurteilen

Leben

Meine Meinung: Warum es sich nicht lohnt, Serviceleistungen zu beurteilen

  • Text: Thomas Wernli, Illustration: Grafilu

annabelle-Produktionschef Thomas Wernli füllt fleissig Beurteilungsbögen von Service- und Produktdienstleistungen aus. Trotzdem: Ausser dem Snack im Flugzeug hat sich bisher noch nichts verbessert.

Wie war Ihr Flug?, fragt mich jeweils die Fluggesellschaft, die mich regelmässig nach Berlin (der Liebe wegen) und zurück nach Zürich (der Arbeit wegen) transportiert. Kaum habe ich wieder festen Boden unter den Füssen, trudelt auch schon das E-Mail ein, das mich auffordert, den Stand meiner Zufriedenheit mit dem Ausfüllen eines Fragebogens online kundzutun.

Vielleicht liegt es an meinem unerschütterlichen Glauben an das Gute, oder in diesem Fall an das Bessere, das möglich wäre. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich in meiner Schulzeit für Marktforschungsinstitute gearbeitet habe. Oder aber es liegt einfach daran, dass man mir die Möglichkeit offeriert, meinen potenziellen Ärger loszuwerden. Jedenfalls klicke ich mich jedes Mal brav durch die Fragen und beurteile die Kompetenz des Bodenpersonals (autoritär, aber freundlich), die Freundlichkeit der Flugbegleiter (immer nett), die Verständlichkeit und die Sinnlosigkeit der Pilotendurchsagen («Wir haben bereits mit dem Sink…fkrzchschztsch»). Alles bestens soweit.

Sonst noch ein Anliegen?, endet jeweils die Umfrage. «Na ja», schreibe ich tapfer seit mittlerweile acht Jahren in das freie Textfeld, «ein anderer Snack als die eiskalt servierte Brezel mit viel zu viel bröckeliger polnischer Butter wäre schon schön. Ist aber nicht so wichtig.»

Wie war Ihr Aufenthalt?, fragt mich auch jedes Hotel, in dem ich übernachtet habe. Auch da bittet man mich um meine Meinung zur Sauberkeit der Zimmer oder der Auswahl auf der Weinkarte (die ich nie anschaue). Neuerdings werde ich auch aufgefordert, das Hotel doch bitte auf einer Reise-Website zu bewerten. Was ich ab und zu tatsächlich mache, weil mir solche Plattformen schon oft bei der Ferienplanung oder unterwegs eine Hilfe waren. Begehrt sind meine Ansichten auch bei meiner Computerfirma nach einem Shopbesuch, bei meiner Telefongesellschaft nach einem Anruf beim Support, beim Optiker nach dem Brillenkauf … Ich warte nur darauf, dass meine Dentalhygienikerin mich fragt, wie denn ihre Fähigkeiten beim Zahnsteinentfernen so bei mir ankommen.

Ich lobe immer fleissig, versuche fair und differenziert zu bleiben. Letzteres ist nicht immer ganz einfach, weil oft die falschen Fragen gestellt werden. Oder meine Antwort, die ich geben möchte, nicht vorgesehen ist («Weiss nicht», «andere Angaben»). Bin ich ausnahmsweise mal wirklich unzufrieden, kritisiere ich äusserst vorsichtig. Ich will ja nicht, dass wegen mir jemand seinen Job verliert. Im schlimmsten Fall.

Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, heisst es meist zum Schluss einer Befragung, die natürlich immer länger dauert als angekündigt. Diese Floskel bringt es auf den Punkt: Wir nehmen uns jede Menge Zeit, um mitzuhelfen, eine Serviceleistung oder ein Produkt zu verbessern. Und was passiert? Nichts.

Oder etwas Unerwartetes. An Bord der Fluggesellschaft gibts inzwischen keine Zeitungen und Zeitschriften mehr, das freundliche Bodenpersonal wurde durch zickige Scannerautomaten ersetzt. Gelegentliche Verspätungen und der enge Sitzabstand sind gleich geblieben, und man versteht immer noch kaum, was einem der Pilot sagen will. Ist ja auch kein Wunder bei dem Krach, den die Triebwerke oder die diskutierenden Businessleute eine Reihe vor mir produzieren.

«Wir werden Ihnen gleich einen Snack servieren», sagt die Flugbegleiterin durch den Lautsprecher. Und während sie ihr Wägeli mit Kafi und Mineral in Richtung meines Sitzplatzes schiebt, bemerke ich, dass etwas anders ist: ein neuer Snack! Ade, du schreckliche Butterbrezel! Kundenumfragen bringen doch etwas! Meine Hartnäckigkeit hat sich gelohnt! Juhuuu!

Die Fluggesellschaft kann ja nicht wissen, dass ich Rosinenbrötchen nicht mag.

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