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Miguel Adrover: Der Mode-Freigeist von Mallorca

Stil

Miguel Adrover: Der Mode-Freigeist von Mallorca

  • Text: Frank Heer; Fotos: Maurice Haas

Eine Begegnung mit Miguel Adrover — Im Interview erzählt der Designer aus Mallorca von seiner Karriere, seinem Leben und seinen Prinzipien.

In einer kalten Winternacht im Dezember 1999 sah Miguel Adrover eine alte Matratze im Schneematsch liegen. Er schleppte sie in sein fensterloses Kellerapartment im New Yorker East Village und zerlegte die Beute in ihre Einzelteile. Nun war die Matratze nicht irgendeine Matratze. Sie gehörte dem britischen Exzentriker Quentin Crisp, dem «Englishman in New York» aus dem berühmten Popsong von Sting. «Jemand hatte mir erzählt, dass er gestorben war», erzählt Miguel Adrover. «Ich hatte ihn oft in einem Diner um die Ecke gesehen, wo er immer sein Frühstück ass. Eines Nachts kam ich an seiner Kellerwohnung vorbei. Vor dem Haus lag diese altmodische Matratze mit den blauen Streifen. Ich wusste sofort, dass sie Crisp gehören musste.»

Zu diesem Zeitpunkt war Miguel Adrover in der New Yorker Modeszene kein Unbekannter mehr, aber noch nicht die grosse Nummer, die er bald werden sollte. Im September 1999 hatte er an der Fashion Week seine erste Kollektion vorgeführt. Er stülpte einen Burberry-Regenmantel von innen nach aussen und verpasste ihm einen eleganten Schnitt. Er fabrizierte aus einer alten Louis-Vuitton-Tasche einen Minijupe und aus einem «I Love NY»-T-Shirt ein keckes Kleid. Demontage und Labelkritik waren damals bei jungen Designern beliebt, doch Miguel Adrover zeigte keine Avantgarde, sondern Prêt-à-porter-Chic. Kleider, die Frauen gern tragen.

Die Schau war ein Ereignis. Wohl auch, weil sie sich so schön in die fantastische Biografie Adrovers einfügt, des Sohns mallorquinischer Mandelbauern, der sich das Schneidern selbst beibrachte und von sich sagt, dass er Mode hasse und Kleider liebe. Ein halbes Jahr später, im Februar 2000, präsentierte er seine zweite Kollektion in einem ausgemusterten Schulhaus, fernab der grossen Laufstege. Im Publikum sassen jetzt gewichtige Meinungsmacher, die den sympathischen Mode-Guerillero sehen wollten. Dabei fiel ihnen ein zwar distinguierter, doch fleckiger Männermantel mit hellblauen Streifen auf.
 

Vom Matratzenüberzug zum Mantel

Cathy Horyn, Star Starkritikerin der «New York Times», kam der Abkunft des suspekten Textils als Erste auf die Schliche und lüftete das Rätsel in einer Jubelrezension: «Was für ein Entzücken muss es sein, plötzlich als schicker Männermantel zu enden, wenn man zuvor die Erschütterungen des Lebens als Matratze von Quentin Crisp absorbieren musste. Brillant.» Tatsächlich hatte Miguel Adrover aus dem Überzug von Crisps Matratze einen Gehrock von anrührender Eleganz geschneidert, der ihn über Nacht berühmt machte.

Zwölf Jahre später in Calonge, einem winzigen Bauernort an der Ostküste Mallorcas. Im Garten einer alten Finca wuchern Zitruspflanzen, Mandel- und Feigenbäume, Kakteen, Bananenstauden und duftende Blumen. Hühner gackern, Hunde bellen, die Sonne an diesem Nachmittag sticht ohne Nachsicht, das Wasser im Pool ist zu lau, um Kühlung zu spenden.
Im Haus, hinter alten dicken Mauern aus Stein und geschlossenen Fensterläden, sitzt Miguel Adrover (47), der bärtige, schlaksige Zweimetermann mit den dünnen Armen und neugierigen Augen, entspannt und in bester Erzählerlaune.

Das gewellte Haar fällt ihm über die blütenweisse Djellaba, in der er aussieht wie ein Kette rauchender Jesus in der Drehpause eines Pasolini-Films. Er spielt mir das Video seiner letzten Kollektion vor, die er an der New Yorker Fashion Week im Februar gezeigt hatte. Die Schau war ihm besonders wichtig, war sie doch die Rückkehr in die Stadt, die ihn berühmt gemacht und nur Jahre später schon fast vergessen hatte. Adrover nennt die Präsentation «Out of My Mind», doppeldeutig im Englischen: meinem Kopf entsprungen, aber auch verrückt oder ausgeflippt.

Verrückt sind die Kostüme erst beim genauen Hinsehen. Wenn dem staunenden Betrachter klar wird, mit welch handwerklichem Geschick Adrover seinen Textilcollagen Formen verleiht. Baseballkappen werden zu Schulterpolstern, ein Bob-Marley-T-Shirt zum Rock, Lederhandschuhe zu Schuhspitzen, die einem den Mittelfinger entgegenstrecken. «Hier», ruft Adrover und drückt die Pausetaste, «diese Bluse, das war die lange Unterhose meines Grossvaters. Und hier, das Mädchen mit dem Rettungsring um den Hals: Sie trägt die amerikanische Flagge, vernäht mit der kubanischen.»

ANNABELLE: Miguel Adrover, Sie sagen, Sie interessieren sich nicht für Mode. Aber das, was wir hier sehen, ist doch eine Modeschau, oder?
MIGUEL ADROVER: Die Frage ist, was Mode soll. Wenn uns die grossen Marken vorschreiben, was wir diesen Herbst tragen sollen, interessiert mich Mode nicht. Geht es um Freiheit und um Kreativität, dann interessiert mich Mode – auch wenn ich das Wort nicht mag. Ich würde mich zum Beispiel nie als Modedesigner vorstellen.

Warum?
Ich schäme mich. Heute wirft jeder Promi seine Linie auf den Markt: Madonna, Jennifer Lopez, Shakira, Beckham … lächerlich. Früher reichte eine Linie Koks, heute muss es eine Kleiderlinie sein.

Sie sind Teil der Branche, die Sie kritisieren.
Meine Kleider sind ja nicht nur Mode, sondern Kommentare zum Zeitgeschehen. Kleider sind Kommunikation. Ich begriff das, als ich mit 13 in London die Punks sah, die mit der Art, wie sie sich kleideten, eine Revolution auslösten. Heute lässt uns die Modeindustrie glauben, dass wir uns anziehen können, wie wir wollen. Doch das stimmt nicht. Wir tragen, was Gucci, Louis Vuitton, Yves Saint Laurent, Dior oder Zara gefällt. Man muss das System hassen können, um es zu ändern.

Sie haben seit sieben Jahren kein Kleidungsstück mehr in Produktion gegeben. Ist das der Preis, den Sie dafür bezahlen?
Natürlich wünschte ich mir, dass in dieser Minute ein grosser Investor an meine Tür klopft, um meine Entwürfe vorbehaltlos auf den Markt zu bringen. Ich bin nicht naiv. Ohne das verdammte Geld kann niemand leben. Ich würde sofort für H&M eine Kollektion entwerfen, wenn mir die Firma garantieren könnte, unter fairen Arbeitsbedingungen und strengen ökologischen Auflagen zu produzieren. Aber das wollen die wenigsten Konzerne.

Warum nicht?
Weil sich mit einem T-Shirt, bei dessen Produktion Menschen und Umwelt ausgebeutet werden, mehr Geld verdienen lässt.

Das heisst, solange sich das nicht ändert, gibt es keine Kleider der Marke Miguel Adrover zu kaufen?
So ist es. Mir geht es nicht darum, einfach nur schöne Kleider zu entwerfen. Ich will zum Umdenken bewegen.

Als im Herbst 2000 Miguel Adrovers Eltern ihren Sohn zum ersten Mal in New York besuchten, führte er sie an die Fifth Avenue, wo seine Herbstkollektion in den Schaufenstern von Barneys, Saks und Bloomingdale’s hing. Zu diesem Zeitpunkt lebte er noch immer in seinem Kellerapartment, hatte aber bereits einen Millionen-Dollar-Vetrag mit einem US-Investor unterzeichnet, dem Luxuskonglomerat Pegasus Apparel Group. Adrover war nun zum ersten Mal in der Lage, seinem Team und seiner Assistentin Löhne zu bezahlen und Büroräume für den administrativen Betrieb zu beziehen. Gleichzeitig bot ihm Pegasus freie Hand bei der Realisierung seiner Visionen.
 

Unabhängigkeit war für Miguel Adrover kein Kokettieren mit der Macht, sondern Leitmotiv, und aus der Matratze des toten Quentin Crisp einen Mantel zu schneidern, nicht Provokation, sondern eine «Geste des Respekts». Er fühlte sich mit dem Mann verbunden, der sich in England als einer der Ersten öffentlich zur Homosexualität bekannte und erst in New York die Freiheit fand, die er in Europa vergeblich gesucht hatte. Crisps Matratze symbolisierte den sicheren Hafen, den auch Miguel Adrover suchte, als er 1990 als abenteuerlustiger Sonderling aus der mallorquinischen Provinz nach New York kam, weil es für ihn zuhause keine Zukunft gab. Mit elf hatte er die Schule verlassen, um auf den Mandelfeldern der Eltern in Calonge zu arbeiten. Er lernte weder Lesen noch Schreiben, begeisterte sich für Punkmusik und wurde verprügelt, weil er Irokesenfrisur und Make-up trug. Die Kleider, die ihm seine besorgte Mutter kaufte, zerschnitt er und nähte sie neu zusammen. «Ich war der einzige Freak in meinem Dorf und verbrachte die meiste Zeit in irgendwelchen Höhlen und Erdlöchern. Einfach, weil ich mich gern versteckte. Ich verstecke mich noch heute gern.»

Als Adrover nach dem Militärdienst nach New York zog, arbeitete er als Putzmann. Die Stadt gefiel ihm, da sie voller Kontraste war, die sich ergänzten. 1995 eröffnete er eine Boutique im East Village, in der er Kreationen befreundeter Designer verkaufte, aber auch eigene T-Shirts, die er aus Stoffen nähte, die er in Brockenhäusern oder auf der Strasse fand. Der Laden wurde zur Garderobe für Downtownhipster und Modezeitgeister. Auf einer Reise nach London lernte er den späteren Stardesigner Alexander McQueen kennen. Die beiden verband eine Kindheit in Armut und eine wachsende Seelenverwandtschaft. Als McQueen erfolgreich wurde, setzte er Adrover als beratenden Assistenten ein. «Er stieg immer im Four Seasons Hotel ab, wenn er in New York war», erzählt Miguel Adrover, «doch die meiste Zeit hockte er in meinem Kellerloch und liess seine Termine mit Anna Wintour platzen.»
 

Mit Gazpacho im Schatten

Wir sitzen im Schatten des Vordachs zur Veranda, schauen in den Garten und löffeln Gazpacho. Miguel Adrovers Mutter hatte sie vor einer Stunde vorbeigebracht, als ihr Sohn gerade für den Fotografen auf einen Baum vor dem Haus kletterte. Er hatte die kleine Finca von seinem Grossvater geerbt und über die Jahre ausgebaut. Das rustikale Sammelsurium an Möbelstücken hatte er von Reisen mitgebracht. Ein Cousin wohnt nebenan, die Eltern im Haus auf dem nächsten Hügel. Im klapprigen Peugeot fährt Miguel Adrover mehrmals die Woche in sein Studio in Palma de Mallorca, eine knappe Stunde von Calonge entfernt.

ANNABELLE: 2005 haben Sie New York verlassen, um an den Ort zurückzukehren, vor dem Sie als Teenager geflohen waren.
MIGUEL ADROVER: Viele, die mich von früher kannten, lachten, als ich die Insel verliess, und sie lachten, als ich zurückkehrte und Toiletten putzte. Aber mich hatte das nie gekümmert. Warum auch? Das Leben verläuft nicht in geraden Bahnen. Ich glaube auch nicht an Schicksal. Ich glaube an mich.

Sie sind in Calonge aufgewachsen. Haben Sie Kontakt zu den Menschen im Dorf?
Natürlich. Abends gehe ich oft in die Sportbar auf einen Drink.

Ziehen Sie dann auch Ihre Djellaba an?
Manchmal, ja. Am liebsten würde ich in einer Burka rumspazieren. Das tat ich öfter in New York. Man ist unsichtbar, wie in einer Höhle, gleichzeitig starren einen die Menschen an. Ein seltsames Gefühl. Aber hier in Calonge wäre das sinnlos. Alle wüssten sofort: Miguel versteckt sich mal wieder unter seiner Burka.

Wie reagieren die Leute heute auf Sie?
Ich bin ein offener Mensch und nehme die Leute ernst. Wenn ich eine neue Kollektion präsentiere, zeige ich anschliessend im Gemeindezentrum das Video davon und erkläre, was das alles soll. Da kommt dann das ganze Dorf. Die interessieren sich nicht für Mode, aber dafür, was ich mache. Man muss nur miteinander reden. Darum geht es doch im Leben: Kommunikation und Respekt.

In New York wurden Sie über Nacht zum Star. Zwei Jahre später gingen Ihre Investoren pleite und zerrten Sie in den Abgrund. Das muss bitter gewesen sein.
Ich komme von ganz unten. Unsere Gesellschaft hält es für erstrebenswert, ständig ganz oben zu sein. Wie auf Prozac. Mich inspiriert das echte Leben. Nachdem ich New York verlassen hatte, zog ich für eine Weile nach Luxor, weil ich mir dort, als ich noch viel Geld verdiente, ein Haus gekauft hatte. Ich arbeitete als Taxifahrer und Kutscher. Glauben Sie mir, das war viel aufregender, als Modedesigner in New York zu sein.

New York im September 2001. Miguel Adrover und sein Team hatten seit Monaten pausenlos an der neuen Kollektion gearbeitet. An den Wänden seines Studios hingen Fotos von Taliban, verschleierten ägyptischen Frauen und von Menschen in palästinensischen Flüchtlingslagern, deren Kleider ihm als Inspiration dienten. Sein altes Kellerloch war ihm noch immer ein Ort des Rückzugs, doch lebte er unterdessen in einer geräumigen Wohnung an der Bowery. Die Schau am 9. September fand vor der Kulisse eines andalusischen Klosters in einem Schulhof an der Lower East Side statt. Adrover war inzwischen ein Star, VIP-Listen gab es trotzdem keine, vor dem Eingang bildete sich eine lange Schlange. «Vogue»-Chefredaktorin Anna Wintour stieg gar nicht erst aus ihrer Limousine, als sie die Menschenmenge sah.

Der Rauch orientalischer Duftkerzen schwebte über den Köpfen der Besucher, arabische Musik klang aus den Lautsprechern. Adrover liess seine Models in mutierten Burkas, orientalischen Decken, Kopftüchern und drapierten Kaftanen über den Laufsteg wandeln. Er kreuzte Okzident mit Orient, nannte seine Kollektion Utopia und ahnte nicht, dass zwei Tage später islamistische Terroristen zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Center steuern würden und dass die CIA seine Telefonate abhörte.
 

Die Schockwelle veränderte alles

Adrovers Investorengruppe weigerte sich, seine «Taliban-Kollektion» zu produzieren, und erklärte noch im selben Jahr den Bankrott. Cathy Horyn, die ihn zwei Jahre zuvor in den Mode-Olymp gehoben hatte, schrieb: «Es scheint, als wären die 15 Minuten Ruhm, die uns Andy Warhol versprochen hatte, bei Miguel Adrover nun um.» Dieser fertigte mit eigenen Mitteln drei weitere Kollektionen. Im Oktober 2004 lag er mit der Miete für Wohnung und Office um Monate im Verzug, am 28. Dezember flog er zurück nach Mallorca. Die «New York Times» widmete ihm eine Abschiedsstory: «Der unglaubliche Aufstieg und unvermeidbare Fall eines Designers.» Kurz darauf nahm das Metropolitan Museum of Art drei von Adrovers Kostümen in seine Sammlung auf, darunter das «I love NY»-Shirt und Quentin Crisps Matratzenmantel.

ANNABELLE: Hatten Sie die Mode abgeschrieben, als Sie nach Mallorca zurückkehrten?
MIGUEL ADROVER: Ich hatte mich zuerst einmal versteckt. Nicht weil ich mich schämte, sondern um einen klaren Kopf zu bekommen.

Zu welchen Einsichten waren Sie gelangt?
Dass Legionen junger Designer in den Modeschulen nicht lernen, kreativ und unabhängig zu sein, sondern, wie sie sich am schnellsten von den grossen Häusern einverleiben lassen. Und während wir hier reden, schleppt ein Mädchen in Somalia einen Kübel Wasser von einem Brunnen nachhause, der zehn Kilometer entfernt liegt.

2008 schlug Miguel Adrovers Lebenslauf erneut einen Haken. Er hatte sich zuvor mit privaten Aufträgen und den Einnahmen einer kleinen Bar, die er in Palma gekauft hatte, über Wasser gehalten und stand kurz davor, einen Vertrag als Kreativchef bei Tommy Hilfiger zu unterschreiben, als er Besuch aus Deutschland erhielt. Wolf Lüdge, Geschäftsführer von Hess Natur, einem Versandhaus für Öko-Kleider im hessischen Butzbach, war gekommen, um Miguel Adrover davon zu überzeugen, dass er bei seiner Firma besser aufgehoben sei.

Zuvor hatte Lüdge einen Artikel der legendären Modekritikerin Suzy Menkes gelesen, die der europäischen Bekleidungsindustrie vorwarf, Adrover noch immer kein würdiges Angebot gemacht zu haben. Hess Natur produziert und verkauft seit 1976 Kleider, die aus Textilien ohne Pestizide oder chemischen Dünger gefertigt sind und «ohne Lohnsklaverei» hergestellt werden. Es kostete Lüdge einige lange Nächte in Adrovers Bar, um ihn zu überzeugen, das Angebot von Hilfiger sausen zu lassen und stattdessen als Creative Director bei Hess Natur einzusteigen. Adrovers Zusage sorgte für Aufregung im deutschen Feuilleton und Stirnrunzeln in den Hochglanzmagazinen.

ANNABELLE: Die «Vogue» hatte geschrieben, das sei, als würde man Amy Winehouse als Kantorin in einem Kirchenchor verpflichten.
MIGUEL ADROVER: Natürlich ist Hess Natur nicht das hippste Label auf dem Planeten, aber dass die mit mir arbeiten, zeigt, dass sich etwas bewegt. Bei Hilfiger hätte ich viel Geld verdient, bei Hess verdiene ich genug, um leben zu können. Ich brauche nicht viel. Und ich kann mich abends mit gutem Gewissen ins Bett legen, da ich weiss, dass durch meine Arbeit niemand zu Schaden kommt.

Warum tut sich Öko-Mode so schwer, wirklich modisch zu sein?
Weil der Markt noch zu klein ist. Stellen Sie sich vor, ein grosser Investor würde mit einer Millionenkampagne im Stil von Louis Vuitton in eine Öko-Linie investieren. Mit Kreationen innovativer Designer, getragen von bekannten Models. Das würde sich verkaufen. Es stimmt nicht, dass Öko-Mode bieder sein muss, nur weil bei der Herstellung keine Chemikalien eingesetzt wurden und die Arbeiter unter fairen Bedingungen angestellt sind.

Am nächsten Nachmittag in Palma de Mallorca. Ich hole Miguel Adrover in seinem Atelier an der Carrer de la Constitución ab. Er trägt Jeans, ein weisses T-Shirt, Flipflops. Die Haare sind zu einem Zopf geflochten. Er hat eine Anfrage vom Istituto Europeo di Design in Barcelona bekommen, um vor Studenten einen Vortrag zu halten. Eine Herausforderung für einen Mann, der nicht in der Lage ist, seine Gedanken aufzuschreiben.

Wir gehen hinunter zur grossen Geschäftsstrasse, dem Passeig de Born, um Kaffee zu trinken. Links und rechts grüssen Louis Vuitton, Zara, Hermès, Massimo Dutti, Hugo Boss. «Schon lustig», schüttelt Adrover den Kopf. «Die Touristen schlendern an Schaufenstern vorbei, die es auch bei ihnen zuhause gibt. Alles ist heutzutage gleichgeschaltet.» Er zündet sich eine Zigarette an. «Ich bin nicht pessimistisch. Aber es gibt viel zu tun. Die Revolution beginnt im Kleinen, ich werfe den ersten Stein.»

Auf der nächsten Seite sehen Sie verschiedene Kollektionen des Designers.
 

Schlechtes Timing: Zwei Tage vor 9/11 zeigte Adrover in New York seine Kollektion Utopia und spielte mit orientalischen Elementen.

Verstecken als Lieblingsthema: Adrovers Kollektion mit Burka- und Schleier-Elementen schockte bereits im Februar 2001.

USA- und Kuba-Flaggen mit Rettungsring, Fingerzeig auf dem Kopf: Adrovers aktuelle Herbst/Winter Kollektion war nur auf dem Laufsteg zu sehen und wird nicht produziert.
 

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1.

Seine Optik erinnert an Jesus

2.

Der Exzentriker Quentin Crisp, aus dessen Matratzenüberzug ein Mantel wurde.

3.

Seelenverwandt: Adrover (l.) mit Stardesigner Alexander McQueen (in den Neunzigern)

4.

Stillleben mit Kunst und Reiseandenken in seiner Finca.

5.

Ein Garten mit vielen Möglichkeiten sich zu verstecken.

6.

Gruppenbild mit Flamencokostümchen: Die Kinder einer Freundin zu Besuch.

7.

MittelIn bester Erzählerlaune in seinem Atelier in Palma de Mallorca

8.

Kreatives Chaos auf der Ablagefläche