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Wo sind die Frauen in der Tech-Branche?

Leben

Wo sind die Frauen in der Tech-Branche?

  • Redaktion und Interview: Miriam Suter; Fotos: republik.ch für Project R (1)

Der Schweizer Tech-Branche fehlen die Frauen. Woran liegt das? Wir haben uns mit Marike Carstens vom Schweizer IT-Netzwerk «We Shape Tech» darüber unterhalten.

Die Frauenquote in der Technologie-Branche lässt zu wünschen übrig: 15 bis 20 Prozent der Angestellten in dieser Industrie sind Frauen. Und das, obwohl in der Schweiz gut ein Drittel der Abgehenden der Wissenschaften Frauen sind. Das spiegelt sich auch später wieder: Der Grossteil der Angestellten auf Führungsebene sind Männer.

«We Shape Tech» will das ändern: Das Netzwerk lädt Produktmanagerinnen, Designerinnen und Entwicklerinnen aus der Tech- und IT-Branche zu regelmässigen Events ein und will so die Vielfältigkeit und Sichtbarkeit der Frauen fördern. Wir haben bei Marike Carstens, Senior Manager von «We Shape Tech» nachgefragt, wo der Schuh drückt, was sie mit ihrem Netzwerk daran ändern will – und was Frauen selbst tun können.

Marike Carstens, wie ist «We Shape Tech» entstanden?
Marike Carstens: Aus der klassischen Haltung als Konsumentin. Uns ist aufgefallen, dass die Hälfte der Menschen, die Technologie nutzen, Frauen sind. Die, die es produzieren, sind aber zum grössten Teil Männer. Wenn davon gesprochen wird, user-centered Lösungen zu entwickeln, haben wir uns gedacht, da müssen wir etwas ändern. Ausserdem: Frauen bewerben sich weniger oft auf Stellen in dieser Branche und machen weniger schnell Karriere, auch, weil ihnen das entsprechende Netzwerk fehlt. Daraus ist die Idee entstanden, «We Shape Tech» zu gründen. Mittlerweile umfasst unser Netzwerk gut tausend Frauen, mit denen wir regelmässig in Kontakt stehen.

Was wollen Sie?
«We Shape Tech» ist ein Netzwerk, das Frauen in der Tech-Branche sowohl untereinander als auch mit Unternehmen vernetzt. Wir möchten Frauen ermutigen und inspirieren, sich grössere Ziele zu stecken und ihnen die Hand reichen auf der Jobsuche. Wir wollen auch die Öffentlichkeit darauf sensibilisieren, dass Diversität gesund ist für die Wirtschaft und Unternehmen zukunftsfähiger macht. Ausserdem wollen wir das grossartige bereits bestehende Potential von Frauen in der Tech-Branche stärker sichtbar machen. Wir wollen Rollenklichees aufbrechen und so einen positiven gesellschaftlichen Wandel hervorbringen. Ich arbeite selbst seit fast zwanzig Jahren an digitalen Projekten und bewege mich dabei zum grössten Teil in einem männlich dominierten Umfeld. Dabei habe ich viel gelernt, das will ich gern weitergeben.  

Sie wollen Frauen aus ihrer «comfort zone» herausholen und ihnen zeigen, wie sie ambitionierter werden können.
Auch. Es entscheiden sich zwar immer mehr Frauen für technologische Studienfächer. Wir stellen aber fest, dass nach dem Studium nur wenige auf diesem Gebiet weiterarbeiten. Aus unserer Sicht liegt das auch daran, dass Frauen sich tendenziell weniger zutrauen als Männer – das klingt plakativ, aber es ist eben etwas Wahres dran. Uns geht es auch darum, dafür zu sorgen, dass Frauen sich bewusster fragen, was sie wollen und dafür sorgen, dass sie ihre Ziele auch erreichen. Wir wollen sie stärken, unterstützen und ihnen eine Plattform geben, um sich offen über Ideen, Know-How und Life Hacks auszutauschen und voneinander zu profitieren. 

Sind Frauen weniger erfolgsorientiert als Männer?
Nein, nicht unbedingt. Sie trauen sich einfach weniger zu. Wenn sich Frauen auf eine Stellenausschreibung bewerben, dann wollen sie möglichst alle Anforderungen erfüllen. Männern reicht es, wenn sie etwa sechzig Prozent erfüllen. Wir ermutigen Frauen dazu, sich mehr zuzutrauen. Und sich bewusst zu werden, dass man auch im neuen Job noch viel dazulernen kann und reinwächst. Dass niemand von einem erwartet, von Anfang alles zu können.

Wie äussert sich das?
Als Beispiel: Frauen legen grossen Wert darauf, dass ihre Arbeit in einem grösseren Zusammenhang steht. Die Businessrelevanz von IT-lastigen Jobs hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Ich nenne hier nur das Stichwort «digitale Transformation». Tatsächlich motiviert das grade Frauen stärker, ihre Jobs als Teil des Big Pictures zu verstehen. Auch innerhalb der Unternehmen wird längst erkannt, dass es aus ökonomischer Sicht wichtig ist, dass sich Frauen wohlfühlen und beruflich weiterentwickeln. Sie «funktionieren» im Arbeitsumfeld anders als Männer. Ob das angeboren oder anerzogen ist, ist eine andere Diskussion.

Noch immer trainieren sich Frauen vermeintlich männliche Züge an, um Karriere machen zu können.
Das halte ich für den falschen Weg. Es ist wichtig, dass man diese vermeintlich «männlichen» Verhaltensweisen versteht und sieht, was sie signalisieren. Aber man sollte sie nicht kopieren. Man darf sich nicht verstellen. Bleibt man nicht authentisch, dann hält man sowieso nicht lange durch. Meetings, an denen jeder und jede versucht, möglichst viel Raum einzunehmen, sind furchtbar anstrengend – und selten effizient. Ich setze mich doch nicht breitbeinig und mit den Händen hinter dem Kopf hin, nur um wichtig zu erscheinen.

Was können die Frauen selber tun?
Jede muss für sich selbst entscheiden, welcher Weg für sie der beste ist. Für mich ganz zentral ist die Frage, was für eine Art von Job ich machen will. Ob ich die Karriereleiter möglichst hoch hinauf will, ob ich lieber projektbezogen arbeiten möchte oder den klassischen Familienweg einschlagen will. Mich bewusst dafür entscheiden, was mein Ziel ist und wie ich dorthin komme, das erachte ich als unglaublich wichtig. Wichtig ist es, ein Netzwerk mit Gleichgesinnten aufzubauen und sich gegenseitig zu unterstützen.

In unserer Bildergalerie stellen wir Ihnen erfolgreiche Frauen aus der in- und ausländischen Tech-Branche vor.

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1.

Die 25-Jährige ist Head of IT beim neuen Schweizer Journalismusprojekt Republik. Vuillemin studierte Maschinenbau und Elektrotechnik und arbeitete unter anderem als Reporterin bei der «Moskauer Deutschen Zeitung» und IT-Verantwortliche beim Rotpunktverlag in Zürich. Ausserdem unterrichtete sie Ingenieursstudentinnen und -studenten in Mechanik, Elektrotechnik und Quantentheorie. Bei der Republik baut sie die IT-Struktur auf für das Onlinemagazin, das Anfang 2018 an den Start gehen soll.

2.

Saujani ist eine amerikanische Anwältin, Politikerin und Aktivistin und die Gründeron der Tech-Organisation «Girls Who Code». Die Non-Profit-Einrichtung will den Frauenanteil in der technologischen Branche vergrössern und setzt sich dafür ein, dass Mädchen in Amerika mit Programmieren, Robotik und Web Design in Berührung kommen. Mittlerweile gibt es über 150 Girls Who Code Clubs in ganz Amerika, wo diese Fächer unterrichtet werden.

3.

Die 48-Jährige ist CEO von Youtube und hat bis 2014 als erste Marketingmanagerin bei Google gearbeitet. Das Forbes Magazine nannte Susan Wojcicki dieses Jahr auf der Liste der 100 erfolgreichsten Frauen der Welt auf Platz 8.

4.

Kovacs ist Gründerin und Geschäftsführerin von Master21, dem ersten Anbieter eines 9-wöchigen Coding Bootcamps in der Schweiz. Die Wirtschaftsabsolventin mit Weiterbildung in Requirements Engineering möchte damit dem ICT-Fachkräftemangel entgegenwirken und mehr Leute befähigen die (digitale) Welt aktiv mitzugestalten.

5.

Die 50-Jährige hat Elektroingenieurin und hat über zwanzig Jahre in der Biotechnologie gearbeitet, unter anderem etwa bei Diagnostics und Novartis Vaccines. Sie ist die Gründerin des Programms «Black Girls Code», einer Nichtprofitorganisation, die afroamerikanischen Mädchen Zugang zu Kursen über Coding, Programmieren und Robotik ermöglicht.

6.

Die Schweizer  Physikerin und Professorin an der ETH Zürich arbeitet vor allem auf dem Gebiet der Ultrakurzpuls-Laserphysik. Keller hielt Gastprofessuren an Universitäten in Lund und Kalifornien und ist seit 2010 Direktorin des Forschungsprogramms NCCR MUST (Molecular Ultrafast Science and Technology). Die Wissenschaftlerin wurde ausserdem mit mehreren Preisen ausgezeichnet, zuletzt 2015 mit dem renommierten Charles Hard Townes Award für Quantenelektronik.