Werbung
Diese Bücher sollten Sie im August lesen

Literatur & Musik

Diese Bücher sollten Sie im August lesen

  • Redaktion: Claudia Senn, Frank Heer; Text: Verena Lugert (Buch), Dietrich Roeschmann (Bildband); Foto: iStock

Jeden Monat stellt die annabelle-Kulturredaktion die besten Bücher und Bildbände für Sie zusammen.

Unsere Kolleginnen und Kollegen aus dem Ressort Kultur präsentieren Ihnen die besten Neuerscheinungen. Im August mit dabei: Ein 960-Seiten-Wälzer der grosse Fragen zu Liebe, Freundschaft und Gewalt aufwirft, ein Roman über Frauen in einer düsteren Zukunft mit absolutem Suchtpotenzial und ein Buch mit sechs Geschichten, die vom Zauber der Erinnerung handeln.

Werbung

1.

Ein dreiminütiges Lied, das so schwermütig ist, dass alle Dunkelheit der Welt in ihm enthalten scheint, ist der Grund dafür, dass Carter im Koma liegt. Er und sein Kumpel Seth hatten den Bluessong, gesungen von einem Unbekannten in den Strassen New Yorks, aufgenommen. Sie stellen ihn ins Netz und behaupten, die Aufnahme stamme aus dem Jahr 1928, und der Sänger sei ein gewisser Charlie Shaw. Der Song wird ein Hit. Dann nimmt die Geschichte eine dunkle Wende, und Seth begibt sich auf einen phantasmagorischen Roadtrip in den Süden der USA. Selbst hartgesottene Südstaatenfans werden nach dieser spukhaften Lektüre erleichtert sein, dass sie es in diesen Ferien nur nach Mallorca geschafft haben!

– Hari Kunzru: White Tears. Liebeskind-Verlag, München 2017, 352 S., ca. 32 Franken

2.

Der Roman von Margaret Atwood ist zwar schon 1985 erschienen, momentan aber wieder brandaktuell durch die Verfilmung als Serie für das US-Videoportal Hulu. Der Roman spielt in einer düsteren Zukunft in Neuengland, in der Frauen, die ihre Fruchtbarkeit noch nicht verloren haben, keine Rechte haben und als Sklavinnen gehalten werden. Packend, verstörend und mit absolutem Suchtpotenzial!

– Margaret Atwood: Der Report der Magd. Taschenbuch, Piper, 416 S., ca. 17 Franken

3.

Für Leute, die viel Zeit zum Lesen haben, trotz Ferienstimmung keine Happy-End-Kost suchen und bereit sind, sich ordentlich erschüttern zu lassen, ist dieses Lebens- und Leidensepos von vier Freunden in New York die richtige Lektüre. Hanya Yanagihara wirft grosse Fragen zu Liebe, Freundschaft und Gewalt auf – alles ein bisschen laut und übertrieben, aber genau das macht diesen 960-Seiten-Wälzer so packend, dass man ihn nicht mehr aus den Händen legen möchte.

– Hanya Yanagihara: Ein wenig Leben. Hanser, München 2017, 960 S., ca. 40 Franken

4.

Sechs Geschichten auf drei Kontinenten, geschrieben vom Erzählzauberer Anthony Doerr («Winklers Traum vom Wasser»). Ein Mädchen zieht zum Grossvater nach Litauen in eine mythologische Welt. Ein chinesisches Dorf soll überflutet werden. Eine Holocaust-Überlebende wird von Visionen ihrer Kindheitsfreundinnen heimgesucht. Im Detroit der Dreissigerjahre lebt ein herzkranker Junge, den die Liebe umzubringen droht. Alle Geschichten eint, dass sie vom Zauber der Erinnerung handeln. Sie sei es, sagt der Autor, die unserem Leben Sinn und Zusammenhang verleihe.

– Anthony Doerr: Die Tiefe. Stories. Verlag C. H. Beck, München 2017, 267 S., ca. 30 Franken

5.

Vernons Plattenladen ist pleite gegangen, vor ein paar Jahren schon. Die Sozialhilfe hat ihn bisher über Wasser gehalten, doch nun sitzt er da, ohne einen Centime und bald auch ohne Dach, denn ein Freund, ein Popstar, der ihm die Miete zahlte, stirbt. Nun findet sich Vernon mit fast fünfzig mittellos in den Strassen von Paris wieder. Er kontaktiert Leute auf Facebook, fragt nach einem Schlafplatz. Er beginnt bei einer ehemaligen Bassistin («Männer ihres Alters stossen sie ab, ihre Eier hängen runter wie sklerotische Schildkrötenköpfe»), zieht weiter zum erfolglosen, aber reich verheirateten Drehbuchautor, dann zu einer Ex-Geliebten seines toten Popstarkumpels. Er schläft bei neuen Rechten, die Biokost vertilgen, landet bei Frauenschlägern, bei Millionären – und auf Kartons im Métroeingang. Die ganze französische Gesellschaft durchwandert, durchschläft, durchleuchtet, durchschaut Vernon auf seiner Odyssee. Ein vor Sprachfreude explodierendes Sittenbild der Moderne, wehmütig, wahnhaft und weise. Und so witzig und doch wahr, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

– Virginie Despentes: Das Leben des Vernon Subutex. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017, 401 Seiten, ca. 32 Franken

6.

«Vielleicht geh ich joggen und trink dabeiDosenbier.» – «Meine Strumpfhose riecht nach Brie.» – «Ist Abnehmen antifeministisch? Soll ich lieber zunehmen?» Stefanie Sargnagel (31), Künstlerin, Zweifelnde, Aphoristikerin der Generation Facebook, postet Statusmeldungen, Boshaftigkeiten, traurige Wahrheiten. Die so verquer, galgenhumorig und tiefsinnig sind, dass sie damit eine riesige Netzgemeinde erreicht. Statusmeldungen bringt sie nun auch in einem Buch heraus. Seit diesem Jahr ist sie denn auch hauptberuflich Schriftstellerin. Ob das ihrer Kreativität schadet? «Ich bin ja jetzt Autorin, und mit jedem Euro, den ich dadurch verdiene, wird mein inneres Poesievögelchen schwächer. Mit jedem Satz, den ich für Bezahlung schreibe, erlischt in mir ein kleiner, lieber Stern.» Der aber wiedergeboren wird, tausendfältig und funkelnd. Sargnagel wird mit jedem Buch und jedem Posting besser.

– Stefanie Sargnagel: Statusmeldungen. Rowohlt-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017, 304 Seiten, ca. 29 Franken

7.

Kurze Ferien? Lange? Nein, ein ganzes Sabbaticaljahr solls sein für Louise und Ludovic, das strahlende Pariser Paar, das sich den Traum erfüllt, einmal die Welt zu umsegeln. Sie machen halt auf einer einsamen Insel im Atlantik vor Kap Hoorn, um einen Gletscher zu besteigen. Zu ihrem Entsetzen ist ihr Boot bei ihrer Rückkehr verschwunden. In einer alten Walfängerstation versuchen die Gestrandeten zu überleben, jagen Pinguine und trotzen der Wildnis mit eisernem Willen ab, was sie zum nackten Überleben brauchen. Doch was macht dieses Ausgesetztsein mit den beiden als Paar? Ein moderner Abenteuerroman, eine herbe Robinsonade – geschrieben von Isabelle Autissier, die 1991 als erste Frau allein die Welt umsegelt hat.

Isabelle Autissier: Herz auf Eis Mare-Verlag, Hamburg 2017, 224 S., ca. 32 Franken.