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«Wer gleiche Qualität liefert, hat die gleiche Beachtung verdient»

Leben

«Wer gleiche Qualität liefert, hat die gleiche Beachtung verdient»

  • Interview: Julia Heim; Foto: David Biedert für Laureus

Katarina Witt ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der deutschen Sportgeschichte. Wir haben mit der ehemalige Spitzensportlerin im Eiskunstlauf über Mädchenförderung, Leistungsdruck und die Bedeutung des Sports gesprochen.

Ihre Schlittschuhe hat Katarina Witt an den Nagel gehängt, trotzdem ist sie mit dem Sport auch heute noch eng verbunden. Die 51-Jährige ist Gründerin ihrer gleichnamigen Stiftung, Unternehmerin und eines von über 60 Academy-Member der Laureus-Foundation – einem Zusammenschluss von Sportlegenden, die Kindern und Jugendlichen einen Zugang zum Freizeitsport ermöglicht. Uns gab der ehemalige Eiskunstprofi im Rahmen der Laureus-Charity-Night, die am 18. November in Zürich stattfand, ein Interview. 

annabelle.ch: Katarina Witt, im Zentrum der Laureus-Charity-Night stand das Motto Stärke. Als Spitzensportlerin mussten Sie diese unter Beweis stellen. Anstrengend für einen jungen Menschen, oder?
Katarina Witt: Natürlich. Als Spitzensportlerin ist man einem immensen Druck ausgesetzt. Man will die Beste sein, verzichtet auf vieles – das Treppchen ist das Ziel. Zwischen 1. und 5. Platz entscheidet oft die mentale Stärke, denn meist gibt es sechs bis zehn Sportlerinnen und Sportler, die ähnlich hervorragende Leistungen bringen – am Ende entscheidet der Kopf. Bei der Laureus-Stiftung geht es aber nicht um Leistungssport. Wir Academy-Member setzen uns für den Freizeitsport von Kindern ein, die in Brennpunkten leben. Kinder, die sonst keine Möglichkeit haben Sport zu treiben und die ohne Einbindung in ein soziales Netzwerk in ein negatives Umfeld abrutschen könnten.

Ein Engagement, mit dem bisher bereits viel erreicht werden konnte.
Ja, aktuell werden in 35 Ländern über 100 Projekte betreut. Mit ihnen werden soziale Brücken gebaut. Eines der Schweizer Projekte ist beispielsweise «Laureus Girls in Sport», wo Mädchen im Jugendsport integriert und ohne Leistungsdruck gefördert werden.

Weshalb braucht es einen solchen Fokus, werden Mädchen im Sport unterschätzt?
Leider werden Mädchen und junge Frauen noch zu oft unterschätzt. Gleichberechtigung ist essenziell. Mädchen soll im Sport, aber auch im Leben ebenso viel zugetraut werden wie Jungs. Für mich gilt: Wer gleiche Qualität liefert, hat die gleiche Belohnung und Beachtung verdient. Im Sport können Mädchen zeigen, wie stark sie sind, sofern sie denn teilnehmen dürfen.

Das ist nicht überall der Fall.
Genau, ein weiterer wichtiger Punkt, für den wir uns einsetzen. Es gibt Länder, in denen Mädchen keinen Sport machen dürfen oder können. Das wollen wir ändern. Der Sport hat uns Academy-Member entscheidend geprägt. Dafür sind wir dankbar, und davon wollen wir etwas zurückgeben.

Wie stehen Sie heute zum Sporttreiben, wenn es um Sie selbst geht?
Ich habe im Spitzensport meinen Fussabdruck hinterlassen, durfte reisen, Erfolge feiern, interessante Menschen kennenlernen. Der Sport hat mir aber Disziplin, Zielstrebigkeit und Ehrgeiz beigebracht. Das prägt. Heute treibe ich eher altersgerechten Sport. Ich bewege mich, um fit zu bleiben und weil es zu meinem Leben gehört.

Auch speziell für Kinder?
Kinder haben einen natürlichen Bewegungsdrang. Der wird zu sehr eingedämmt, wenn man ihnen sagt, dass sie stillsitzen sollen. Dabei sollten sie raus und sich bewegen – am besten täglich.

Sollen Eltern ihre Kinder zum Sport motivieren?
Wichtig ist, dass Kinder keinen Druck spüren. Sie sollen den Sport finden, der Spass macht, ganz egal ob es Eislaufen, Ballsport oder Leichtathletik ist. Wichtig ist: wohlfühlen und Freunde finden, denn Kinder wollen ein gemeinsames Erlebnis haben.

Ein gemeinsames Erlebnis war auch die Laureus-Charity-Night. Wie haben Sie den Abend erlebt?
Der Anlass bleibt mir sicherlich in Erinnerung. Nicht nur weil insgesamt fast drei Millionen Franken für den guten Zweck zusammengekommen sind – ein Betrag, vor dem man den Hut ziehen muss –, sondern auch, weil die Schweizerinnen und Schweizer ihre Sportler mit so viel Herz und Leidenschaft feiern.