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Wie ist es eigentlich, ein Kind von Teenie-Eltern zu sein?

Body & Soul

Wie ist es eigentlich, ein Kind von Teenie-Eltern zu sein?

  • Aufgezeichnet von Remo Schraner; Foto: Freeimages.com, T. Rolf

Marcel Jäggi (50), Marketing Manager aus Winterthur, erzählt, wie es ist, ein Kind von Teenie-Eltern zu sein.

Als Primarschüler wunderte ich mich oft, weshalb meine Kollegen mit ihren – wie ich meinte – Grosseltern zu den schulischen Anlässen erschienen. Dass meine Eltern eine Ausnahme waren, begriff ich erst später. Meine Mutter war 16, mein Vater 20, als ich zur Welt kam. Wie meine Kindheit und Jugendzeit mit so jungen Eltern war? Anders als man denken könnte, nämlich ziemlich grossartig! Vielleicht gerade deshalb, weil meine Mutter und mein Vater ihre fürsorgerische Pflicht nicht dermassen ernst nahmen, wie man das heute von Eltern verlangt.

Die beiden machten sich kaum Sorgen, liessen mich abends lange draussen herumtollen, und ich stand dabei nicht unter ständiger Kontrolle. Aber das Tollste überhaupt war, dass sie beide durch den geringen Altersunterschied stets wussten, was mich bewegte. Meine Mutter hat mich besonders in der Pubertät besser verstanden als andere Mütter ihre Kinder. Sie war ja auch erst 30.

Teenager-Schwangerschaften sind oft unbeabsichtigt. Ich hingegen war ein Wunschkind. Meine Eltern waren über ein Jahr unsterblich ineinander verliebt, und für beide war klar, dass sie für immer und ewig zusammenbleiben würden. Da meine Mutter für eine Ehe aber eigentlich noch zu jung war, brauchte es damals die Zustimmung des Kantonsrats. Einer werdenden Mutter konnte er die Ehe nicht verweigern, also wurde meine Mutter schwanger. Eineinhalb Jahre später kam meine Schwester auf die Welt, ebenfalls ein Wunschkind.

Obwohl sie uns wirklich gewollt haben, hatten meine Eltern – besonders in den ersten Familienjahren – auch noch andere Bedürfnisse. Ausgehen etwa. Schon als ich zwei Jahre alt war, liessen sie mich mit meiner sechsmonatigen Schwester allein zuhause zurück, um bis in alle Nacht feiern zu gehen. Weil sie merkten, dass ich nicht gern allein bleiben wollte, machten sie schlicht ein Spiel aus dem Abschiednehmen, sie nannten es Trick 77. Mein Vater erzählte mir später, er sei jeweils so lange um mein Laufgitter herumgerannt, bis mir schwindelig wurde – und er ungesehen aus meinem Zimmer schleichen konnte.

Ich glaube, es kam meinen Eltern gar nicht in den Sinn, einen Babysitter zu organisieren. Das Geld dafür hatten sie sowieso nicht. Etwas Schlimmes ist nie passiert. Nur einmal, als ich ungefähr drei Jahre alt war, entdeckte ich ein kaputtes Stromkabel. Ich drückte meiner kleinen Schwester die offenen Drähte in die Hände und steckte das Kabel ein – ausser, dass sie sich die Hände verbrannte, ist zum Glück nichts passiert. Den jugendlichen Leichtsinn habe ich meinen Eltern nie vorgeworfen. Ich weiss, dass sie stets ihr Bestes gaben. Und einen Schaden habe ich deswegen ja nicht davongetragen. Eine Auswirkung davon mag jedoch sein, dass ich bis heute nicht sehr gern allein bin.

Ich selber wusste immer, dass ich um keinen Preis früh Vater werden wollte. Ich fand, bis Mitte 20 sollte die eigene Entwicklung im Vordergrund stehen. Zudem wollte ich meinen Kindern nicht nur meine väterliche Liebe mit auf den Weg geben, sondern auch Lebenserfahrung. Das haben meine Eltern logischerweise nicht gekonnt. Mein erster Sohn kam schliesslich auf die Welt, als ich 35 Jahre alt war, der zweite eineinhalb Jahre später.

Im Gegensatz zu meinen Eltern habe ich meine Söhne eher überbehütet. Es kostete mich zum Beispiel ziemlich grosse Überwindung, die Kinder zum ersten Mal allein die grosse Hauptstrasse überqueren zu lassen.