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Die Kunst des Zusammenseins

Body & Soul

Die Kunst des Zusammenseins

  • Text: Kerstin Hasse, Foto: GettyImages

Während andere in ihren Zwanzigern eine wilde Datingphase durchleben, ist unsere Autorin Kerstin Hasse mit 28 seit zehn Jahren glücklich in einer festen Beziehung. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Manchmal, wenn ich nach meinem Beziehungsstatus gefragt werde und gleich danach die Frage nachgeschoben wird, wie lang mein Freund und ich uns schon kennen, überlege ich mir zu schwindeln. Denn «Wir sind seit fast zehn Jahren zusammen» klingt so gar nicht nach Millennial. Und das macht die Leute stutzig, was es für mich wiederum kompliziert macht. Manche Leute reagieren gerührt, wischen sich fast eine Träne weg ob so viel Romantik («Dann ist er also deine erste grosse Liebe»), andere wiederum reagieren einfach erstaunt («WAAAAAAS?!»), wieder andere erklären, recht unverschämt, dass sie das für nicht so ideal halten («Hast du nicht Angst, dass du das irgendwann bereust?»). Kurz: Fast alle Reaktionen sind ein bisschen mühsam, weil die Absender ungefragt über meine Beziehung urteilen. Ausserdem finde ich es selbst gar nicht so ein grosses Ding, dass wir schon so lang zusammen sind.

Schlangen häuten sich, und ich glaube, Menschen machen einen ähnlichen Prozess durch. Vor allem in den Zwanzigern. Man fängt Ausbildungen an, bricht andere ab, man startet Karrieren, findet neue Freunde, verliert alte, emanzipiert sich von der Familie, zieht um, findet nicht nur neue Hobbies, sondern auch neue Charakterzüge an sich selbst. Man verändert sich.

Ich glaube, mein Freund und ich hätten manche Gelegenheit gehabt, um uns zu trennen. Ich hatte meine Krisen, er seine, aber irgendwie haben wir das immer überstanden. 2008, das war quasi die Beta-Version unserer Liebe, jetzt sind wir ungefähr bei der Version 3.0 angelangt – und es funktioniert immer noch. Es hätte aber genauso gut sein können, dass wir mal die Kurve nicht kriegen. Ich glaube nicht, dass wir ein besseres Paar sind als andere – obwohl: Ich finde uns ziemlich cool.

Zweifel gibt es natürlich. Und diese Zweifel stammen nicht selten aus dem eigenen Umfeld. In den letzten anderthalb Jahren schien es, als würde in meinem Freundeskreis Shonda Rhimes, die Schöpferin von «Grey’s Anatomy», die Beziehungsregie übernehmen. So viele Paare trennten sich! Es war ein Liebessterben. Ein richtiges Blutbad der Herzen. Lauter Menschen, von denen ich dachte, dass sie eigentlich ganz glücklich sind, gingen auseinander. Alle Paare waren zwischen 28 und 35 Jahre alt, und alle waren seit vielen Jahren zusammen.

Plötzlich stehen die ganz grossen Fragen im Raum. Es geht um alles oder nichts. Kinder ja oder nein? Wenn ja, dann wann? Wenn nein, was dann? Kann er Verantwortung übernehmen? Wird sie irgendwann sesshaft? Wo wollen wir hin? Sind wir eigentlich glücklich?

Trennungen können ansteckend sein. Ungefragte Beziehungsanalysen können verunsichern. Und deshalb besteht die Kunst einer erfolgreichen Beziehung darin, sich nicht ständig darüber Gedanken zu machen, was andere von einem halten. Sich nicht immer zu vergleichen. Und nicht plötzlich Dinge infrage zu stellen, die eigentlich gut sind. Das gelingt besser, wenn man manchmal einfach die Probleme und Gedanken anderer ignoriert.

Es ist natürlich von Vorteil, mal über Kinder zu sprechen und so ungefähr miteinander auszumachen, ob der Lebensplan übereinstimmt. Denn wenn jemand Kinder möchte und der andere stattdessen lieber eine teure Kakteensammlung hätte, wirds wohl irgendwann schwierig. Aber die besten Pläne nützen nichts, wenn man nie zufrieden ist mit dem, was man hat.

Ja, vielleicht schwimmt da draussen noch ein bunterer Fisch. Und ja, vielleicht schaffen wir die nächste Kurve nicht. Und ja, vielleicht hätte ich total die tolle, wilde Datingphase in meinen Zwanzigern gehabt, wäre ich Single gewesen. Vielleicht aber auch nicht. Ich will nicht, dass der Konjunktiv mein Leben diktiert.

Mein Freund und ich, wir sind ein Spitzenteam. Wir sind verliebt. Wir schicken uns auch nach zehn Jahren immer mal noch Herz-Emojis hin und her. Das ist natürlich kein Barometer für Liebeserfolg, aber es fühlt sich schön an. Und wenn wir, so wie letzte Woche, spontan zusammen nach Mailand reisen und bis um 1 Uhr nachts im Restaurant sitzen und doch noch ein Glas Wein mehr bestellen, weil es grad so schön ist zusammen, denke ich: Mein Leben ist echt verdammt gut.

 

Lesen Sie auch Teil 1 und Teil 2 unserer Serie «Ein Plädoyer für die Liebe»