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«Kleider will man sofort tragen»

Stil

«Kleider will man sofort tragen»

  • Interview: Silvia Binggeli

Vom Laufsteg ohne Wartezeit zur Kundin: Der US-Designer Tommy Hilfiger (65) setzt auf Tempo. Für ein Plauderstündchen mit annabelle nahm er sich aber gern Zeit.

annabelle: Tommy Hilfiger, wann werden Sie laut?
Tommy Hilfiger: Selten. Aber bei der Präsentation unserer Herbstkollektion letzten September in New York habe ich irgendwann geschrien: Let’s get this fucking show on the road!

Wie kam es dazu?
Ich bin normalerweise nicht nervös. Aber es war für uns die erste Präsentation einer Kollektion, die es tags darauf im Laden zu kaufen gab.

Früher musste die Konsumentin nach den Shows ein halbes Jahr auf Ihre neuen Kreationen warten. Warum haben Sie umgestellt?
Früher wurden Kollektionen einem kleinen Kreis von Fachleuten gezeigt. Heute sieht die Konsumentin die Kleider noch während der Präsentation auf Instagram, Snapchat, Facebook. Sie will die Kleider sofort kaufen und tragen. Ich wollte auf dieses Bedürfnis reagieren.

Vom Entwurf bis zur Produktion eines Kleidungsstücks dauert es trotzdem immer noch mehrere Monate. Was war bei der Umstellung die grösste Herausforderung?
Den Kalender im Unternehmen zu ändern. Sind die Leute an etwas gewöhnt, ist es meist erst mal schwierig, sie vom Neuen zu überzeugen.

Wie haben Sie sie überzeugt?
Es ist wichtiger denn je, der Entwicklung voraus zu sein, auch in der Technologie. Das habe ich ihnen vor Augen geführt. Aber ich muss mein Team loben, insbesondere auch unseren CEO Daniel Grieder, übrigens ein Schweizer, der sagt: Lasst uns ganz nach vorne gehen. Das war auch immer meine Devise.

Das Fashionbusiness und insbesondere die High-End-Marken sind noch nicht komplett überzeugt vom neuen schnellen System.
Ja. Beispielsweise die französische Modewelt hat Mühe, sich zu verändern. Selbst die italienische Modeindustrie zögert – da passt sich vielleicht grad mal Gucci an. Aber es ist die Zukunft, und ich glaube, viele werden sich in Richtung See-now-buy-now bewegen, es geht nicht anders.

Ist schnelles Liefern heute für einen Designer wichtiger als das Image?
Man kann und muss noch immer am Image arbeiten. Wir machen das wahrscheinlich mehr denn je. Gigi Hadid, unsere Botschafterin, mit der wir eine Capsule Collection entworfen haben, ist Popkultur, eine Ikone. Sie ist nicht nur ein schönes Model. Sie ist cool. Sie ist einerseits dieses All American Girl, das sehr gut zu uns passt, aber sie hat auch einen exotischen Look, ihr Vater ist Palästinenser. Und sie hat einen unglaublichen Ausdruck. Wenn sie über den Laufsteg läuft, fesselt sie die Menschen. Man könnte sagen, sie umarmt ihre Wirkung.

Ihre Kollegin, die Modedesignerin Donna Karan, erzählte mir kürzlich in einem Gespräch, sie sei frustriert, weil die Mode sich in Zeiten von Social Media so weit von dem entfernt habe, was sie einst inspirierte. Warum mögen Sie Ihren Job nach über dreissig Jahren im Business immer noch?
Es hat mit meiner Begeisterung für Veränderung zu tun. Ich schaue zwar gern zurück. Aber ich lebe nicht gern in der Vergangenheit. Mein Job ist keine zwei Tage gleich, keine zwei Kollektionen sind gleich. Für mich ist das, was ich mache, nicht Arbeit. Es ist Vergnügen. Ich mag es, eine Idee zu entwickeln, die mein Team dann umsetzt (lacht).

Sie arbeiten mit Träumen, zeigen Ihre Kollektionen gern auf grossen Bühnen, inszenieren eine Berglandschaft, einen Strand, ein Schiff – im September haben Sie einen ganzen Landungssteg im Süden Manhattans in einen Jahrmarkt verwandelt. Wie kamen Sie auf die Idee mit dem Tommy-Pier?
Wir wollten einerseits das neue See-now-buy-now-System einführen. Und gleichzeitig die Kollektion von Gigi Hadid für Tommy Hilfiger präsentieren. Wir wollten multimediale Extravaganz. Ich glaube, unsere Chief Brand und Marketing Officer Avery Baker hatte die Idee: Kommt, lasst uns eine Block Party machen, einen Karneval. Und es hat funktioniert. Gott sei Dank. Hat Ihnen die Präsentation gefallen?

Ja.
Sind Sie nach der Show noch lange geblieben?

Ich gehörte mit einer lustigen Gruppe zu den Letzten, die noch Donuts assen, Karussell fuhren und Cocktails tranken.
Liess sich mein Sohn immer noch im offenen Studio tätowieren?

Ach, das war Ihr Sohn?
Hat es am Ende geregnet?

Ja, aber er war warm und eigentlich an dem heissen Tag willkommen. Aber zurück zu Ihnen. Warum haben Sie denn nun vor der Show herumgeschrien?
Die Models wurden auf der anderen Seite der Strasse angezogen, es gab kein Airconditioning, alle schwitzten ihre Kleider voll, wir hatten mehr Models denn je, ungefähr 75, wir mussten sie von einem Ort zum anderen bewegen, sie waren in einem kleinen Zelt, dort war es extrem voll, überall Make-up Artists und Hairstylisten am Werk. Es war chaotisch, die Show war verspätet, die Gäste mussten von den Jahrmarktständen zu ihren Plätzen gebracht werden. Manche hatten danach noch andere Shows. Also sagte ich irgendwann: Let’s move it! Laute Musik ging an. Und Gigi schritt los.

Wie belohnen Sie sich nach so einem Monsteranlass?
Ich gab danach einige Interviews, aber wegen diesem Gerät (er zeigt auf sein Handy und zieht die Augenbrauen hoch) heute wollen alle ein Bild, die Models, die Händler, die Gäste; irgendwann musste ich gehen. Zuhause trank ich ein Glas Wein. Und ass Pizza. Dann zog ich einen Smoking an und ging mit meiner Frau zur «Harper’s Bazaar»-Party, wo Kanye West auftrat. Danach gingen wir mit Kanye zu seiner Afterparty. Um fünf war ich aber schon wieder auf, weil ich eine TV-Show hatte.

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Jahrmarktstimmung an der Show in New York: Tommy Hilfiger liebt grosse Inszenierungen, seine Muse Gigi Hadid war stets an seiner Seite