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Alexander Wang – Gewinner des Swiss Textiles Award 2009

Stil

Alexander Wang – Gewinner des Swiss Textiles Award 2009

  • Interview: Jeremy Gloor

annabelle: Alexander Wang, wünschen Sie sich manchmal, die Modewelt würde sich etwas langsamer drehen und Sie hätten mehr Zeit für die Vorbereitung einer Kollektion?
Alexander Wang:
Es wäre sicherlich interessant, in einem Modezeitalter zu leben, in dem alles gemächlicher zu und her geht. In dem ich mehr Zeit zur Verfügung hätte, um mich mit der nächsten Saison zu beschäftigen. Aber als dem noch so war, hatten Designer auch nicht die technischen Möglichkeiten wie heute. Zum Beispiel was die Herstellung und Verarbeitung von Stoffen angeht.

Ohne diese technischen Möglichkeiten kämen Sie nicht zurecht?
Nein. Nicht, wenn ich mir anschaue, welche Innovationen im Bereich der Stoffe dank dem technischen Fortschritt möglich waren. Dadurch hat sich das Angebot an Materialien gegenüber früher vervielfacht. Nicht umsonst ist es heute eine der aufregendsten Aufgaben eines Designers, seinen Stoff auszuwählen oder herstellen zu lassen.

Wie wählen Sie Stoffe aus?
Mit einem Einerseits und einem Andererseits. Die interessantesten und faszinierendsten sind einerseits auch die teuersten, das ist nun mal so. Andererseits müssen wir aber berücksichtigen, dass wir unsere Kleider in einem mittleren Preissegment verkaufen. Also wählen wir Stoffe aus, die in unsere Modelinie passen und mit denen ich meine Vorstellungen umsetzen kann, die aber zu Kleidern führen, die preislich den Vorstellungen der Frauen entsprechen, für die ich meine Mode mache.

Eine echte Herausforderung.
Wenn der Markt dem kreativen Spielraum finanzielle Grenzen setzt, innerhalb derer man trotzdem jede Saison für Kundinnen und Moderedaktorinnen neue und aufregende Stücke designen will, dann ist das eine Herausforderung. Für mich und mein Team heisst das, die Möglichkeiten auszuloten, was das Experimentieren mit Stoffen angeht oder den Einsatz von Garn. Damit daraus etwas entsteht, das auch nach der Präsentation auf dem Laufsteg noch Anklang findet.
Wie stellen Sie sich die Kundinnen vor, bei denen Ihre Kleider ankommen sollen?
Sie suchen nach etwas, das zeitlos und trotzdem «of the moment» ist.

Das widerspricht sich doch.
Nicht unbedingt. Ein Kleid kann zum Beispiel ein Lebensgefühl ausdrücken, das sehr «jetzt» ist, und dabei so zeitlos erscheinen, dass es lange tragbar ist. Zeitlosigkeit bedingt jedoch Qualität, und diese Qualität muss heute auch im mittleren Preissegment gegeben sein.

Das klingt jetzt aber weniger kreativ als kaufmännisch.
Zeitlose Mode zu machen zu einem Preis, der viele überrascht, weil sie nie gedacht hätten, dass man heute hohe Qualität zu diesem Preis erstehen kann, das ist in der heutigen Modelandschaft ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Tatsache, dass einige ältere Highfashion-Labels zurzeit finanzielle Schwierigkeiten haben, hat uns als junges Label aufhorchen lassen.

Machen Sie sich Sorgen?
Nicht Sorgen, aber ich bin mir der schwierigen aktuellen Situation sehr bewusst. Wobei unser Label sogar in der glücklichen Lage ist, expandieren zu können. Aber wir dürfen bei aller Bedeutung des kreativen Prozesses nicht den Businessaspekt vernachlässigen. Wir stellen uns also immer die Fragen: Was fehlt noch in unserer Linie? Und was lässt sich verkaufen?

Und wie beantworten Sie diese Fragen?
Wir stellen uns das Mädchen oder die Frau vor, die unsere Kleider kauft, ihren Schrank und was sich darin befindet. Was haben wir in der letzten Saison bereits für sie kreiert? Und was fehlt noch? Diese Aspekte setzen unseren kreativen Denkprozess in Gang. Der Businessaspekt lässt uns überlegen, wie hoch der Prozentanteil von Jacketts in der letzten Kollektion war. Wie hoch jener von Hosen, Jupes und langen Kleidern. So bestimmen wir, auf was wir den Fokus in der nächsten Kollektion legen sollten, um den Markt zu bedienen.
Wo finden Sie Ihre Inspiration für eine neue Kollektion, unter Berücksichtigung all dieser Faktoren?
Ich glaube, Ideen zu finden, ist ein organischer Prozess, Inspiration lässt sich nicht planen. Vielleicht gehe ich auf eine Reise, besuche eine Kunstausstellung und habe dabei eine zündende Idee. Manchmal weiss ich bereits vor der Frühlingskollektion, womit ich mich im Herbst beschäftigen werde. Manchmal habe ich beim Kauf der Stoffe für die aktuelle Kollektion noch keine konkrete Idee und begebe mich ohne in den kreativen Prozess.

Dann bleibt nur noch die Hoffnung?
Genau. Die besten Ideen entstehen sowieso meist ganz unerwartet. Wenn sich bei einem Fitting etwa plötzlich etwas in einem Oberteil verfängt, das daraufhin auf eine bestimmte Art zerreisst. Oder wenn man versehentlich mit der Schere in ein Paar Hosen schneidet und daraus Shorts mit einer aussergewöhnlichen Drapierung entstehen.

Das Missgeschick als Inspiration?
Daraus entstehen oft die besten Kreationen.