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Bis die Blase platzt: Erfolgsdruck der Designer

Stil

Bis die Blase platzt: Erfolgsdruck der Designer

  • Interview: Silvia Binggeli

Coralie Gauthier, Presseagentin von Yohji Yamamoto, über Gründe und Folgen des enormen Erfolgsdrucks im Modedesign.

Die grossen Presseagenturen regieren die Modewelt. Sie entwickeln Strategien, um Designer bekannt zu machen. Sie entscheiden, welche Journalisten zu den Shows kommen und in welchen Ländern die Kollektionen gepusht werden. Doch es geht auch individueller: Die Pariserin Coralie Gauthier (34), Medienverantwortliche von Yohji Yamamoto, pflegt den persönlichen Kontakt zu ihren Kunden. Und bringt Mode mit Kunst und Clubs zusammen.

Coralie Gauthier, was ist die grosse Herausforderung, der sich Modedesigner heute stellen müssen?
Sie müssen die Frage beantworten: Welche Art von Designer möchte ich sein? Es gibt die Fast Fashion, in der Designer schnell nach oben gespült werden. Aber meist verschwinden sie auch nach ein paar Saisons wieder. Und es gibt die Slow Fashion. Dieser Art von Mode verschreiben sich Kreative, die mehr am Entwerfen als am schnellen Erfolg interessiert sind.

Können sich denn Designer in der multimedialen Modewelt den Luxus des langsamen Aufbaus noch leisten? Müssen sie nicht vielmehr so schnell wie möglich die lukrativen neuen Märkte erobern?
Es braucht einen starken Willen, um dem Erfolgsdruck zu widerstehen. Aber wie gesagt, es ist eine persönliche Entscheidung: Manche Leute wollen in Paris leben, andere auf Ibiza. Manche Designer wollen maschinell herstellen, andere von Hand fertigen lassen und ihren eigenen Weg gehen, wie Yohji Yamamoto.

Er ist einer der wenigen Kunden, die Sie betreuen.
Ich bin ein kleines Pressebüro und habe keine Ambitionen zu wachsen, deshalb habe ich lediglich eine Assistentin, die mir beim Schreiben der Texte hilft. Ansonsten mache ich alles selber. Hinzu kommt, dass ich gern den direkten Kontakt mit meinen wenigen Kunden pflege. Zurzeit arbeite ich mit Yohji Yamamoto, dem Pariser Club Silencio und Wanderlust, Restaurant, Bar, Club, Galerie und Magazin in einem. Wobei sich die Zusammenarbeit übrigens durch zufällige Begegnungen ergibt, ich suche nicht nach Mandaten.

Bei allem Zufall muss man aber für eine erfolgreiche Pressearbeit gut vernetzt sein.
Meine Familie betrieb das Restaurant Totem beim Musée de l’Homme, mit Blick auf den Eiffelturm. Viele Künstler, Designer, Schriftsteller und Musiker sind dorthin gekommen. Ich hatte das Glück, sie kennen zu lernen.

Sie bringen Kunden aus Mode, Kunst und der Clubszene für gemeinsame Projekte zusammen. Was interessiert Sie daran?
Das liegt an meinem Werdegang: Ich habe Literatur und Kunstgeschichte studiert, danach war ich in London und habe die Kunstszene dort erkundet. Zurück in Paris, beschloss ich dann, ein Managementdiplom mit Schwerpunkt Luxusbranche zu machen. Heute kommen meine Freunde sowohl aus der Lifestyle- wie aus der Kunstwelt, und das beeinflusst meine Arbeit. Ich arbeite ebenso mit Pariser Modestudenten wie mit Museen auf der ganzen Welt. Kürzlich habe ich die Vernissage einer Ausstellung für Yohji Yamamoto in Tel Aviv organisiert.

Was ist Ihnen als Agentin besonders wichtig?
Ich arbeite gern mit Menschen, die sich das Recht herausnehmen, eine eigene Stimme zu haben. Modedesigner wie Yohji Yamamoto, Emanuel Ungaro, Yves Saint Laurent, Jean Paul Gaultier, aber auch Giorgio Armani waren und sind auch ausserhalb der Modebranche bekannt für ihren Stil. Bei den heutigen Trendlabels ist das oft anders. Ich glaube, dass nur noch Insider wissen, welche Designer eigentlich hinter Chloé, Céline oder Balenciaga stehen. Das finde ich schade.

Der Japaner Yohji Yamamoto ist ein sehr zurückgezogener Designer. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Trends haben ihn nie interessiert. Er hat über die Jahre seine Nische gefunden. Ihm war beispielsweise wichtiger, traditionelles Handwerk aus Japan zu fördern, als im Rampenlicht zu stehen. Auch Designern wie Yves Saint Laurent ging es um den Entwurf, nicht um die Bekanntheit. Dasselbe gilt für Azzedine Alaïa – er macht keine Shows, keine Kampagnen.

Alle drei sind Grössen in der Branche, konnten und können es sich leisten, anders zu sein.
Ja. Aber sie sind durch ihr Talent gross geworden. Als Yohji Yamamoto vor über dreissig Jahren seine Karriere begann, gab es keine internationale Kommunikationsmaschinerie. Sie entwickelte sich nach und nach. Natürlich sind Designer schon damals unterschiedliche Wege gegangen: Giorgio Armani, der ungefähr zur selben Zeit anfing, hat die Vermarktung seines Labels viel schneller vorangetrieben. Er und Yohji verstehen sich übrigens sehr gut.

Wer hat denn das Potenzial, der neue Yamamoto oder Alaïa zu werden?
Eine schwierige Frage. Der verstorbene Alexander McQueen hat bewiesen: Man kann immer noch ein Punk sein. Für Wanderlust arbeiten wir mit Pariser Modestudenten zusammen. Dabei lerne ich immer wieder Leute kennen, die das Potenzial haben, ihren eigenen Weg zu gehen. Aber wer sich heute in der Mode einen eigenen Name machen will, muss bereit sein, hart zu kämpfen.

Welche Ratschläge geben Sie jungen Designern?
Keine. Das ist nicht meine Aufgabe. Ich schaue, welches Geschenk mir in die Hände gelegt wird und wie ich es anderen näher bringen kann.

Die grossen Agenturen regieren die Modewelt: Sie bestimmen mit, welche Journalisten zu den Shows zugelassen werden und welche Märkte die Designer als Nächstes erobern sollen. Das Vorgehen und der Ton sind bestimmter, zum Teil aggressiver geworden.
Ich habe in meinen Anfängen selber in einer wichtigen Agentur gearbeitet und weiss, mit welchen immer komplexeren Voraussetzungen die Leute dort zu kämpfen haben: Immer mehr Marken, auch Highstreetlabels, zeigen ihre Kollektion auf dem Laufsteg. Die Designer geraten unter Stress und Zeitdruck. Auch die Journalisten können das Showprogramm
kaum mehr bewältigen. Gleichzeitig interessieren sich die Medienvertreter und Blogger oft mehr für einen Platz in der vordersten Reihe als für eine seriöse Berichterstattung. Ein Dilemma.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Manchmal hoffe ich, dass die Blase der Modebranche zerplatzt wie die der Börsenspekulanten. Und dass alles wieder normaler wird. Aber ganz ehrlich: Allzu viele Gedanken mache ich mir über die Zukunft nicht. Wir Modeagenten sollten im Moment agieren. Und die Gestaltung des Morgen dem Designer überlassen.

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