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Jungdesigner: Sternschnuppen am Modehimmel

Stil

Jungdesigner: Sternschnuppen am Modehimmel

  • Text: Donatella Sartorio; Übersetzung: Philip Stalder; Fotos: Imaxtree

Die glamouröse Zeit der grossen Namen in der Mode ist vorbei. Heute steigen talentierte junge Designer kometengleich auf, um ebenso rasant wieder zu fallen, erklärt uns Donatella Sartorio, Grande Dame des italienischen Modejournalismus.

Es gab eine Zeit, in der Mode ein Wunder zu sein schien und es wohl auch war. Die Rede ist von den Achtziger- und Neunzigerjahren. Alles ist möglich. Alles ist neu. Alles fasziniert. Alles ist – Glamour.

Im Prêt-à-porter-Bereich etablieren sich die ersten grossen Namen, allen voran die Italiener. Versace, Ferré, Ungaro. Hochglanzmagazine porträtieren die neuen Designer, jeder kennt jeden, man arbeitet Hand in Hand. Es gibt spektakuläre Modeschauen und Supermodels wie Linda Evangelista, Elle Macpherson, Claudia Schiffer, die die Sphären von Filmdiven erklimmen. Fotografen werden zu Göttern, Kreative zu Stars, Labels zu Ikonen. Welche Energie damals in der Luft lag! Doch so schön die Zeit war – sie ist vorbei.

Heute ist die Faszination verflogen — was den Nachwuchs nicht kümmert

Multipliziert und geklont, hat das Phänomen Mode seinen Glanz verloren. Entgegen jeder Prognose – und vielleicht sogar aus gutem Grund – ist Mode nicht mehr modern.

Den Nachwuchs scheint dies nicht zu kümmern. Jedenfalls ist ihm deswegen weder die Kreativität noch die Leidenschaft abhandengekommen. Vertrauensvoll streben die jungen Designer nach wie vor nach einer Kollektion, die ihren Namen trägt.

Franca Sozzani, Chefredaktorin der «Vogue Italia», berichtet, dass über die Website ihres Magazins immer noch Dutzende von Anfragen zur Teilnahme am Förderwettbewerb «Who Is On Next?» eingehen. Fast alle der dort erfolgreichen Newcomer, fügt Sozzani an, würden später gut dotierte Verträge abschliessen.

Talent alleine reicht nicht

Das mag sogar stimmen. Doch heutzutage reicht das kreative Talent (wenn es überhaupt da ist) allein nicht mehr aus, um sich in der Welt der Mode einen Platz zu ergattern. Ohne die nötige unternehmerische Kompetenz, die richtigen Leute um einen herum, ohne PR und Marketing ist Talent nichts mehr wert.

Zugleich sitzt das Geld für langfristige und entsprechend riskante Investitionen in hoffnungsvolle Jungdesigner nicht mehr so locker wie früher. In den grossen Modehäusern tänzeln zu viele Bewerber um zu wenige Plätze. Und es gibt zu viele Nachwuchswettbewerbe, die zu hohe Erwartungen schüren.

Die Modemetropolen haben ihre eigenen Methoden

Um ihren besten Köpfen gleichwohl noch eine Chance zu bieten, sich auf dem Modemarkt zu etablieren, beschreiten die Modemetropolen Paris, Mailand, New York und London Wege, die so unterschiedlich pragmatisch wie wirkungsvoll sind. Wegweisend agiert die britische Regierung mit dem British Fashion Council. Sie schüttet im Rahmen des Fashion Forward Award Preisgelder in der Höhe von umgerechnet 300 000 Franken aus. Zudem werden Geldpreise von Privatsponsoren vergeben, etwa dem bekannten Günstigmode-Anbieter Topshop.

In New York unterstützt die mächtige Chefin der US-«Vogue», Anna Wintour, die jungen Kreativen Jahr für Jahr mit dem mit 200 000 Dollar dotierten Preis des CFDA, des Berufsverbands der amerikanischen Modedesigner. In dessen Rahmen organisiert Wintour auch Ausstellungen, Präsentation, Events. Zudem gibt sie – natürlich ganz im Vertrauen – den Labels dann und wann auch eine persönliche Empfehlung zu einem bestimmten Nachwuchsdesigner ab. Den CFDA-Award für aufstrebende Talente erhielten in diesem Jahr Phillip Lim und Joseph Altuzarra.

In Paris versucht die Chambre Syndicale de la Mode jungen Designern den Weg zu ebnen und verschafft den Nachwuchstalenten mögliche Locations und akzeptable Termine im Showplan der offiziellen Modewoche.

In Italien hingegen setzt der Wettbewerb «Who Is On Next?», der von Alta Roma und der italienischen «Vogue» ins Leben gerufen wurde, auf grösstmögliche Sichtbarkeit: internationale Jury, Modeschau in Rom, Präsentation im Mailänder Palazzo Durando und einen ganzseitigen Auftritt in der «Vogue».

Was passiert, wenn das Scheinwerferlicht ausgeht?

Nur: Die eigentliche Arbeit, also die Suche nach Investoren, Herstellern und Vertriebspartnern, fängt dann erst an. Dann, «wenn das Scheinwerferlicht ausgeht», wie es der Mode-Headhunter Davide Dall’Omo formuliert. Gemeint seien erfolgsentscheidende Faktoren, über die der Nachwuchs kaum etwas wisse, an denen die Karriere letztlich aber sehr oft scheitere.

Rosy Biffi, die in den Sechzigern Avantgarde-Boutiquen gegründet hat, ist in diesem Punkt rigoros: «Man darf den jungen Designern nicht helfen. Sie müssen eine lange Lehrzeit durchlaufen, bevor sie sich auf eigene Füsse stellen können.» Die Jungdesigner müssten lernen, Opfer zu bringen. Wie früher. «Wenn wir ihnen helfen, werden sie sich niemals voll entwickeln.»

Da ist der «Who Is On Next?/Uomo»-Wettbewerb für die Männermode an der Florentiner Modemesse Pitti Immagine vielleicht nützlicher: Den Geldpreis gibt es sofort auf die Hand und dazu in der Folgesaison eine Modeschau in einer netten Location in Florenz.

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch eine Initiative von Yoox: Der erfolgreiche Onlineshop wählt unter den «Who Is On Next?»-Teilnehmern den markantesten oder den verspieltesten Designer aus, verschafft ihm Präsenz auf der Website und sichert einer kleinen Capsule Collection den Online-Verkauf zu. Den «Who Is On Next?/Uomo»-Award gewannen 2012 die beiden Nachwuchsdesigner Marco Giugliano und Nicolò Bologna (Marcobologna) und den Yoox-Spezialpreis die Koreanerin Soojung Cha (Suzanne Susceptible).

Kurzlebige Trends und Effekthascherei

Natürlich gibt es nach wie vor beständige Nachwuchsdesigner, die sich durch Talent, Willenskraft und Demut auszeichnen. Leider aber schwimmen häufiger die Leichteren und Seichteren oben auf der Welle: vermeintliche Talente, die allein im Kielwasser und Abglanz eines Stars zu kurzlebigem Ruhm gelangen.

Gesichtslose Figuren, perfekt abgestimmt und eingepasst in die Zeit der Blogger, mit denen sie die Schnelllebigkeit, die Fragilität und das Improvisationstalent teilen. Viele dieser Jungdesigner erzielen dadurch eine enorme Präsenz in den sozialen Netzwerken, erlangen weltweite Beachtung – völlig ungeachtet ihres realen Modegehalts.

Ein Kleid oder ein Schuh, getragen an nur einem Abend von Lady Gaga oder von einer der vielen Kates, haben heutzutage mehr Gewicht als eine in allen Details stimmig entworfene und strukturierte Gesamtkollektion. Der Name des Designers, darin liegt das grosse Problem, steht nicht mehr für Mode und Talent, sondern für kurzlebige Trends und Effekthascherei. Und eben weil ihm die Kompetenz und das Rüstzeug abgehen, verschwindet der Emporkömmling – an jenem Abend noch im Zentrum der Aufmerksamkeit – rasant wieder von der Bildfläche. Ohne weitere zündende Ideen verglüht er am Modehimmel wie eine Sternschnuppe, wie ein Feuerwerk; unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen.

Steiler Aufstieg und ebenso steiler Fall

Dieses oberflächliche Phänomen, diesen steilen Aufstieg und Fall trifft man heutzutage leider häufig an. Ohne solides Wurzelwerk besteht keine Zukunft. Gerade noch in den Himmel gelobt, ist der Designer am nächsten Tag schon wieder vergessen.

Das Interesse der Allgemeinheit wendet sich etwas Neuem zu. Hier siegt Cleverness über Talent. Doch auch dieser Eigenschaft fehlt es in der Regel an Nachhaltigkeit: Obwohl durchaus auch Cleverness ein Talent sein kann, braucht es eben doch auch das Talent für Stil, Recherche und intelligente Raffinesse, um mehr darzustellen als ein flüchtiges und virtuelles Produkt der Zeit.

Die wahren Nachwuchstalente

Wenn wir dagegen von vielversprechenden jungen Kreativen sprechen, von Menschen aus Fleisch und Blut, meinen wir Nachwuchsköpfe mit einer Vision, einer eigenen Sicht auf die Welt. Personen wie etwa die Londoner Designerin Mary Katrantzou mit ihrem Gespür für ausgefallene Prints. Oder der gebürtige Kanadier Mark Fast mit seinem Flair für Strickhandwerk. Oder auch der in London arbeitende Designer Erdem Moralioglu mit seinen formschönen Kleidern aus edlen Materialien. Nachwuchstalente also, die alles mitbringen, was nötig ist, aber noch ein wenig Unterstützung brauchen – und auch ein bisschen Glück. Und dies nicht zuletzt deshalb, weil es den übermächtigen PR-Agenturen wie KCD oder Karla Otto eben noch immer gelingt, für einen Abend einen Mythos ins Leben zu rufen. Doch zu viele Mythen an zu vielen Abenden verlieren auf lange Sicht ihren Glanz und ihre Glaubwürdigkeit – vor allem wenn diese Mythen nicht den Sprung schaffen in die Realität; in Form von wirklichen Kleidern, Taschen und Schuhen, getragen von realen Frauen in ihrer realen, alltäglichen Umgebung.

Reale Substanz — keine unnahbaren Zerrbilder aus der Hochglanzwelt

Was wir heute suchen, sind Personen und Produkte mit einer Substanz, keine unnahbaren Zerrbilder aus der Hochglanzwerbewelt. Denn wie nie zuvor ist es der Markt, der auswählt und entscheidet, nicht mehr allein der Erfolg einer PR-Agentur. Mode ist heute – davon bin ich felsenfest überzeugt – nicht mehr einfach in bei den Leuten.

Dabei denke ich nicht an die Teenies, sondern an junge Frauen in westlichen Ländern, in reifen Märkten, die – auch in finanzieller Hinsicht – eigenständig entscheiden. Diese Frauen interessieren sich nicht mehr nur für das Produkt, das Kleid, die Tasche, den Schuh. Sie interessieren sich vor allem auch für die Geschichte dahinter.

Deshalb müssen hinter einem Namen, hinter einem Label, um nachhaltig zu bestehen, heute wahre Werte stehen.

Reale Mode: Qualität zu erschwinglichen Preisen

Abgesehen davon geht der Trend hin zum Wesentlichen, Einfachen, Unverfälschten, hin zu schlichten, überzeugenden Schnitten mit Wiedererkennungswert. Ich beziehe mich da nicht auf Leute wie Haider Ackermann mit seinen hyperkreativen Designs, die an das frühere Prêt-à-porter erinnern – und auch dementsprechend kosten. Nicht auf Giles Deacon, der sich als freier Schöpfer sieht – und für seine Konzeptmode keine Preisgrenzen mehr kennt. Und auch nicht auf Gabriele Colangelo, der ob seiner überkandidelten «Art»-Inspiration vergisst, eine reale Frau faszinierend und anziehend erscheinen zu lassen.

Nein, ich verweise da zum Beispiel auf den «Easy but intriguing»-Stil von Massimo Giorgetti für MSGM, auf die von den Sechzigerjahren inspirierten und durch diverse Twists modern interpretierten Kollektionen von Gianluca Capannolo oder auf die hypnotisierenden Prints, mit denen Peter Pilotto wahrhaft Traumhaftes in die reale Welt transferiert. Echte Produkte von realer Substanz also. Und all das zu erschwinglichen Preisen und unterstützt von erstrangigen Partnern, welche die Mode von heute nicht nur träumen wollen – sondern sie auch verkaufen.

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1.

Giles

2.

Mary Katrantzou

3.

Mary Katrantzou

4.

Gabriele Colangelo

5.

3.1 Phillip Lim

6.

Mark Fast

7.

Erdem