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Let’s Talk About Swissness

Stil

Let’s Talk About Swissness

  • Redaktion: Andrea Bornhauser, Silvia Binggeli, Niklaus Müller

Was ist eigentlich Swissness? Sieben Fragen an heimische Lifestyle-Profis, die die Schweizer Mentalität in der Modebranche erklären.

In der globalisierten Welt von Mode und Beauty ist die Schweiz keine Unbekannte. Sieben Fragen an Lifestyle-Profis.

Ursula Knecht, welche schweizerischen Eigenschaften helfen den Models Patricia Schmid, Nadine Strittmatter, Noreen Carmody, Julia Saner, Ronja Furrer, Jenny Bachmann und Leona Sigrist, sich international durchzusetzen?
«Von Kunden höre ich immer wieder, wie zuvorkommend, sprachbegabt und freundlich unsere Models seien. Und das auch zu anderen Models, was in dieser Branche nicht selbstverständlich ist. Ich denke, dass auch eine gewisse Bescheidenheit eine Rolle spielt, Schweizerinnen sind in der Regel nicht so arrogant. Als Patricia Schmid vor ein paar Jahren für Jean Paul Gaultiers Jubiläumsshow gebucht wurde, wollte sie dem Designer unbedingt etwas mitbringen. Sie hat ihm eine Rose geschenkt und dazu eine Karte geschrieben. Gaultier war so überrascht und gerührt, dass er uns nach dem Fitting bis zum Taxi nachgerannt ist, um sich bei Patricia persönlich zu bedanken. Ausserdem sind unsere Mädchen sehr pflichtbewusst, manchmal sogar bis an die Schmerzgrenze: Bei einem Shooting in Tokio hat sich Noreen in der Pause an einer schlecht montierten Tür den Arm angebrochen. Sie hat sich jedoch nichts anmerken lassen und durchgehalten, bis am Abend das letzte Bild im Kasten war.»

Ursula Knecht ist Chefin der Zürcher Model-Agentur Option und Entdeckerin der international erfolgreichsten Schweizer Models.
Suzanna Vock, wie war es, den ersten bedeutenden Modeevent der Schweiz zu lancieren?
«Hätte ich gewusst, wie anspruchsvoll und schwierig das wird, hätte ich es wohl bleiben lassen. Die Idee zur Gwand entstand 1992 aus einem Frust heraus: Nach meiner Ausbildung zur Modedesignerin hätte ich gern irgendwo meinen Beruf ausgeübt, musste aber feststellen, dass die Schweiz nicht mit der internationalen Modeszene verbunden war. Mit der Gwand wollte ich aufstrebenden Designern die Möglichkeit bieten, ihre Kreationen einem breiten Publikum zu präsentieren. Leider wurden mein Team und ich lange Zeit nicht ernst genommen. Mode war kein Bestandteil des schweizerischen Kulturgutes, und wir wurden als schräge Paradiesvögel abgetan. Das hat mich erst recht darin bestärkt, mich mit aller Kraft Tag und Nacht und ohne Lohn für Schweizer Modedesign einzusetzen. So sehr, dass mein eigener Wunsch, Designerin zu werden, auf der Strecke blieb. Aber meine Hartnäckigkeit und mein Durchhaltewillen wurden belohnt: 1998, also nach sechs Jahren Aufbauarbeit, galt die Gwand als das wichtigste Modefestival der Schweiz. Dank starken Partnern und Sponsoren wie der Credit Suisse konnten wir wichtige Preise an Designer und internationale Modeschulen vergeben. Am Ende stellte sich jedoch leider heraus, dass der Modestandort Schweiz für internationale Sponsoren zu unattraktiv war. Als sich schliesslich die Banken aus der Modeförderung zurückzogen, musste die Gwand 2005 nach 13 Jahren eingestellt werden. Nun widme ich mich wieder mehr meiner Arbeit als Designerin und bin gerade dabei, mein eigenes Label Luna by Suza aufzubauen.»

Suzanna Vock ist Gründerin der Gwand und Wegbereiterin der späteren Stella Fashion Night und der Charles Vögele Fashion Days Zurich, die erstmals im November stattfinden.
Annemarie Widmer, warum ist Schweizer Kosmetik weltweit erfolgreich?
«Die Schweiz garantiert Werte, die international geschätzt werden: hochwertige Qualität, Sicherheit, Sauberkeit, Zuverlässigkeit, Tradition, Technologie, Genauigkeit. Nach diesen Kriterien arbeiten wir bei Louis Widmer seit fünfzig Jahren. Sich nur mit Höchstleistungen zufrieden zu geben, keine Kompromisse einzugehen, das ist meiner Meinung nach ebenfalls ein Grund, warum Schweizer Kosmetikprodukte im Ausland so geschätzt werden. Vor allem in Asien strahlt auch das positive Image der Schweiz als Land mit einer reinen, unverdorbenen Natur auf die Produkte aus. Im Fall von Louis Widmer schafft zudem die Tatsache Vertrauen, dass wir ein Familienunternehmen sind, das ausschliesslich in der Schweiz produziert.»

Annemarie Widmer ist Geschäftsführerin und Marketingchefin von Louis Widmer.

Claudia Knoepfel und Stefan Indlekofer, weshalb zieht es Sie nach Modeshootings auf der ganzen Welt immer wieder zurück ins Appenzellerland?
«Für unsere Aufträge reisen wir oft nach New York, Los Angeles und Paris, manchmal auch an exotischere Orte wie Mexico City, Tokio oder Arizona. Aus den vielen Eindrücken schöpfen wir Energie und Inspiration. Besonders oft sind wir in New York, wo die Bedingungen für unseren Job optimal sind. Diese Stadt bietet alles, was wir brauchen: die richtigen Leute, ein professionelles Umfeld, die besten Locations. Trotzdem könnten wir nirgendwo anders wohnen als im Appenzellischen. Hier sind wir beide aufgewachsen, hier ist unser Rückzugsort. Nach all der Hektik geniessen wir jeweils die Ruhe und die Natur direkt vor unserer Haustür. Hier spinnen wir neue Ideen für Shootings. Weil der Modezirkus auf dem Land niemanden gross interessiert, können wir ungestört arbeiten. Und sind dank Internet und E-Mail trotzdem mit der Welt verbunden.»

Claudia Knoepfel und Stefan Indlekofer sind ein international erfolgreiches Modefotografen-Paar.
Albert Kriemler, was ist an Ihrer international erfolgreichen Mode besonders schweizerisch?

«Ich glaube, dass man sich in der Welt nur weiterentwickeln kann, wenn man unvergleichbar ist. Man muss heute eigenständig sein und den Mut haben, sich selbst zu definieren, eine eigene Identität umzusetzen. Heute fragt man nicht mehr, woher wir kommen, sondern was wir tun. Gerade in diesen Zeiten bekommt die seit langem gelebte Akris-Kultur ihre Bestätigung. Wir leben mit Akris unsere Haltung und unsere Urwerte intensiver denn je. Ich habe das Gefühl, dass wir ganz gut in diese schwierigen Zeiten passen. Dennoch fällt es mir immer wieder schwer, uns zu beschreiben, das typisch Schweizerische an uns herauszufiltern. Ein Journalist hat die Handschrift von Akris einmal sehr treffend beschrieben als ‹perfekte Synthese von hochwertiger Eleganz und kompromisslosem Avantgardismus, von kühlem Minimalismus und urbaner Exzentrizität, von Understatement und Radical Chic›. Die Reduktion, die Einfachheit und die klaren Linien sind wichtig und derzeit auch der Trend in der internationalen Modewelt. Insbesondere wir Schweizer dürfen uns in keiner Form nur auf unser Land konzentrieren. Uns muss interessieren, was Europa, Amerika und Asien von uns denken.»

Albert Kriemler ist Chefdesigner von Akris.
Ronald Weisbrod, wie haben Sie es geschafft, Schweizer Stoffe im internationalen Prêt-à-porter und in der Haute Couture wieder zu etablieren?
«Vor gut zehn Jahren hatte sich die Schweizer Textilbranche strukturell bedingt sehr verkleinert. Da haben wir uns gefragt: Wie können wir unser Renommee erhalten, innovativ, qualitativ hoch stehend zu sein und einen Topservice zu bieten? Da die meisten Textilhersteller mehr als die Hälfte ihrer Produkte exportierten, lag es nahe, eine Kampagne zu lancieren, die weltweit funktionieren würde. Ich setzte mich mit dem britischen Modejournalisten Robb Young zusammen, der die Branche à fond kennt. Gemeinsam entwickelten wir die Idee, einen internationalen Mode-Award ins Leben zu rufen, für den Experten aufstrebende Modedesigner nominieren sollen. Wir legten Wert auf ein professionelles Auswahlverfahren, und so entwickelte sich der Award schnell zu einem der renommiertesten Modepreise der Welt. Mittlerweile reisen längst die besten Designtalente wie Raf Simons, Haider Ackermann, Bruno Pieters, Gareth Pugh, Marios Schwab, Rodarte und Alexander Wang nach Zürich, um am Swiss Textiles Award ihre Kreationen zu präsentieren. Die anwesende internationale Presse und die Finalisten tragen später Schweizer Textilien in die Welt hinaus. Für die Gewinner wiederum steigt die Chance auf ein Engagement bei einer Topmarke. Und die hohe Siegersumme von 100 000 Euro bringt einen Zustupf für eine erfolgreiche Zukunft der eigenen Marke. Einer der bewegendsten Momente war der Auftritt von Raf Simons 2003. Im Vorfeld hiess es, der Designer sei sehr schüchtern und würde auf keinen Fall die Bühne betreten. Er nahm seinen Preis dann doch vor Publikum entgegen – mit Tränen in den Augen. Später wurde er Chefdesigner bei Jil Sander.»

Ronald Weisbrod ist Textilunternehmer und Vizepräsident des Textilverbandes Schweiz.

Rolf Nungesser, weshalb setzen sich unsere Jungdesigner im Ausland immer noch nicht durch?
«Das fragen wir uns auch. Jedes Jahr verlassen rund hundert Designer eine der vielen staatlichen oder privaten Schweizer Modeschulen, darunter gibt es immer viel versprechende Talente. Trotzdem schaffen die wenigsten den Sprung ins Ausland. Genauer gesagt, versuchen ihn die meisten gar nicht erst. Was wohl an unserer mangelnden Risikofreude liegt, dem Wunsch nach wirtschaftlicher Sicherheit. Weswegen nur wenige den grossen Schritt in die unüberschaubaren Modemetropolen wagen. Stattdessen wollen die Jungdesigner so schnell wie möglich in der Schweiz ihr eigenes Label gründen. In den Neunzigerjahren ist das auch vielen gelungen. Dank der grossen Nachfrage nach Schweizer Mode konnten damals Kreative wie Tran Hin Phu oder Xess + Baba eine Existenz aufbauen. Das ist in der heutigen Wirtschaftslage schon deutlich schwieriger. Aber vermutlich hat die Krise auch ihr Gutes, weil es die garantierte wirtschaftliche Sicherheit nun auch in der Schweiz nicht mehr gibt. Jedenfalls stellen wir seit kurzem fest, dass sich immer mehr Absolventen der Modeschulen für Praktika bei renommierten Labels im Ausland entscheiden, sich ein internationales Netzwerk aufbauen und nach dem brotlosen Praktikum interessante Jobs in der Branche ergattern, in denen sie erst einmal ein paar Jahre arbeiten, bevor sie ihr eigenes Label gründen. Dank all dieser wertvollen Erfahrungen sind diese Designer fitter im Markt der Selbstständigen als die, die sich noch nie über die Schweizer Grenze hinausgewagt haben. Von daher sind wir zuversichtlich, eines nicht allzu fernen Tages einen neuen helvetischen Stern am internationalen Modehimmel aufgehen zu sehen.»

Rolf Nungesser hat zusammen mit Cristian Reymond die Plattform für Schweizer Modedesign Real Time Society gegründet.