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Michael Kors im Interview

Stil

Michael Kors im Interview

  • Text: Silvia Binggeli

Michael Kors erobert die Modewelt nicht mit Avantgarde, sondern mit Charme. Im Interview sagt er, warum US-Designer derzeit so hip sind – selbst in Europa.

Michael Kors gibt alles: «Und hier haben wir eine Kreation aus Chiffon und bedruckten Federn, alles wunderbar ineinander verwebt.» Ein Model schwebt im leopardengemusterten Stofftraum durch den Showroom. Der Designer macht ein Witzchen. «Gäbe es in Afrika Tweed, dann sähe das Material so aus.» Michael Kors erklärt ausgewählten Journalisten seine aktuelle Sommerkollektion. Er steht in schlichtem T-Shirt und Jeans hinter einem Glastisch und sagt, dass ihn eine Reise nach Südafrika zu den Entwürfen inspiriert habe. Glaubt man der strahlenden Bräune in seinem Gesicht, ist er gestern erst aus dem Singita-Wildpark zurückgekehrt. Er kokettiert: «Ich bin kein guter Fotograf. Aber in Lebombo kann selbst ein Laie die wunderbaren Gelb-, Rot- und Brauntöne einfangen.» Obwohl seine Vision von Afrika leicht klischiert wirkt: Wer träumt nicht davon, am Strand zu wandeln, in einer Batiktunika und flachen Schnürsandalen, genau so, wie sie das Model trägt, das nun den Raum betritt. «Es gibt keine Highheels, keine Abendkleider. Und kein Hochzeitsgefühl.» Michael Kors legt eine kurze Pause ein. «Ausser natürlich das meiner eigenen.» Noch eine Pause. «Oh ja, mein Partner Lance und ich haben vor kurzem geheiratet.» Ohs und Ahs erfüllen den Raum. Eine Japanerin will wissen, wohin sie in die Flitterwochen geflogen seien. Michael Kors setzt sein strahlendstes Lächeln auf. «Nirgendwohin. Wir sind immer in den Flitterwochen.» Selige Seufzer. Der Designer lächelt. Damit dürfte er seine Kollektion verkauft haben.

Michael Kors ist, wie kaum ein anderer in der Branche, ein Designer zum Anfassen. In der Jury der TV-Castingshow «Project Runway» berät und fördert er seit ein paar Jahren junge Kollegen und entpuppte sich schnell als Unterhaltungstalent mit Hollywoodpotenzial. Gleichzeitig verhalf er sich und seiner Marke mit dem Auftritt zu einem weltweiten Energieschub. Die Mode, die er seit dreissig Jahren entwirft, ist eher beständig denn revolutionär. Michael Kors beschreibt die Mischung aus Sportswear und Glamour als «Jackie O an einem Wochenende». Von diesem Lebensgefühl wollen natürlich viele ein Stück haben. An einem beliebigen Tag begegnet man seinen Taschen an der Fifth Avenue in New York auf dreihundert Metern problemlos dreissigmal – und das an Schultern von Sechzehn- bis Sechzigjährigen. Kritiker schnöden, Michael Kors kreiere für die Massen. Doch was stört es den Kreateur: Anna Wintour verleiht ihm 2010 den wichtigsten aller Modepreise, den CFDA Award, für sein Lebenswerk. Angelina Jolie, Michelle Obama und Natalie Portman tragen seine Kleider. Im letzten Jahr hat er weltweit alle paar Wochen eine neue Boutique eröffnet. Auch in der Schweiz wird er immer populärer. Während der Baselworld fuhr ein ganzes Tram mit seinem Logo durch die Rheinstadt. Keine Frage: Die Frauen lieben Michael Kors. Und er weiss auch warum: «Andere Modedesigner schüchtern sie ein. Vor mir haben sie keine Angst.» Vielleicht das beste Verkaufsargument in wirtschaftlich kalten Zeiten.

Wenige Stunden bevor er seine Kreationen der Welt präsentiert – seine Berufskollegen sind in solchen Momenten jeweils unansprechbar –, stürmt der 52-Jährige in Sneakers in sein Büro, setzt sich und trinkt Eistee mit einem Strohhalm.

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Michael Kors, herzliche Gratulation. Wie fühlen Sie sich als verheirateter Mann?

Grossartig! Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich eines Tages in meinem Heimatstaat New York heiraten könnte. Hoffentlich wird das bald im ganzen Land möglich sein. (Er zeigt stolz seine Hände her: Am rechten Ringfinger trägt er den Ehering seines Grossvaters, am linken seinen eigenen.)
 

Wie haben Sie geheiratet?

Barfuss am Strand von Long Island. Ich trug weisse Jeans und ein T-Shirt. Der Bürgermeister von Southampton hat uns und ein befreundetes Paar getraut.
 

Und danach feierten Sie mit Ihren vielen Freundinnen?

Gar nicht. Es gab keine Gäste. Heidi Klum und Aerin Lauder waren entrüstet: Was, wir sind nicht deine Brautjungfern? Und meine Mutter fragte immer wieder, ob sie nicht kommen könne. Aber die Feier war perfekt so. Nach der Trauung assen wir Pizza und sahen uns im Kino «Howl» an.
 

Bei der Eröffnung Ihrer neuen Boutique im Rockefeller Center ging es kurze Zeit später partymässiger zu: Sie tanzten mit den Rockettes der nahen Radio City Music Hall und twitterten über den Auftritt.

Ja. Dabei bin ich kein guter Tänzer. Aber die Eröffnung des Ladens war ein sehr wichtiger Moment in meiner Karriere, sozusagen das Sahnehäubchen auf der Torte.
 

Was ist denn so besonders an dem Laden?

Wissen Sie, das Wort ikonisch wird viel zu oft benutzt. Aber das Rockefeller Center ist wirklich ikonisch. Allein die Architektur, die Geschichte des Gebäudes. Meinen Namen dort angeschrieben zu sehen, macht mich stolz.
 

Wieso leben und arbeiten Sie so gern in New York?

Mich fasziniert diese einmalige Mischung aus Menschen und Stilen. Du gehst die Fifth Avenue runter und entdeckst die Welt. Ich liebe diese optimistische Energie.
 

Wie genau spüren Sie diesen New Yorker Spirit?

New Yorkerinnen sind laut und direkt. In keiner anderen Stadt sprechen Frauen einander auf der Strasse so ungeniert an: Oh, ich mag Ihre Schuhe. Wo haben Sie sie gekauft?

Amerikanische Designer feiern derzeit weltweit Erfolge. Woher kommt der plötzliche Hype?

Die Zeiten, in denen Amerikaner nur T-Shirt und Jeans trugen, sind lange vorbei. Gleichzeitig verbreitet sich die typische New Yorker Gangart auf der ganzen Welt: Zuerst war das Leben nur hier schnell, nun ist es das überall. Um mitzuhalten, braucht man praktische Mode. US-Designer sind sehr stark im Entwerfen genau dieser Mode.
 

Welche jungen Kollegen beeindrucken Sie besonders?

Ehemalige Schützlinge: Derek Lam, Peter Som oder Proenza Schouler. Sie entwerfen hochstehende, aber tragbare Mode. Auch die Arbeit von Alexander Wang gefällt mir. Er kennt seine Kundin sehr gut. Man muss rausgehen. Isoliert in einer kreativen Blase entsteht keine gute Mode.
 

Wer hat Ihrer Meinung nach den Erfolg amerikanischer Designer begründet?

Roy Halston, er war grossartig. Mit ihm hätte ich gern über Mode diskutiert. Denn er hat in den Siebzigerjahren als Erster unangestrengt glamouröse Kleider kreiert. Starlets trugen sie an Partys im Studio 54. Aber auch Frauen, die sich gar nicht für Mode interessierten, hatten mindestens ein Teil von ihm im Schrank hängen.
 

Sie waren Ende der Neunzigerjahre Creative Director von Céline und gaben dem Label neuen Schwung. Was haben Sie nach Paris gebracht?

Ich war ja nicht der Einzige. Damals gab es in Paris eine Invasion der American Boys: Marc Jacobs ging zu Louis Vuitton, Narcisco Rodriguez zu Cerruti und ich zu Céline. Sicher brachten wir eine gewisse Leichtigkeit mit, aber mittlerweile ist Sportswear längst kein amerikanisches Phänomen mehr. Es ist ein Klischee zu denken, dass die Französinnen ihre Pudel in Haute Couture spazieren führen.
 

Was hat Ihnen an Paris gefallen?

Zu sehen, wie anders die Frauen dort ticken. New Yorkerinnen essen mittags einen Salat und sprechen über Diäten. Die Pariserinnen schlemmen Foie gras, und es ist ihnen völlig egal. Diese sinnliche Hingabe gefällt mir.
 

Wie hat sich die Modewelt verändert?

Das Internet macht Mode für alle zugänglich. Die Menschen sind mobil. Und: Das Alter spielt keine Rolle mehr. Eine Sechzehnjährige kann elegant sein und eine Siebzigjährige hip. Es gibt keine Regeln. Ausser deine eigenen.
 

Mit Ihrer aktuellen Sommerkollektion präsentieren Sie einen der wichtigsten Trends der Saison: Afrika. Nach welchen Kriterien entwerfen Sie?

Ich mache, was sich in meiner Seele gut anfühlt. Gleichzeitig musst du als Modedesigner einerseits deiner DNA treu bleiben und andererseits flexibel sein. Du befindest dich permanent auf einer Achterbahnfahrt, darfst aber dein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Der Job ist vergleichbar mit einer langen Karriere in Hollywood. Natürlich möchte ich lieber Meryl Streep sein als irgendein Starlet.

Welchen Fehler darf ein Designer nicht begehen?

Beim Entwerfen vergessen, dass später Leute in den Laden gehen und deine Mode kaufen und tragen sollen.
 

Welches war Ihr modischer Schlüsselmoment?

Mein Onkel und mein Grossvater arbeiteten beide in der Textilbranche. Mein Grossvater konnte stundenlang über ein T-Shirt sprechen.

Sie wollten also schon immer Designer werden?

Ich wusste jedenfalls, dass ich anders war. Kein anderer Junge in meiner Umgebung träumte schon mit zehn davon, bei Bergdorf Goodman einzukaufen.
 

Wie haben die Frauen Ihrer Familie Sie beeinflusst?

Meine Grossmutter war Lehrerin. Aber sie interessierte sich viel mehr für ihre Kleidung als für den Stoff, den sie unterrichtete. Sie war glamourös, trug Highheels, Schmuck, Farben. Meine Mutter verkörperte das Gegenteil: Sie kleidete sich klassisch, trug flache Schuhe. Sie waren sich in Modefragen nie einig. Gelernt habe ich von beiden. Vielleicht kleiden wir deshalb heute Frauen jeden Alters ein und Stars von Blake Lively bis Helen Mirren.
 

In die Flitterwochen sind Sie nicht geflogen. Wie und wo erholen Sie sich vom Modezirkus?

Lance und ich werden nach Capri fahren.
 

Um dort Locations für neue Läden zu suchen? Wie entscheiden Sie, wo ein neuer Absatzmarkt wartet?

In den Hamptons eröffneten wir kürzlich zwei Geschäfte. Sie laufen gut, das gibt uns Vertrauen. Wir können uns also vorstellen, nach Capri, Portofino oder Saint-Tropez zu gehen. Wir wollen in Europa und Asien expandieren.
 

Was werden Sie auf keinen Fall tun?

Für Kinder entwerfen. Ich hasse überteuerte glamouröse Mode, die aus Kindern Erwachsene macht.


 

Kors’ Netzwerk

Michael Kors wird am 9. August 1959 in Merrick, Long Island, geboren. Sein Studium am New Yorker Fashion Institute of Technology bricht er ab, als ihm ein Lehrer rät: Hören Sie auf zu sticken, fangen Sie an zu arbeiten. Er arbeitet in der Trendboutique Lothar’s, wo Diana Ross, Jackie O und Rudolf Nurejew einkaufen. 1981 lanciert er bei Saks Fifth Avenue und Bergdorf Goodman eine Frauenlinie. 1999 kauft LVMH, zu dem auch Céline gehört, Anteile an seiner Marke. Michael Kors kreiert neben der Showkollektion mehrere Günstiglinien für Frauen, Männer und Teenager, dazu Accessoires und Parfums. Er stattet Hollywoodfilme aus, etwa «The Thomas Crown Affair». Michael Kors betreibt 231 Boutiquen in 74 Ländern. In der Schweiz verkauft er in Boutiquen und Warenhäusern. Anfang Jahr schrieben Wirtschaftsblätter, der Wert seiner Aktien sei rasant gestiegen. Seinen Partner Lance LePere lernte er in Paris kennen, mittlerweile ist dieser Creative Director bei Michael Kors.

www.michaelkors.com

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