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Diese Frau kämpft für die Fashion Szene in Afrika

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Diese Frau kämpft für die Fashion Szene in Afrika

  • Text: Tobias Asmuth, Fotos: Martin Kharumwa

Mode ist Kunst und Kampf zugleich. Das gelte ganz besonders in Afrika, sagt Designerin Gloria Wavamunno. Doch die Gründerin der Kampala Fashion Week in Uganda hat gelernt, sich durchzuboxen.

Auf dem Weg entdeckt Gloria Wavamunno den Schädel einer Antilope, hebt ihn vom Boden auf und nickt zufrieden. Nachdem ihre Assistentin das Moos von den Knochen geschrubbt hat, geht die kleine Truppe runter zum Ufer und nimmt den Pfad in den Wald. Dort, zwischen den Bäumen, steht die Luft, schluckt der weiche Boden jeden Laut. Gloria Wavamunno und der Fotograf suchen im Dickicht nach dem richtigen Spiel aus Licht und Schatten. Für das Shooting haben sie Aliet als Model gebucht. Sie ist als Kind zusammen mit ihrer Mutter und den Geschwistern aus dem Südsudan nach Uganda geflohen. Vor einem Jahr wusste die junge Frau noch nicht, was ein Walk ist, jetzt liefert sie jede Pose, jeden Blick, den sich der Fotograf wünscht. Aliet träumt von einer Karriere in den USA, eine Agentur aus New York hat sie unter Vertrag genommen. Zwischen den Einstellungen prüft Gloria Wavamunno immer wieder ihr Make-up, zupft an den Trägern des Kleides, fotografiert das Shooting und postet es auf Instagram. Dann macht der Fotograf Bilder von ihr mit dem Schädel der Antilope auf dem Kopf.

«Ist es das wirklich?», fragt er. «Das ist es», sagt Gloria Wavamunno. Das üppige Grün der Natur sei das eine: der Anfang, das Leben. Der Schädel das andere: das Vergängliche, der Tod.

Der Fotograf hebt den Daumen, Gloria Wavamunno drängt zum Aufbruch. Sie möchte zum Boot, das ihr Team von der Halbinsel im Viktoriasee nach Kampala zurückbringen soll. Am Abend soll es ein Treffen von Designern mit der Parlamentspräsidentin zur Lage der Mode-Industrie in Uganda geben. Darum hat sie sich lange bemüht. Mode in Europa ist eine Kultur, die man ernst nimmt. In Uganda ist das nicht so. Gloria Wavamunno will das ändern.

Als das schmale Boot durch das von Algen grüne Wasser pflügt, erzählt sie ganz vorne im Bug sitzend, dass die Bilder aus dem Wald für «Industrie Africa» bestimmt sind. Der Webshop aus Kenia möchte ihre Kollektion ins Programm aufnehmen. Gloria Wavamunno macht fast sechzig Prozent ihres Umsatzes in Afrika. Ein schwieriger Markt. Der Vertrieb in den Ländern ist unterschiedlich gut entwickelt, es gibt absurde Zollvorschriften und willkürliche Steuern. Aber das Internet hat vielen Modemachern geholfen, mit ihrer Arbeit sichtbar zu werden. Auch in Europa. «Als vor sechs, sieben Jahren der Begriff afrikanische Mode aufkam, poppte sofort meine Marke im Netz auf», erinnert sich Gloria Wavamunno. «Früher haben sich die Modehäuser in Paris und Mailand alle paar Jahre von Afrika inspirieren lassen. Heute gibt es ein Interesse an Mode aus Afrika.»

In Nigeria und Südafrika finden schon seit Jahren grosse Modemessen statt. Besonders Nigeria, das wirtschaftlich potenteste Land Westafrikas besitzt eine Mode-Industrie, die vielen Designern in Uganda als Vorbild gilt. «In Nigeria empfinden die Menschen einen gewissen Stolz dabei, traditionelle Mode zu tragen, gerade auch Politiker oder Prominente. Das erleichtert den Start für viele junge Modemacher», meint Gloria Haguma, die führende Fashion-Kritikerin Ugandas. «Ausserdem ist der Markt potenzieller Käufer in einem Land mit 190 Millionen Menschen grösser als in Uganda mit seinen 35 Millionen Menschen.» Umso wichtiger sei es, dass die Länder Ostafrikas sich stärker vernetzten. Und auch wenn einzelne Regierungen aus Sorge um ihre Industrien bremsten, sei eine gemeinsame afrikanische Handelszone eine Chance für die afrikanische Mode. Afrikanische Mode? Wäre es nicht genauer, von Mode aus Uganda, aus Nigeria oder aus Südafrika zu sprechen? «In meinen Entwürfen lasse ich mich von Einflüssen aus Nigeria, dem Kongo und Kenia inspirieren», sagt Gloria Wavamunno. «Wir haben einen gemeinsamen Schatz an Traditionen, Stoffen und Farben.» Afrikanische Designer sollten ihren eigenen Weg gehen, den Westen nicht einfach kopieren. Gloria Wavamunno träumt von einer afrikanischen Mode, die emotional ist. «Eine Mode, die dich berührt, die dich antreibt und die dich deinen Wurzeln näher bringt.» Ihr Studio liegt im fünften Stock eines Bürogebäudes mitten in Kampala. In zwei Räumen stehen Singer-Nähmaschinen und Kleiderstangen mit den Entwürfen für die neue Kollektion. Über einen Schneidertisch gebeugt sticken Ethal und Miriam Perlen auf ein blaues Kleid, das nicht von ihrem Boss entworfen wurde, wie sie sagen, sondern das sie für eine Nachbarin genäht haben. Gloria Wavamunno erlaubt ihren Schneiderinnen, in der Werkstatt auch andere Aufträge auszuführen. So könnten sie ihre Einkommen verbessern, und ausserdem sei das Training. «Ich habe meinen fünf Näherinnen alle wichtigen Schnitttechniken beigebracht», sagt sie. «Die Ausbildung in Uganda ist schlecht, selbst in den Kursen für Massschneiderei fehlen passende Nähmaschinen.»

Gloria Wavamunno wollte eigentlich Malerin werden, aber ihre Eltern waren strikt dagegen: «Ich komme nun einmal aus einer afrikanischen Familie, und so sagte mein Vater nur: No way!» Auch wenn er sich Ärztin oder Anwältin als Traumberufe für seine Tochter vorgestellt hatte, so konnte ihr Vater nur schwer etwas gegen Modemacherin als Wahl sagen, schliesslich hatte seine eigene Frau, Glorias Mutter, Schneiderin gelernt und damit ein kleines Unternehmen aufgebaut. Am Ende finanzierten die Eltern der Tochter ein Studium in Paris und London. Die drei Jahre in Europa waren für Gloria Wavamunno eine Offenbarung: «In Uganda geniesst Kreativität keine Anerkennung, im Westen dagegen gilt es als grosse Sache, kreativ zu sein.»

In Europa musste sich Gloria Wavamunno darüber klar werden, was es bedeutet, aus Afrika zu kommen. Sie habe den Job einer Entwicklungshelferin übernommen – kurzes, ironisches Lächeln – und in unzähligen Gesprächen versucht, ein realistisches Bild ihrer Heimat zu zeichnen. Viele Leute hätten Vorstellungen, die aus Videos von Hilfsorganisationen oder aus Meryl Streep auf Safari in der Savanne bestünden. Kaum einer ihrer Freunde habe verstanden, dass sie sofort nach ihrem Studium zurück nach Uganda wollte. Gloria Wavamunno sitzt an ihrem Schreibtisch, von dem sie auf ein Poster mit der rauchenden Kate Moss und auf eine glänzende afrikanische Maske schaut, und schenkt sich einen Sud nach, «aus Hibiskusblüten, Sheakernen und irgendwelchen Wurzeln, alles aus Afrika und genauso gesund wie grüner Tee». Seit einem Jahr trinkt sie keinen Alkohol mehr und treibt viel Sport, lernt boxen. Sie weiss, was ein Jab ist, wo ein rechter Haken platziert wird und wie ihre Linke einen guten Cross abschiessen kann. «Wenn du in unserer Gesellschaft als schöne Frau giltst, wirst du darauf reduziert. Dagegen ist Boxen das passende Statement.» Auch ihre Mode sei ein Kommentar zum Männerland Uganda. Mit jeder ihrer Kollektionen will Gloria Wavamunno Frauen stärker machen. Ein Kleid ist für sie auch eine Rüstung, eine Bluse auch ein Schild: «Die Ansprüche an uns Frauen lösen bei mir nur einen Reflex aus: Fuck society!»

Gloria Wavamunno bricht auf, um rechtzeitig um sieben Uhr im Emir-Pascha-Hotel anzukommen. Während sie im alltäglichen Stau auf den Strassen ständig die Spur wechselt, erzählt sie von den Hoffnungen, welche sie mit dem Termin verbindet. Der Parlamentspräsidentin Rebecca Kadaga wird nachgesagt, einen gewissen Einfluss zu haben auf Ugandas seit über dreissig Jahren an der Macht klebenden Präsidenten Yoweri Museveni. Dabei gehe es nicht um Fördergelder («Da laufen die Politiker sofort weg»), sondern um faire Bedingungen. Auf alles müssten ugandische Modemacher Steuern zahlen, während chinesische Kleider umsonst ins Land kämen. «Es ist für mich billiger, mit meiner Kollektion nach Kenia zu reisen, wenn ‹Industrie Africa› die Kleider sehen will, als sie zu schicken, denn sie werden einmal bei der Ausfuhr und dann wieder bei der Einfuhr besteuert.»

Als ein Signal für einen Aufbruch und als ein Mittel zur Selbstverteidigung gegen die Wirklichkeit ihres Landes hat Gloria Wavamunno 2013 die Kampala Fashion Week gegründet, die jedes Jahr im September Modemacher aus ganz Afrika anzieht. Die Messe ist eine Kontaktbörse für Designer und Labelbetreiber, ein Marktplatz mit Pop-up-Stores, eine Party mit Underground-Konzerten und nicht zuletzt ein Trainingsplatz für Kreative. Der letzte Punkt war Gloria Wavamunno besonders wichtig. Von Anfang an hat sie die New Yorker Messeprofis LDJ als Partner gewonnen, die bei der Produktion dabei sind und darüber hinaus Workshops anbieten, zum Aufbau einer Model-Agentur, zum Bühnenbild oder Lichtkonzept einer Show. «Die Modeszene in Uganda ist in den vergangenen vier, fünf Jahren rasend schnell gewachsen», findet Modekritikerin Gloria Haguma. «Und definitiv hat Uganda in Ostafrika die Führung übernommen, die Leute sind kreativ und ehrgeizig, Kampala ist ein Ort, an dem sich viele Einflüsse Ostafrikas mischen. Die neue Modemesse ist ein Ausdruck davon.» Die Kampala Fashion Week ist erfolgreich, aber kleiner als die Modemessen in Johannesburg und Lagos. Sie ist der freche Underdog, den alle mögen. Damit das so bleibt, hat Gloria Wavamunno vorgebaut: «Ich habe die Fashion Week als Organisation eingetragen, nicht als Firma, so können sie mich nicht besteuern, und wir haben die Mittel, um unsere Ideen umzusetzen.» Das Motto der Messe dieses Jahr wird sein: Licht und Dunkelheit.

Das Emir-Pascha-Hotel steht auf einem der vielen Hügel Kampalas zwischen Palmen und Bananenstauden. Der crèmefarbene Bau aus der britischen Kolonialzeit wirkt so, als würden hier Winston Churchill und Maggie Thatcher den Fünf-Uhr-Tee einnehmen. Auf der eleganten Terrasse sitzen zwei Dutzend Menschen – Designerinnen, Modefotografen, Gründerinnen, Models, Journalisten – und lauschen dem Grusswort der Parlamentspräsidentin Rebecca Kadaga. Danach übernimmt Gloria Wavamunno die Moderation, zuerst werbend («Schauen Sie sich all diese wunderbaren Menschen an, wir sind die Modeszene Ihres Landes»), dann diplomatisch («Es geht uns nicht darum, uns zu beschweren, wir wollen Gedanken austauschen»), schliesslich direkt («Ich betreibe keinen Sweat-Shop, ich gebe fünf Frauen Arbeit, von der sie gut leben können. Warum machen Sie es uns so schwer?»). Über Rebecca Kadaga ergiesst sich ein Schwall von Klagen über ineffiziente Beamte und schikanöse Vorschriften. Während ihr Assistent ungehalten die Redner auffordert, sich kurz zu halten, hört sich die Politikerin jede Wortmeldung gelassen an. «Welche Veränderungen würden denn am meisten helfen?», will sie am Ende wissen. «Schauen Sie», sagt Gloria Wavamunno, «auf die Baumwolle, die in diesem Land wächst, müssen wir – nachdem sie im Ausland weiterverarbeitet wurde – 55 Prozent Importzoll zahlen. Kleider aus China aber dürfen umsonst nach Uganda eingeführt werden. So ein Kampf ist nicht gerecht.» Darauf gibt Rebecca Kadaga keine Antwort, sie schaut lächelnd in die Runde und sagt, sie sei jetzt Teil des Teams. Ihr Assistent bittet daraufhin alle zu einem Gruppenfoto, bevor die Parlamentspräsidentin zusammen mit ihrer Eskorte den Weg durch den Garten zum Ausgang nimmt.

Die wunderbaren Menschen, die Modeszene Ugandas, stehen noch eine Weile zusammen, sprechen über das neue Mitglied im Team und bald über Farben und Stoffe, Schnitte und Entwürfe. «Wird der Abend etwas ändern?» «Wer weiss, aber eher nicht.» Gloria Wavamunno schaut gelassen. «Warum nicht?» «Weil wir keine Strassen bauen wie die Chinesen. Mit jedem Bauprojekt sichert sich China in Verträgen Privilegien zu.» «Also war das Treffen umsonst?» «Nein, nein, überhaupt nicht», sie schüttelt den Kopf. «Afrika braucht ‹Action!›, in jeder Beziehung, am besten immer sofort. Wir haben keine Zeit zu verlieren.» Morgen wird Gloria Wavamunno wieder ins Gym gehen: boxen. 

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