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Die Abenteuer-Reise des Lebens: Ein Roadtrip durch Uganda

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Die Abenteuer-Reise des Lebens: Ein Roadtrip durch Uganda

  • Text: Claudia Senn; Fotos: Nathalie Bissig

Ein Roadtrip durch Uganda, ein Land voller Schrecken und voller Wunder. Und mit einem mächtigen schwarzen Tüpfelchen auf dem i: dem Berggorilla.

Unweigerlich kommt der Moment, in dem du glaubst, es habe dir jemand eine Droge ins Essen gemischt. Du sitzt in einem Boot auf dem Kazingakanal, der den Lake Edward mit dem Lake George verbindet. Die Wolken des sich nähernden Gewitters tauchen die Landschaft in ein silbernes Licht, und am Ufer tummelt sich ein Grossteil dessen, was einst der Arche Noah entstiegen ist. Dein noch Afrika-ungewohntes Hirn flüstert dir ein, es müsse sich um eine Inszenierung handeln. Vielleicht bist du ja in einer Art «Truman Show» gelandet, in der heimlich ein Regisseur die Choreografie dieses surrealen Naturschauspiels steuert: Elefant Nummer eins, bitte von links auf die Bühne. Elefant Nummer zwei, Auftritt von rechts und kurzes Rüsselschlenkern. Nilpferde und Krokodile: dümpelt im Wasser und grunzt ein bisschen vor euch hin. Und jetzt bitte die Eisvögel: Seid schön! Seid laut! Stehlt den Grossen die Show!
Doch dann bekommt Elefant Nummer eins bestürzenderweise eine Erektion. Erst bist du peinlich berührt, dann verschlägt dir diese eindrucksvolle Demonstration die Sprache. Schliesslich beginnst du dir Sorgen zu machen, der vier Meter grosse afrikanische Savannenelefant könnte über sein gewaltiges Geschlechtsorgan stolpern! Eines aber weisst du jetzt mit Sicherheit: So was kann sich kein Regisseur ausdenken. Das hier ist kein Film. Du machst nur gerade die aufregendste Reise deines Lebens.

Mehr als ein paar Hundert Touristen sind selten in Uganda

Als ich zuhause von meinen Reiseplänen berichtete, schaute man mich an, als ziehe ich freiwillig in den Krieg. Uganda? Ist das nicht diese ostafrikanische Bananenrepublik, in der Idi Amin wütete, der geisteskranke «Schlächter von Kampala»? Stimmt. Allerdings ist das schon eine Weile her, über dreissig Jahre. Inzwischen kann man das Land problemlos bereisen, sofern man bestimmte Gebiete meidet, in denen marodierende Rebellen noch immer Angst und Schrecken verbreiten.
Mehr als ein paar Hundert Touristen sind jedoch selten im Land. Vor unserer Abreise sorgte zudem ein kleinerer Ebola-Ausbruch für eine Stornierungswelle. Die medizinische Versorgung ist übel, das Strassennetz ein Witz, weite Teile des Landes ohne Strom. Dafür gibt es fantastische tropische Regenwälder und Feuchtsavannen voller Tiere, die man nicht mal im Zoo zu Gesicht bekommt, allen voran die beinah ausgestorbenen Berggorillas. Ein Paradies für Abenteuerreisende also. Ich versuchte, mir nicht allzu viele Sorgen über das Ungeziefer zu machen, die Giftschlangen und die Tropenkrankheiten. Denn sollte wirklich etwas passieren, sind wir ja nicht allein. Wir haben Akim.
Schon am Flughafen sorgt er für die erste Überraschung: Akim Ntambi, unser Guide, 38 Jahre alt, stolzer Vater von drei Töchtern, empfängt uns in fliessendem Deutsch, erworben an den Universitäten von Kampala und Köln. Als Erstes stellt er uns Jessica vor, seinen orange-blauen Toyota Landcruiser, mit dem wir während der nächsten zwei Wochen Uganda erkunden werden. Jessica ist nach Akims erster Freundin benannt, was, wie er gleich gesteht, zu gelegentlichen Eifersuchtsattacken bei seiner aktuellen Flamme führt. Es ist die Art von Auto, die wahrscheinlich sogar die Kollision mit einem Nashorn überleben würde.

Vom Elend der Stadt zur elenden Strasse

Kaum sind wir unterwegs, erleiden wir einen Schock, weil wir übergangslos hineinkatapultiert werden in die krasse, erbarmungslose Dritte Welt. Du tauchst ein in Kampalas Rund-um-die-Uhr-Rushhour. Du siehst einen Mann auf dem Motorrad, an dem rundherum lebende Hühner festgebunden sind – ein rollender Hühnerball, der dich aus hundert panischen Augen anstarrt. Du siehst einen anderen Mann auf dem Motorrad, der sich ein ganzes Rind um den Leib geschlungen hat, den Körper auf den Knien balancierend, die vier Beine im Rücken zusammengezurrt. Du siehst Elend, Krankheiten, Augenhöhlen, die nichts als vernarbte Löcher sind, Menschen mit amputierten Gliedmassen, Feuerwaffen, überall Feuerwaffen – riesige, glänzende Rambo-Knarren. Kampala kommt dir vor wie ein gigantischer, chaotischer, stinkender, gewalttätiger Millionenslum. Noch ahnst du nicht, dass die stundenlange Fahrt durch die Stadt der bequeme Teil der Reise war.
Denn jetzt kommst du aufs Land. Hier musst du schmerzhaft erkennen, dass du ein verwöhntes europäisches Gör bist, das die Existenz von Strassen immer als Selbstverständlichkeit hingenommen hat. Vergiss Asphalt. Vergiss alles, was du dir bisher unter einer Strasse vorgestellt hast. Ugandas Strassen verleihen dem Wort Morast eine ganz neue Bedeutung. Jessica gibt so grauenhafte Knirschtöne von sich, dass du jeden Moment mit einem Achsenbruch rechnest. Doch Akim bleibt die Gleichmut in Person. Bisher hat er noch jeden Muzungu ans Ziel gebracht.

Der idiotischste Muzungu war ein Amerikaner

Ein Muzungu, erklärt uns Akim, ist ein Wesen, das rastlos wie ein Geist von einem Ort zum anderen irrt, mit anderen Worten: ein weisser Tourist. Leider wissen sich nicht alle zu benehmen, die den Weg in sein schönes Land finden. Der idiotischste Muzungu aller Zeiten war ein Amerikaner mit einer Tasche voller Deodorants, die er mit den Worten «Da! Benutz das!» an jeden Ugander in seiner Nähe verteilte. Alles in allem aber ist Akim sehr gut auf Weisse zu sprechen, ebenso wie die meisten seiner Landsleute. Uganda war niemals eine Kolonie, bloss ein Protektorat, das von den englischen Besatzern eher profitierte, als dass es unter ihnen litt. Deshalb ist das Image der Europäer ungebrochen gut. «Wir finden euch cool», sagt Akim. Trotzdem geben
wir ihm eine Menge Rätsel auf. Warum zum Beispiel tun wir uns diese selbstquälerische Reise an? Ja, warum? Das frage ich mich langsam auch.
Nach guten drei Stunden auf den schlimmsten Strassen der Welt bekommst du die Kopfschmerzen deines Lebens. Die Nackenmuskulatur, die dein Gehirn vor den ständigen Schlägen und Stössen schützen will, hat sich in einen stählernen Schraubstock verwandelt. Nach vier Stunden stimmt der Rücken in den Schmerzenskanon ein. Nach fünf Stunden gibt es kein Gelenk mehr, das dir nicht wehtut, und du beginnst bitterlich zu bereuen, dich auf diesen Horrortrip eingelassen zu haben. Wenn du wüsstest, dass du in den nächsten vierzehn Tagen 2000 Kilometer auf dieselbe Weise zurücklegen wirst, würdest du auf der Stelle den Rückflug antreten. Als du glaubst, es keine Sekunde länger aushalten zu können, sagt Akim: «Wir sind gleich da.» Von diesem Moment an dauert es noch drei Stunden.

Die Landschaft entschädigt jeglicher Strapazen

Doch dann kommst du an. Und augenblicklich weisst du, dass sich das Martyrium gelohnt hat. Die Landschaft ist so schön, dass es dir die Tränen in die Augen treibt. Um dich herum nichts als sattgrüner Regenwald, in dessen Blättern überall kleine Tiere rascheln. Das Zirpen, Zwitschern und Affengeschnatter ist nach dem stundenlangen Röhren des Motors wie ein Schaumbad für die Nerven. Wir sind im Kibale Forest Camp, einer typischen Unterkunft, wie sie überall in den Nationalpärken des Landes anzutreffen ist. Eine Handvoll fest installierter, möblierter Zelte im Dschungel, eine überdachte Holzplattform für die Mahlzeiten, ein Dutzend sagenhaft freundliche Angestellte, ein Generator, der in den Abendstunden den Strom für ein paar trübe Sparfunzeln produziert. Die Hotelmanagerin schärft dir ein, nachts auf keinen Fall das Zelt
zu verlassen, da dann die Tiere des Dschungels durchs Camp streifen, auch die menschenfressenden. Dann erklärt dir ein rührend beflissener Mitarbeiter, wie du den Wasserhahn aufdrehst und die Nachttischlampe anknipst. Könnte ja sein, dass der Muzungu mit den Segnungen der Moderne noch nicht vertraut ist.
Als du den Wunsch nach einer Dusche äusserst, giesst ein Angestellter 15 Liter extra für dich gewärmtes Wasser in einen Tank hinter deinem Zelt, aus dem es dann tröpfchenweise auf deine Haut rinnt, während die Dschungeltiere draussen ihre Abendsinfonie anstimmen. Luxuriös ist das nicht, aber allerhöchst romantisch. Das Einzige, was dir fehlt, ist Robert Redford, der dir, wie er es bei Meryl Streep in «Out of Africa» machte, die Haare waschen könnte. Denn dafür reicht der Strahl der Urwalddusche nicht.
Tag vier. Akim und wir sind inzwischen dicke Freunde. «Gleich als ich euch am Flughafen sah, wusste ich, dass ihr ein Volltreffer seid», sagt er. Akim ist ebenfalls ein Volltreffer. Unschlagbar die lakonische Art, mit der er uns die Tiere der Savanne vorstellt: das Warzenschwein, das wegen seines wie eine Antenne in die Höhe ragenden Schwanzes auch Radio Africa genannt wird – «nicht unbedingt hübsch, aber sehr lecker». Kaum eine Frage, die er nicht zu beantworten weiss, auch wenn die Antwort nicht immer streng wissenschaftlich ausfällt. Warum hat der Hammercock, ein verhältnismässig kleiner Vogel, ein so riesiges Nest? «Keine Ahnung, vielleicht hat er ein Gästezimmer drin?»

Afrikanischer Rundfunk — Kommunikation ohne Handy

Wann immer uns ein anderes Touristenauto entgegenkommt, stoppen die Fahrer, kurbeln das Fenster hinunter und halten ein Schwätzchen: Ist die Strasse nach Bwindi noch passierbar? Hat jemand Löwen gesehen? Welcher Guide betreut einen besonders interessanten/gut aussehenden/verrückten Muzungu? Akim nennt das «Afrikanischer Rundfunk». Es ist die Art von Kommunikation, die immer funktioniert, auch wenn der nächste Handy-Sendemast zwei Tagesreisen entfernt ist.
Als wir im Queen Elizabeth National Park einen Leoparden sichten, verlässt Akim trotz der Verbotsschilder die Piste, um näher an das seltene Tier heranzufahren. «Ich darf das. Habe ich mit dem Chef geregelt.» Es gibt wenig, was Akim nicht regeln könnte. Unermüdlich sorgt er dafür, dass wir die allgegenwärtige Korruption nur von ihrer besten Seite kennen lernen. Stets trägt er raschelnde Säckchen mit sich, voller nicht näher definierter «Geschenke», mit denen er uns überall Privilegien erkauft. Die besten Orte, die schönsten Zimmer, die nettesten Ranger in den Nationalpärken. Niemals werden wir von Verkehrspolizisten angehalten, den Raubrittern des modernen Uganda, die in ihren blütenweissen Uniformen am Strassenrand lauern, um die Fahrer der mit frommen Slogans zugepflasterten Minibusse – «Lobet den Herrn!», «Gott ist der Grösste!» – um einen Teil ihrer Barschaft zu erleichtern.
Doch auch Akims Einfluss hat seine Grenzen. Wir treffen ein englisches Ehepaar, das den Ausflug zu den Berggorillas, den wir in einigen Tagen machen werden, bereits hinter sich hat. Was die beiden erzählen, lässt uns schaudern. Zehnstündiger Horrormarsch! Atemberaubend steile Hänge voller Schlamm und giftiger Nesseln! Millionen von Schmeissfliegen! «Aber ihr seid ja noch jung, ihr werdet es schon schaffen», sagt der nur unwesentlich ältere Mann, als er unsere entsetzten Gesichter sieht. Alarmiert ruft Akim den Chef im Gorilla-Büro an, um zu erfahren, welche der acht an Menschen gewöhnten Gorilla-Familien wir besuchen werden. Es ist dieselbe, bei der auch die beiden Engländer waren. Betrübt brütet er nach dieser niederschmetternden Nachricht vor sich hin. «Ich habs!», ruft er schliesslich aus. «Wir sagen einfach, du seist schwanger, dann teilt man euch einer näheren Familie zu.» Klar, Akim, ich bin zwar schon bald im Grossmutteralter, aber wenns einer guten Sache dient, trage ich zur Not auch Zwillinge aus!

«Wo können wir pinkeln?»

Die Frage, die uns auf unseren langen Fahrten am allermeisten beschäftigt, ist erschreckend profan: Wo können wir pinkeln? Natürlich könntest du dich einfach hinters Auto kauern. Dass Akim deinen weissen Muzungu-Hintern sieht, würdest du mittlerweile mit Fassung tragen, selbst wenn er diese Sensation per Afrikanischen Rundfunk in alle Landesteile hinaustrompetet. Doch die Gefahr, als Löwen-Hors-d’oeuvre zu enden, sobald du das schützende Auto verlässt, ist äusserst real. Nicht weniger grauenerregend erscheint die Vorstellung, eine der öffentlichen ugandischen Toiletten zu benutzen. Dann doch lieber der Dornbusch am Strassenrand. «Pinkelt bloss keine Schlange an!», sagt Akim fröhlich.
Die flache Savanne des Queen Elizabeth National Park liegt nun hinter uns. Wir fahren durch eine sanfte Hügellandschaft in unzähligen Grüntönen, voller Bananen-, Kaffee- und Teeplantagen. Die Menschen in dieser Gegend bekommen kaum Weisse zu Gesicht und rennen begeistert herbei, wenn sie uns von weitem erblicken.
Manchmal komme ich mir vor wie die Queen, die am Thronjubiläum in ihrer goldenen Kutsche durch London fährt. Lächeln und winken. Lächeln und winken. Allein sein in Uganda – unmöglich. Doch niemals werden wir unangenehm belästigt. Ein einziges Mal nur haben wir jemanden kennen gelernt, den wir nicht leiden konnten. Das war Max, eine Rangerin, mit der wir in Ishasha nach baumkletternden Löwen suchten. Akim hatte uns vorgewarnt, da sie einem Stamm angehöre, dessen Frauen angeblich «kein Mann heiratet, der noch ganz bei Trost ist – viel zu dominant!». Max machte ihrem Ruf als Savannen-Amazone alle Ehre. Während sie Akim angewidert betrachtete, als sei er ein schleimiger Wurm, zog sie über Löwenmännchen her, «die faulsten Tiere des Universums. Liegen den ganzen Tag herum und lassen sich dann auch noch das Essen ans Bett servieren. Keine Ahnung, wie sie die Weibchen dazu bringen, die ganze Arbeit allein zu machen.»
Die ugandischen Männer behandeln uns mit ausgesuchter Höflichkeit, selbst wenn Akim nicht über uns wacht. Der Anmachspruch der Stunde lautet: «Hast du dein Studium schon abgeschlossen?» – eine Frage, mit der man das Herz einer 47-Jährigen durchaus erfreuen kann, auch wenn sich der Effekt mit zunehmender Wiederholung etwas abnutzt. Meine Chancen auf dem ugandischen Heiratsmarkt sind anscheinend intakt. Zwar sei mein Hintern, wie mir Akim so schonend wie möglich beizubringen versucht, ein bisschen mickrig ausgefallen. Dafür kann ich mit meiner Muziko auftrumpfen, der Lücke zwischen den Schneidezähnen, nach der angeblich «jeder Ugander diesseits und jenseits des Äquators total verrückt ist».

Die Heimat der Berggorillas

Auf steinigen Serpentinen nähern wir uns dem Bwindi Impenetrable Forest, der Heimat der Berggorillas, einem ebenso undurchdringlichen wie zappendusteren Regenwald an den steilen Hängen des Rukiga-Hochlands. Es gibt Neuigkeiten. Nshongi, unser Silberrücken, ist uns mit seiner Familie netterweise entgegengekommen und nun bloss noch eine Stunde vom Basis-Camp entfernt. Meine Schauspielkünste als Schwangere kann ich mir sparen.
Werden uns die Gorillas ebenso gelassen empfangen wie die Schimpansen, die wir einige Tage zuvor im Kibale-Nationalpark besuchten? Drei Stunden hatten wir gebraucht, um mit einer jungen Wildhüterin namens Prossy die Tiere im Dschungel aufzuspüren. Dann stellte sie uns ihre Schützlinge vor, als wären es Kumpels an der Bar: Enfuzi – Waisenkind, «sehr freundlich, ein richtig cooler Typ». Mobutu, benannt nach dem kongolesischen Diktator, «eine echte Pissnelke, hat schon als Winzling alle tyrannisiert». Die Schimpansen betrachteten uns mit meditativer Gleichmut, selbst Mobutu schien nichts gegen unseren Besuch zu haben. Flüsternd weihte uns Prossy in die Mysterien des Primatenlebens ein, während Magezi (Weisheit), der Boss der Familie, zwei Meter nebenan Blätter in sich hineinstopfte. Als wir uns wieder trollten, war das den Schimpansen ebenso egal wie unsere Ankunft eine Stunde zuvor.
Frühmorgens machen wir uns auf den Weg zum Gorilla-Camp. Geschlafen hast du vor Aufregung kaum. Der Nebel über dem schwarzen Wald sieht aus wie verzaubert. «Gorillas in the Mist»? Ja, irgendwo da drin warten sie auf dich. Beim Camp steckst du dir die Hosen in die Socken, um es den Feuerameisen nicht unnötig leicht zu machen, und heuerst einen Träger an. Nicht, dass du tatsächlich jemanden brauchst, der deinen winzigen Rucksack schleppt. Akim hatte es so ausgedrückt: «Notfalls kann der Träger dich den Berg hinauf schieben.»
Du ziehst die Gartenhandschuhe an, die du mitgebracht hast, um dich im Unterholz an Wurzeln und Lianen festzuhalten, ein geblümtes Damenmodell aus der Migros. Wahrscheinlich werden sich die Gorillas darüber totlachen. Dann führt uns John, der Wildhüter, der unsere Achtergruppe leitet, in den Dschungel hinein. Hinter ihm geht
ein bewaffneter Kollege, der uns vor schlecht gelaunten Elefanten beschützen soll. Durch das dichte Blätterdach dringt kaum Licht. Der Pfad wird schmaler, du versinkst bis zu den Knöcheln im Schlamm, aber Abel, der Träger, hilft dir galant über die grössten Pfützen hinweg. Ab und zu knarzt Johns Funkgerät, über das er mit den Spurensuchern verbunden ist. Sie sind bereits im Morgengrauen losgezogen, um uns den richtigen Weg zu weisen.

Das ist kein Dokumentarfilm, sondern die Wirklichkeit

Schliesslich schickt uns John einen Hang hinauf, so steil, dass du ihn nur auf allen vieren erklimmen kannst. Mit der Machete schlägt er uns einen Pfad ins dichte Gehölz. Plötzlich ein tiefes Grunzen und Grollen, ganz nahe. Da sitzt er, direkt vor dir: Nshongi, der Silberrücken, ein Gigant von einem Affenmann, umschwärmt von Myriaden Insekten, faul hingestreckt wie ein fetter Buddha auf einem Sofa aus Blattwerk und Gras.
Wieder kannst du kaum glauben, dass du das hier tatsächlich erlebst. Das ist kein Dokumentarfilm, sondern die Wirklichkeit. Live und in Farbe! Wenn er wollte, könnte er uns mit einem einzigen Schlag seiner gewaltigen Faust zermalmen. Doch Nshongi glotzt uns bloss träge an und krault sich die Wampe, die Augenlider auf Halbmast wie ein ermatteter Bodybuilder. Du könntest heulen, so gerührt bist du über deinen starken Verwandten. Unerträglich erscheint dir die Vorstellung, dass er einer der letzten seiner Art ist. Du prägst dir jedes Detail ein, um die Szene für alle Ewigkeit in deiner Gedächtnisbibliothek der erhabensten Augenblicke abzulegen. Da unterbricht ein vertrautes, höchst irritierendes Geräusch deine Ergriffenheit.
Ntindantine, ein junges Männchen, sitzt drei Meter über dir in einem Baum und pupst wie ein Weltmeister. Minutenlang knattern seine Fürze durch die Stille des Regenwalds, eine nicht enden wollende, zwischen verschiedenen Tonlagen modulierende Fanfare der Flatulenz. Will uns Ntindantine damit etwas sagen? «Blödsinn», antwortet John, «er ist bloss ein Vegetarier mit Blähungen.»
Nein, so etwas kann sich kein Regisseur ausdenken. So etwas erlebt man nur in Uganda.

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1.

Verplempert einen Grossteil des Tages auf der faulen Haut: Löwe in der Savanne.

2.

Gruppen(such)bild mit Berggorilla.

3.

Bühne frei für den Grössten der Big Five!

4.

Das annabelle-Team Nathalie Bissig (l.) und Claudia Senn mit Akim Ntambi, dem Mann ihres Vertrauens.

5.

Affencool und «sehr freundlich»: Schimpanse Enfuzi.

6.

Einmal tief Luft holen: Flusspferd.

7.

Marktflecken am Rand der Hauptstrasse.

8.

Alu-Schale bitte zurückgeben: Lunchpaket.

9.

Landcruiser Jessica braucht ein neues Rad.

10.

Die Strasse – ein einziger Morast.

11.

Sie sind da – aber wo? Gorillas in the Mist.

12.

Krass steil: Aufstieg zum Gorilla-Watching.

13.

Hüter der Berggorillas: Ranger im Bwindi Impenetrable Forest.

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