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Kroatien – Liebesabenteuer im Winnetou-Land

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Kroatien – Liebesabenteuer im Winnetou-Land

  • Text: Barbara KlingbacherFotos: Roberto Ceccarelli

Reitferien mit unvorhergesehenem Ausgang: Warum IT-Fachfrau Isabel Urech ihren Bürostuhl in der Schweiz mit einem Pferderücken in Kroatien getauscht hat, und welche schönen Ecken das Land bei einem Reittrail offenbart, lesen und sehen Sie in dieser Reportage.

Eben doch: Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde! Die Schweizerin Isabel Urech hats in ihren Reitferien in Kroatien gleich doppelt erlebt. Denn da war auch noch Ivo, ihr Guide auf dem Trail. Bei ihm und seinen achtzig Pferden führt die IT-Fachfrau nun selbst Touristen durch die wilde Landschaft Dalmatiens.
(Die Bilder in voller Grösse gibt es übrigens wenn Sie auf das rechteckige Symbol unten rechts in der Galerie klicken.)

Seine Mutter, wird Ivo Kurobasa an einem dieser Abende erzählen, an denen die Dämmerung über die Hügel Kroatiens sinkt, die Pferde hinter den Zelten grasen und ein Eintopf auf dem Feuer köchelt, seine Mutter habe ihn bei der allerersten Freundin gewarnt: Das Mädchen sei nichts für ihn. Niemals solle er sich eine Frau mit so kleinen Händen aussuchen, die nicht zu harter Arbeit taugten. Natürlich hat Ivo damals, vor mehr als vierzig Jahren, nicht auf die Mutter gehört. Aber, sagt er, sie habe recht gehabt.

Wären Isabel Urech nicht die Gefühle dazwischengekommen, sie würde an diesem Dienstagvormittag auf einem Bürostuhl sitzen und Zahlen zu einem IT-Projekt in ihren Computer tippen. Stattdessen schreit sie: «Vorwärts, vorwärts, flussaufwärts!» und watet mit der Stute Pandora durchs Wasser, das ihr schon bis über die Knie reicht. Mehr als dreissig Meter breit ist die Cetina an dieser Stelle und so klar, dass jeder Stein auf dem Grund leuchtet. Doch in diesem Moment hat niemand Zeit, nach unten zu blicken.

Hinter Pandora kämpfen sechs Pferde gegen die Fluten. Die Reiterinnen und Reiter versuchen, ihre Tiere voranzutreiben und in einer Reihe zu halten, genau so, wie Isabel es vor der Flussüberquerung erklärt hatte: Zügel lang, nie mit, immer gegen die Strömung gehen, auf keinen Fall stehen bleiben. Als die 48-Jährige das korrekte Verhalten bei einem möglichen Scheitern der Überquerung erläuterte, da hatten manche in der Gruppe gelächelt: Sofort abspringen, falls ein Pferd den Grund unter den Hufen verliert, in die Mähne greifen und schwimmen! Vom Ufer aus wirkte die Cetina noch so harmlos, dass die Gefahr einzig in nassen Füssen zu bestehen schien. Nun aber steigt der Pegel mit jedem Schritt, und die Strömung wird stärker. In der Mitte des Flusses zögern die ersten Tiere, drehen ab, gehen mit den Fluten, statt ansich dagegenzustemmen. Die hinteren Pferde verlieren den Anschluss, geraten ins tiefe Wasser. Eisige neun Grad strömen durch Reithosen und Jeans, jede Sorge um die Stiefel ist längst vergessen. «Vorwärts, flussaufwärts» – einen anderen Gedanken lässt die Cetina nicht mehr zu.

Hier wurden in den Sechzigern die Romane von Karl May verfilmt

Dies ist eine Reise voller Abenteuer. Sie führt ins kroatische Hinterland, hinauf auf Felsgebirge, vorbei an Quellen und Seen, durch Flüsse, Canyons und über eine weite Prärie. Wild ist die Landschaft, fremd und trotzdem so vertraut, als stamme sie aus einem längst vergessenen Traum. Und eigentlich tut sie das auch: Hier wurden in den Sechzigerjahren die Romane von Karl May verfilmt; Kroatien ist der Wilde Westen unserer Kindheitsträume.

Ivo Kurobasa, sechzig Jahre alt und Besitzer von achtzig Pferden, nimmt seit mehr als zwei Jahrzehnten Reiter mit auf Trails durch seine Heimat. Oder eher: Reiterinnen. Denn obschon sich früher alle Buben als Winnetou oder Old Shatterhand in diese Kulisse hineinfantasierten und obwohl auf diesem Trail gleich drei Paare mitreiten – für gewöhnlich sind es fast ausschliesslich Frauen, die sich auf solche Trails durch Kroatien wagen. «Zu achtzig Prozent», sagt Ivo, «und manchmal sogar zu hundert.» Denn nichts spaltet die Geschlechter so sehr wie Ferien im Sattel. Eine kleine Umfrage vor der Reise zeigt, dass alle Frauen von der Vorstellung begeistert sind, selbst wenn sie gar nicht reiten können. Die Männer hingegen reagieren, als hätte man ihnen einen Ballettworkshop vorgeschlagen. «Eine Pferdestärke wäre mir definitiv zu wenig», sagt der eine. Ein Zweiter berichtet, er sei zwar schon einmal im Sattel gesessen, doch das blöde Pferd habe einfach nicht gehorchen wollen. Der Dritte mailt: «Auf Rösser gehören keine Sättel, sondern Café de Paris», und ein Vierter hält Reiten schlicht für Jungmädchenzeugs, «irgendwie total unmännlich».

Ivo lacht herzlich, als er davon hört. Dass sich mehr Frauen in den Sattel trauten, liege nur daran, dass die heutigen Männer so unmännlich seien, sagt er: «Sie jammern rum, fürchten sich vor dem Runterfallen und geben dann sofort auf. Sie sind, wie heisst es doch gleich, metrosexuell.» Dabei finden Frauen reitende Männer alles andere als unmännlich. Wenn das jemand weiss, dann Ivo. Die Liebe zur allerersten Freundin hatte nämlich nicht lange gehalten, es war genau so gekommen, wie seine Mutter es prophezeite: Die kleinen Hände hatten nicht zum Anpacken getaugt. Doch an Frauen mangelte es nie in Ivos Leben, und über die Jahre gab es auch immer wieder Reiterinnen, die sich während eines Trails in ihn verliebten. Ins Detail geht Ivo nicht, er lächelt nur vielsagend und sagt dann, diese Anziehung habe nicht nur mit dem Reiten zu tun. Sondern damit, dass Frauen Männer mögen, die stark sind, beschützend und furchtlos.

Ivo musste seinen ganzen, rauen Charme einsetzen, um die Schweizerin zu erobern

Ivo redet nicht gern über Gefühle, lieber erzählt er Geschichten, in denen Furcht nicht vorzukommen scheint: Er galoppierte einst mit einem durchgehenden Hengst zum nächsten Pferdemarkt, und als er dort ankam, verschwitzt und mit blutigen Händen, da entschied er sich, das Tier doch nicht zu verkaufen. Er schnitt sich vor einiger Zeit mit einer Kreissäge beinahe die Hand ab und fuhr dann selbst mit dem Jeep ins Spital, weil alle anderen einer Ohnmacht nahe waren. Er wagte sich während des Kriegs als Einziger bis ins Kampfgebiet, weil er überzeugt war, dass weder Kroaten noch Serben je auf Pferde schiessen würden. Das sind die Geschichten, die Ivo erzählt.

Als die Zürcherin Isabel Urech im vergangenen Jahr nach Kroatien reiste, schien ihr die Reise schon sehr, sehr abenteuerlich. Denn die einwöchigen Trecks sind keine Luxusferien: Man striegelt und sattelt die Pferde selbst, man sitzt täglich bis zu sieben Stunden im Sattel und übernachtet inmitten der Natur oder in einfachen Gasthöfen. Zwar reitet Isabel seit ihrer Kindheit, doch in den letzten Jahren vor allem auf dem Sandplatz. In einem Zelt hatte sie seit langer Zeit nicht mehr geschlafen. Es war ihr auch nie danach. Und nun entdeckte sie an sich Seiten, die sie längst vergessen hatte und die tief unter dem Schweizer Alltag begraben lagen. Plötzlich übernachtete sie gern unter freiem Himmel, sie wusch sich in eiskalten Seen, galoppierte begeistert über weite Felder, und als der Reittrail endete, da war sie verliebt: in das Land, in die Pferde, in dieses andere Leben – und ein bisschen auch in Ivo. Und weil sie das nie geplant hatte, musste Ivo seinen ganzen, rauen Charme einsetzen, um die Schweizerin zu erobern. Schon wenige Wochen später kehrte Isabel nach Kroatien zurück, ritt einen zweiten Trail mit (ein Mann, sieben Frauen), dann noch einen dritten (kein Mann, zwölf Frauen). Dieses Jahr im April hat Isabel eine mehrmonatige Auszeit von ihrem Job als IT-Projektmanagerin genommen, seither lebt sie auf Ivos Ranch und führt die Reittrails selbst an. Minutiös hat sie sich die Routen eingeprägt, die steilen Bergpassagen, die engen Felsschluchten, die Grasflächen, die sich für einen schnellen Galopp eignen.

Ivos Pferde sind temperamentvoll und schnell, und es kommt oft vor, dass einzelne Reiter auf den Trails überfordert sind. Diesmal aber begleitet Isabel eine ausgeglichene Gruppe: Brigitte und Peter aus der Region Bern verbringen ihre Ferien regelmässig im rauSattel. Katja und Joachim besitzen in Süddeutschland eigene Pferde. Holger und Kathrin kommen aus der Region Ulm. Während er seit mehr als zwanzig Jahren reitet, ist sie ein wenig aus der Übung, hat sich aber mit Reitstunden und Krafttraining seriös auf den Trip vorbereitet. Die Überquerung der Cetina am vierten Tag stellt dann trotzdem alle auf die Probe. Gerade noch ist die Gruppe im gestreckten Galopp über ein Feld geprescht, nun stehen die Reiterinnen und Reiter seit Minuten im eisig kalten Wasser und versuchen, auf die andere Seite zu gelangen, zu einer flachen Stelle, bei der die Pferde leicht aussteigen können. Noch einmal ruft Isabel: «Vorwärts, flussaufwärts», noch einmal treiben die Reiterinnen und Reiter ihre Tiere gegen die Strömung. Die ersten drei Pferde erreichen die Böschung, die hinteren drei werden ein Stück abgetrieben, suchen nach einer anderen Ausstiegsstelle, schliesslich schaffen es alle Reiter ans Ufer. Strahlend sitzen sie im Sattel, atemlos und nass bis zu den Hüften. Doch Zeit für eine Pause bleibt noch nicht, die Tiere brauchen Bewegung nach der Kälte, und so trabt man zügig den Flusslauf entlang, klettert über einen Hügel und reitet dann weiter bis zum Perucko-See.

Die Reise führt auf Felsgebirge, durch Flüsse, Canyons und über eine weite Prärie

Dort warten Ivo und Steffi, eine junge Deutsche, die für zwei Monate als Volontärin mithilft. Seit Isabel da ist, überlässt Ivo ihr das Reiten, er begleitet die Gruppen im Jeep, transportiert Gepäck und Zelte, spannt mit Steffi mittags und abends Zäune für die Pferde, kocht kroatische Spezialitäten und löst alle Probleme, die in seiner Heimat so anfallen. Auf ein Pferd steigt er nur noch, wenn es ein besonders schwieriges ist, mit dem niemand sonst zurechtkommt. «Ich bin sechzig Jahre alt», sagt er, «und fünfzig davon habe ich im Sattel verbracht. Ich bin froh, wenn ich nicht mehr jeden Tag reiten muss.» Ivo sitzt am Ufer des Perucko-Sees und brät Cevapcici auf dem Gaskocher. Noch ist keine Eile. Ivo hört die Hufe, lange bevor die Pferde auf der Hügelkuppe auftauchen. Die Flussüberquerung hat er vom Ufer aus mitverfolgt, keine leichte Aufgabe, sagt er, er habe schon einmal beinahe ein Pferd verloren, weil jemand im tiefen Wasser nicht abspringen wollte. Diesmal aber habe die Gruppe die Cetina gar nicht schlecht gemeistert. Selbst wenn Ivo nicht mitreitet, bleibt er doch die Instanz. Sagt er von einem Gast, er sei ein wirklich guter Reiter, trägt dieser das Kompliment wie einen Orden. Aber Ivo sagt das nicht oft. Brigitte, die Bernerin, sei ziemlich gut. Und Steffi, die Volontärin. Und Isabel – «ja, Isabel ist wirklich auch nicht schlecht».

Jeder Tag führt tiefer ins kroatische Hinterland, und mit jedem Tag werden die Reiter besser. Man galoppiert und erklimmt Berge, überwindet Abhänge und tückische Gräben, durchquert noch weitere Flüsse, schwimmt in der Quelle der Cetina und tränkt die Pferde an ihrem Ufer. Schaf- und Ziegenherden kreuzen den Weg, in den kleinen Dörfern winken die Einheimischen den Reitern zu, denn jeder kennt hier Ivos Pferde. Und so sehr die Landschaft an die Winnetou-Filme erinnert – Ivo sorgt dafür, dass seine Heimat keine Kulisse bleibt. Immer wieder tauchen Freunde von ihm auf, zum Mittag- oder Abendessen, sie bringen Schnaps mit oder herben Weisswein und erzählen ihre Geschichten, die oftmals vom Krieg handeln. Denn auch 15 Jahre später sind die Narben des Konflikts noch immer sichtbar: Ivo weist auf Geisterdörfer hin, in die sich die serbische Bevölkerung nicht zurücktraute. Auf Einschusslöcher in Mauern. Auf Tafeln, die vor Minen warnen, und Häuser, deren fehlende Dächer verraten, dass sie einst ausgebrannt wurden. Obwohl Ivo Kroate ist, hat er auch Serben geholfen, die in Not geraten sind, und das tut er bis heute. Sein Koch auf der Ranch ist ein Serbe, der beinahe verhungert wäre, weil ihm niemand etwas zu essen geben wollte. Die Familie, bei der die Reitgruppe an einem Abend zu Gast ist, ist serbisch, «und sie können das Geld wirklich brauchen», sagt Ivo. Und als die Reiter unterwegs einem kriegsversehrten Schäfer begegnen, verspricht er diesem spontan Hilfe, um zu mehr Tieren zu kommen. Ivo hat ein Herz, das weit ist wie der Himmel über seiner Heimat, er beurteilt die Menschen nach ihren Taten, nicht nach ihrer Herkunft. Schliesslich habe diesen blödsinnigen Krieg weder die kroatische noch die serbische Volksgruppe angezettelt, sagt er: «Es war die grosse Volksgruppe der Idioten auf beiden Seiten.»

Es ist später Freitagabend, als die kleine Gruppe auf Ivos Ranch zurückkehrt. Die Beine sind etwas steif, der Hintern schmerzt, doch die Zeit, der Horizont und die eigenen Grenzen haben sich geweitet. Sachte zirpen die Grillen in der Dämmerung, der Wind trägt das Wiehern von der Koppel zum Haupthaus. Isabel begrüsst ihre beiden Hunde, die jemand am Strassenrand gefunden und auf die Ranch gebracht hat, und den namenlosen jungen Esel, der im Garten herumtollt. Ivo sitzt auf der Terrasse und trinkt ein Glas von einem Weisswein, den ihm ein dankbarer Mensch geschenkt hat. Es ist ein stiller, glücklicher Moment, doch wie es mit den beiden weitergeht, steht in den Sternen, die gerade zu leuchten beginnen. Isabel wird im Winter in die Schweiz und an ihren Bürotisch zurückkehren, «auch wenn ich mir mein altes Leben im Moment kaum vorstellen kann», sagt sie, bevor sie einen Sattel hochhebt und im Stall verschwindet. Ivo blickt ihr nach. Für ihn, sagt er, sehe sie aus wie ein junges Mädchen. So klein, so zart, «aber hast du ihre Hände gesehen?», fragt Ivo dann. «Isabel hat die Hände einer starken Frau.»

Infos

Ivo Kurobasas Reittrails finden von April bis November statt. Der beschriebene Trail ist der «Abenteuertrail Dalmatien», der ins kroatische Hinterland und rund um den Perucko-See führt. Daneben gibt es den «Plitvice-Trail» zum gleichnamigen Nationalpark. Beide Trails dauern eine Woche und kosten rund 1000 Euro inklusive Verpflegung. Und für beide ist mehrjährige Reiterfahrung zwingend erforderlich!
Infos und Termine: www.equestrianclubsplit.com
Ivo Kurobasas Ranch liegt rund eine Stunde vom Flughafen Split entfernt, der von vielen Fluggesellschaften angeflogen wird.

Weitere Reiterreisen, auch für Anfänger, finden sich im Katalog von Pegasus-Equitour
Tel. 061 303 31 01
www.reiterreisen.com

Infos zu Kroatien
Kroatische Zentrale für Tourismus
Badenerstrasse 332, Zürich
Tel. 043 336 20 30
www.visitkroatien.ch

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