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Camping: Wir sind so frei

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Camping: Wir sind so frei

  • Redaktion: Frank Heer; Fotos: Roberto Ceccarelli

Happy Camping - annabelle hat fünf Kurztrips getestet. Schnappen Sie sich ein Zelt, und erleben Sie eine Auszeit der anderen Art.

Ein Ausflug mit dem Zelt kann Beziehungen kitten, Demut lehren – und sogar den Arbeitsalltag beleben. Das zeigen unsere fünf Kurztrips der anderen Art.

TCS-Camping Fanel, Gampelen BE
Anti-Aging für die Liebe
Zelten ist die beste Paartherapie, findet annabelle-Autorin Barbara Klingbacher, weil man plötzlich den Helden in ihm wieder entdeckt.

Was raten Ehetherapeuten, wenn ein Paar seine Beziehung auffrischen will? Auszeiten. Gespräche. Mehr Nähe, gemeinsame Erlebnisse. Für gewöhnlich geht man dann schön essen, bei Kerzenlicht, man bucht ein Wochenende im Wellnesshotel oder fliegt gleich auf die Malediven. Und irgendwann glaubt man, dass ein Candlelightdinner romantischer ist als ein Eintopf über dem Gaskocher. Dass uns Partner-Ayurveda-Massagen näher bringen als gemeinsames Schwimmen im See. Dass ein mit Rosenblättern bestreutes Hotelbett besseren Sex verspricht als zwei Luftmatratzen im Zelt.

Dabei brauchten wir das früher doch alles nicht. Rucksack, Gaskocher, Zelt, zwei Menschen, die sich mögen – das reichte, um glücklich zu sein. Als wir noch versuchten, möglichst wenig Geld in möglichst viele gemeinsame Tage zu verwandeln. Es sind Bilder, die man nicht vergisst: Wie bettelnde Kängurus unser Zelt in Australien belagerten. Wie die Dämmerung im sommerlichen Schweden die ganze Nacht andauerte. Wie wir Binnenländer in einer irischen Bucht die Flut vergassen und von Wellen geweckt wurden, die ans Aussenzelt schwappten.

Campieren ist wie Anti-Aging für die Beziehung. Wenn man sich darauf einlässt und nicht ständig denkt: stattdessen. Stattdessen ist ein wichtiges Wort für Paare, schliesslich soll aus einem Minimum an Zeit das Maximum an Intimität herausgeholt werden. Hätte man stattdessen doch nur in einem Romantikhotel eingecheckt!, denkt man, wenn die Heringe nicht greifen im sandigen Uferboden des Neuenburgersees. Oder wenn es viel zu heiss ist im Zelt, weil man es, alte Campingregel, nicht im Schatten aufgestellt hat, sondern dort, wo der Schatten am nächsten Morgen sein wird, damit man um sechs Uhr in der Früh nicht in einer Sauna aufwacht.

Und dann diese Stechmücken! Und erst die Gemeinschaftsduschen. Blitzsauber zwar hier in Gampelen, aber trotzdem: genügend Gründe, um «stattdessen» zu sagen. Oder sich zu streiten. Aber das tut man nicht. Stattdessen: Man lacht. Man kämpft gemeinsam gegen Heringe und Mücken. Man watet einen Kilometer weit hinaus in den See, der sich unglaublich sanft vertieft, geht schwimmen, die Hitze ist vergessen. Man streift über das riesige Gelände, ein Naturschutzgebiet, fast zwölf Hektaren gross, mit vielen Hundert Stellplätzen, mit Spielwiesen, Waldflächen, eigenem Hafen, Schilf und unzähligen Vögeln.

Man tut längst vergessene Dinge: Ein Pedalo mieten. Pingpong spielen. Dem Kinderanimator zuschauen. Mit wildfremden Menschen plaudern. Abends dann ist es kein bisschen unbequem, auf einer Decke vor dem Zelt am Ufer zu sitzen, die Haare noch feucht vom See. Man wird lachen und reden und eine weitere Flasche mit dem Sackmesser öffnen, man wird zum Himmel hinaufsehen, beobachten, wie er dunkler wird, wie sich Gewitterwolken vor die Sterne schieben, und schliesslich flüchten in die selbst gebaute Höhle. Es wird blitzen und donnern, der Regen wird aufs Zelt prasseln, aber das alles macht nichts, denn dies, das spürt man, ist einer dieser Tage, die man nicht mehr vergisst.

Es ist leicht, ihn zu lieben, wenn Hotelprofis für die richtige Stimmung sorgen. Stattdessen: Man muss ihn lieben, weil er in Windeseile ein Zelt aufstellen kann. Weil er es schafft, ein Menü auf einer einzigen Gasflamme zu kochen. Weil er einem die Angst vor den Blitzen nimmt. Weil es eigentlich nicht mehr braucht, um mit diesem einen Menschen glücklich zu sein. Immer noch. Und wer das nicht romantisch genug findet, ist vielleicht schon tot.

TCS-Camping Fanel, Gampelen
Tel. 032 313 23 33
www.reisen-tcs.ch

Zeltplatz ab 22.60 Fr./2 Personen.
Direkt am Neuenburgersee im Natur- und Vogelschutzgebiet Fanel. Strand, Swimmingpool, Restaurants, sanitäre Anlagen, Mietcaravans. Ruhig und familiär.

Text: Barbara Klingenbacher
Campeggio Campofelice, Tenero TI
FlipFlop-Feeling
Es ist schön, etwas Verlorenes wiederzufinden. Noch schöner aber ist, dass man es gar nicht vermisst hatte.

Wenn man so der Länge nach auf dem Rasen liegt, kriegt die Welt ein ganz anderes Gesicht. Der Himmel und der Lago Maggiore weiten sich, die Beine der Geliebten werden vom Boden aus betrachtet lang und länger, und plötzlich entdeckt man zwischen Vor- und Innenzelt den Halbschuh, der seit Tagen unauffindbar gewesen war. Man hat ihn – tagein, tagaus barfuss gehend – auch gar nicht vermisst, auf dem geteerten Strässchen zum Yoga-Kurs am Sandstrand oder zur Kajakvermietung an der Verzasca. Ihn zu tragen, wäre falsch gewesen an der Grillstelle des grössten Campingplatzes der Schweiz, und auf der Bocciabahn hätte er spiessig gewirkt. Niemand geht in Halbschuhen auf den Vitaparcours, die Laufbahn, die BMX-Piste oder in den Klettergarten. Selbst in der Snackbar oder im Supermarkt des Campingplatzes wäre er unangebracht gewesen, verräterisch wie eine  Aktenmappe. Und so war der Halbschuh in den vergangenen Tagen einfach nicht mehr da.

Und war Schuhwerk mal unumgänglich, etwa weil der Boden unter der Tessiner Sonne so heiss war, dass es einem schier die Fusssohlen versengte, oder weil man abends mit den neu gewonnenen Kollegen in ihrem Caravan ein Glas Rotwein trank, dann taten es Flipflops. Schuhe waren in diesen Tagen nur ausserhalb des Campingplatzes Campofelice denkbar, aber es gab keinen Grund, diesen zu verlassen.

Manchmal freilich erinnerte man sich daran, den Halbschuh am Tag der Ankunft abgestreift zu haben, aber man hatte seine Existenz nahezu vergessen, fast so wie den Business- und den Waschplan zu Hause. Bis man sich in dieser unbeschwerten Vollkommenheit sommerlichen Glücks träge auf den Rasen legte, den weissen Wölkchen und den weissen Schaumkrönchen auf den Wellen nachschaute und den natürlich gebräunten Beinen der Geliebten, die nicht wissen kann, dass man eben den Halbschuh entdeckt hat, und die einen deshalb erstaunt anschaut und fragt: «Was grinst du so?» Um ihr dann seelenruhig zu entgegnen: Ich habe nur gerade gedacht, ohne dich wäre das Leben nur halb so schön.

Campeggio Campofelice
Via alle Brere 7, Tenero
Tel. 091 745 14 17
www.campofelice.ch

Zeltplatz ab 41 Fr. für 2 Personen.
860 Plätze für Zelte und Caravans, fast alle mit Elektroanschluss, 350 mit Kabel-TV, direktem Trinkwasseranschluss, Kanalisation und W-Lan.

Text: Peter Ackermann
Felsvorsprung, Wallis
Tausend-Sterne-Hotel
Wild campieren ist in der Schweiz verboten. Was passiert, wenn man es trotzdem tut?

Er wird uns erwischen, der Bauer, uns zornig schnaubend aus dem Zelt zerren und mit seiner Mistgabel verjagen. «Macht, dass ihr wegkommt», wird er toben, «oder ich hole die Polizei!» Genau so habe ich mir Campieren in freier Natur vorgestellt.

Alles ist anders. Ich wünschte, der Bauer wäre hier, doch ich bezweifle, dass jemals ein Mensch war, wo wir jetzt sind, umringt von Bergen, die Baumgrenze weit unter uns. Das Handy ist seit Stunden nur noch für Notrufe bereit. Spät sind wir losgelaufen, aufgeregt wie Kinder vor dem ersten Schulausflug; mit Zelt und Schlafsack, iPhone samt GPS-App und dem Gedanken an die Nacht am Ufer des schönen Bergsees, den Google Earth uns anzeigt.

Die Schatten wachsen, unsere Gesichter leuchten rot vom späten Sonnenlicht. Der Weg hat sich vor Stunden verloren. Irgendwo hier müssen wir hinauf, meint das iPhone, dort hinter dem Gipfel muss er sein, der See, ganz sicher! Der Hang wird steiler, der Rucksack schwerer. Bald müssen wir uns an Stauden klammern oder an knöchelhohes Gras. Ein Stein löst sich und hüpft wie ein Ball an uns vorbei. Meine Beine zittern, die Knie sind längst blutig, die Murmeltiere pfeifen. Ich will zurück. Schon kriecht die Nacht aus dem Tal empor. Den Bergsee von Google Earth haben wir abgeschrieben. Wir brauchen dringend einen Platz zum Schlafen. Doch wie sollen wir zwischen all dem Geröll eine halbwegs ebene Stelle finden? Auch das iPhone weiss nicht weiter. Dann, endlich entdecken wir auf einem Vorsprung eine zelttaugliche Stelle.

Im Schein der Stirnlampe schlagen wir die Heringe ein, kochen Penne fast ohne Wasser, nippen am Wein, den wir mitgeschleppt haben, schauen in den Sternenhimmel – und sind glücklich. Erschöpft werden wir später ins Zelt kriechen, den harten Boden verfluchen, von wilden Tieren, goldenen Ringen und Einbrechern träumen, viel zu früh aufwachen, leicht genervt aus dem Zelt kriechen – und in Andacht erstarren: diese Berge, diese Weite, dieser Himmel! Und mitten drin nur wir und das Zelt. Weit und breit kein Bauer in Sicht.

Irgendwo in den Walliser Bergen auf 2570 Meter über Meer
Nachahmung auf eigene Gefahr!

Text: Denise Jeitziner
TCS-Campingplatz Bella Riva, Gordevio TI
«Nur wird beide»
Vater und Sohn (4) reisen für ein perfektes – will heissen: frauenloses – Wochenende ins Tessin an die schöne Maggia.

Nach zweieinhalb Stunden Autofahrt die Erlösung auf dem Parkplatz des Campingplatzes Bella Riva in Gordevio.
Lino: «Sind wir jetzt endlich da?!»
Papa: «Wir waren zwar nur zweieinhalb Stunden unterwegs, aber: Ja, wir sind da. Lass uns aussteigen.»
Lino: «Wow, das ist jetzt also ein Wohnauto! Papa, ich sehe die Kupplung!»
Papa: «Es ist sogar unser Wohnmobil, da steht die gleiche Zahl drauf wie auf dem Schlüssel, siehst du? Lass uns reingehen. Schau mal, was es da alles gibt …»
Lino: «Eine Küche! Ein ganzer Schrank voller Geschirr und Pfannen und ein Abwaschbürsteli. Papa, da können wir richtig kochen und abwaschen!»
Papa: «Nein, nein, das lassen wir alles, wie es ist. Wir werden in der Pizzeria essen, ich habe eine gesehen auf dem Campingplatz.»
Lino: «Und schau mal, da hats sogar eine Toilette. Gell, das haben die Zelte nicht, oder? Du wie macht man das in einem Zelt, wenn man mitten in der Nacht aufs WC muss?»
Papa: «Da muss man dann halt quer über den Zeltplatz gehen. Mit einer Taschenlampe.»
Lino: «Jetzt will ich zum Fluss runter.»
Papa: «Okay, machen wir.
Lino: «Einfach barfuss?»
Papa: «Auf jeden Fall.»
Lino: «Und dann werfen wir Steine in den Fluss. Und wir sammeln grosse Äste und werfen sie auch in den Fluss.»
Papa: «Genau. Das können wir jetzt ganze zwei Tage lang machen.»
Lino: «Nur wir beide.»
Papa: «Findest du es cool, dass nur wir beide hier sind?»
Lino: «Ja, keine kleine Schwester, kein Babygeschrei. Nur wir beide.»

TCS-Campingplatz Bella Riva
Gordevio
Tel. 091 753 14 44
www.reisen-tcs.ch
Ausgerüsteter Wohnwagen für maximal vier Personen ab 140 Fr./Nacht.
Der Platz liegt direkt an der Maggia. Rasengelände mit schönen Parzellen, das Ufer der Maggia ist steinig und steil, baden ist
aber auch für kleine Kinder unter Aufsicht möglich. Sanitäre Anlagen, Laden, Restaurant, Imbiss. Ganze Anlage frisch renoviert. Sehr ruhig.

Aufgezeichnet von Julia Hofer
Camping Seebucht, Zürich
Tschüss, Chef!
Kein Geld für Capri? Keine Zeit für Ferien? Kein Problem. Es geht auch so:

Punkt 17 Uhr erklären Sie Ihrem Chef, dass Sie einen wichtigen Arzttermin haben und früher gehen müssen. Ihre Reisetasche haben Sie schon am in einem Schliessfach am Bahnhof zwischengelagert. Von dort steigen Sie in ein Tram. In diesem Fall Richtung Wollishofen, am Stadtrand von Zürich. Nach gut zwanzig Minuten verlassen Sie das Tram, lockern Krawatte, werfen das Jackett über die Schulter und setzen sich die Sonnenbrille auf. Dann spazieren Sie pfeifend hinunter zum See. Am Empfang des Campingplatzes Seebucht bezahlen Sie 28 Franken 60 für Ihren Rasenplatz inklusive Abfallentsorgung und Steuern.

Unter Schatten spendenen Weiden zaubern Sie ein handliches Zweierzelt aus der Reisetasche und stellen es direkt am Ufer auf. Sie werfen Schlafsack und Schlafmatte hinein, ziehen die Badehose an und tauchen für einen Feierabendschwumm in den See. Reicht gerade noch, sich an der Sonne trocknen zu lassen, dann ziehen Sie sich um (Shorts, Sandalen, Hawaihemd) und schlendern hinüber zum Kulturzentrum Rote Fabrik. Dort essen Sie im Restaurant Ziegel oh Lac einen griechischen Biosalat und trinken einen gespritzten Weissen. Zufällig spielt später gerade Jello Biafra von den Dead Kennedys (Hit: «California über alles») auf der Freiluftbühne unter den Mammutbäumen. Sie trinken zufrieden ein grosses Bier, wippen mit dem Fuss im Takt und sehen den Jungen beim Pogo-Tanzen zu.

Gegen Mitternacht schwanken Sie zurück auf den Zeltplatz. Der See plätschert leise, die Grillen zirpen, und die elektrischen Gitarren von vorhin pfeifen noch in den Ohren. Dann kriechen Sie ins Zelt. Am nächsten Morgen fühlen Sie sich erst gerädert (Sie haben bei der Matratze gespart), doch Knochen und Wirbelsäule lockern sich schnell nach einem munteren Schwumm im glitzernden See. Beim Café complet auf der Imbissterrasse rufen Sie ein Wassertaxi, das Sie pünktlich um 9 Uhr bei der Bootsanlegestelle abholt. Die Möwen kreischen verheissungsvoll, das Boot tuckert, der Fahrtwind bläst Ihnen ins Gesicht, die Stadt rückt langsam näher. Um 9 Uhr 30 gehen Sie beim Hotel Storchen an Land, binden sich die Krawatte um, steigen ins nächste Tram und sind mit einer Stunde Verspätung wieder im Büro. Wenn der Chef fragt: Sie hatten ein wichtiges Meeting mit einem Kunden.

Camping Seebucht
Seestr. 557, Zürich
Tel. 044 482 16 12
www.fischers-fritz.ch
Zeltplatz Seeseite 28.60 Fr./Person.
Der kleine Campingplatz wurde kürzlich vom Szene-Gastronom Michel Péclard übernommen. Gute sanitäre Einrichtungen, saubere Anlage, internationale Camper.
Wassertaxi: Tel. 078 730 96 30 oder 044 928 18 11

Text: Frank Heer