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«Wir machten ein Ritual daraus, die Pillenpackung zu entsorgen»

Kinderwunsch

«Wir machten ein Ritual daraus, die Pillenpackung zu entsorgen»

  • Text: Karin Winkler; Bild: Getty Images

Enttäuschung, Druck, Frust: Sebastian und Julia erzählen in ihrer ganz persönlichen Geschichte, wie belastend der unerfüllte Kinderwunsch für sie war.  

Selten beginnt in der heutigen Zeit eine Liebesgeschichte so früh, wie die von Sebastian und Julia. Die beiden haben sich bereits in der 8. Klasse kennen und lieben gelernt. Und trotz dieser tiefen Verbindung gab es einige Hürden zu meistern, zum Beispiel als Sebastian beschloss, während seines Ingenieurs-Studiums für ein Jahr auf einem Schiff mitzufahren.

Keiner der beiden ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass nicht die einjährige Trennung die grösste Hürde darstellte, die mit dieser Seefahrt verbunden war. Denn durch Sebastians Arbeit im Heizungsraum des Schiffes, wurde vermutlich seine Fruchtbarkeit eingeschränkt. 

Wir machten ein Ritual daraus, die Pille abzusetzen

«Der Tag, an dem wir geheiratet haben, war auch gleichzeitig der Tag, an dem ich die Pille absetzte. Wir waren beide 27 Jahre alt, hatten unser Studium beendet und jeder einen sicheren Job. Es war für uns klar, dass wir jetzt Kinder haben wollten», erzählt Julia und Sebastian ergänzt: «Wir machten ein richtiges Ritual daraus, die Pillenpackung zu entsorgen und dachten natürlich wie viele andere Paare auch, dass es selbstverständlich gleich im ersten Monat klappen würde.»

Leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Breits nach den ersten sechs Monaten wuchs nicht nur die eigene Enttäuschung, sondern auch der Druck von aussen.

Der Druck von aussen wuchs 

Freunde, Eltern, Grosseltern, Arbeitskollegen und selbst die Nachbarn fragen uns gefühlt täglich, wann es denn endlich Nachwuchs geben würde. Diese Nachfragen setzten uns zusätzlich unter Druck, unter dem natürlich auch unser Liebesleben litt. Ich begann damit, mich näher mit dem Thema Kinderwunsch zu beschäftigen und kaufte mir Teststäbchen, um meinen Eisprung zu ermitteln», so Julia.

«Ich nahm Nahrungsergänzungsmittel, besorgte mir spezielle Tees in der Apotheke und ging sogar zu einer Akupunktur, die speziell für Frauen mit Kinderwunsch angeboten wird. So ging das weitere sechs Monate, bis ich einen Termin bei meinem Frauenarzt machte», erzählt sie.

Anruf beim Urologen war «unangenehm»

Dieser stellte jedoch keine Auffälligkeiten fest. Nach einigen Hormontests, Ultraschall- Untersuchungen und einer Eisprungkontrolle konnte der Arzt keine körperlichen Einschränkungen erkennen. Jetzt musste sich also Sebastian untersuchen lassen. «Das war für mich ein enormer Schritt», erzählt er. «Schon den Anruf beim Urologen und dann das Spermiogramm machen zu lassen, empfand ich als sehr unangenehm.»

Noch schwieriger wurde es für ihn allerdings, als die Ergebnisse kamen. Die Fruchtbarkeit war eingeschränkt, die Spermien viel zu langsam und auch die Spermienanzahl stark verringert. Es blieb also nur der Gang in eine Kinderwunschklinik. Es dauerte vier Monate bis zum Termin.

«Wir wurden dort beide noch einmal gründlich untersucht und besprachen die Ergebnisse mit dem Spezialisten. Es bestätigte sich, dass Sebastians Spermiogramm sehr schlecht war. Der Arzt vermutete, dass die vielen Monate im Heizraum des Schiffes damals eine Ursache dafür sein könnten, dass die Spermienqualität dauerhaft eingeschränkt war. Der Kinderwunsch-Arzt schlug uns zwei Behandlungsoptionen vor: Eine Insemination, die in unserem Fall aber nur etwa 10 bis 15% Erfolgschancen hatte oder eine ICSI. Da wir aber beide noch so überrumpelt waren und uns erst langsam an den Gedanken gewöhnen mussten, dass wir unseren Kinderwunsch nicht auf natürliche Weise erfüllen können, entschieden wir uns für die schonende Methode der Insemination.»

«Irgendwie hofft man ja doch immer auf ein kleines Wunder» 

Das Paar brachte zwei Inseminationen hinter sich – ohne Erfolg. «Auch wenn die Chancen von Anfang an nicht so hoch waren, waren wir jedes Mal sehr enttäuscht», erinnert sich Sebastian. «Irgendwie hofft man ja doch immer auf ein kleines Wunder.» Nach der zweiten erfolglosen Behandlung riet der Arzt dann zu einer ICSI-Behandlung. «Das war schon eine ganz andere Nummer», erzählt Julia. «Jetzt waren noch viel mehr Medikamente, Hormone und Spritzen nötig und dann eine Narkose zur Entnahme der Eizellen. Davor hatte ich schon grossen Respekt. Und irgendwie blieb auch immer das komische Gefühl, dass jetzt – hoffentlich – unser Kind gezeugt werden würde.» Sebastian sagt: «Als Julia aus der Narkose wach wurde, durfte ich zu ihr und ihr die freudige Nachricht überbringen: 10 intakte Eizellen.»

«Wir fingen beide noch am Telefon an zu weinen»

Fünf Tage später wurden zwei Eizellen eingesetzt und dann begann das Hoffen und Bangen. «Die Tage zogen sich wie Gummi. Ich bildete mir jeden Tag neue Anzeichen ein und dann war es endlich so weit: Der Bluttest in der Klinik. Am Nachmittag um 14 Uhr sollten wir anrufen und die Ergebnisse erfragen. Vorab überraschte uns aber eine Schwester mit einem Rückruf: Positiv. Ich war schwanger! Wir fingen beide noch am Telefon an zu weinen.»

Der Arzt stellte im Ultraschall sogar zunächst Zwillinge fest, von denen sich einer aber leider nicht weiterentwickelte. Julia und Sebastian sind heute stolze Eltern einer kleinen Tochter, die gerade drei Jahre alt geworden ist. «Sie ist unser ganzes Glück und der ganze Aufwand hat sich gelohnt!», erzählt Julia. «Jetzt möchten wir unser Glück noch einmal herausfordern und planen die nächste ICSI für ein Geschwisterchen», ergänzt Sebastian.

Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit kinderwunschinfo.ch entstanden.