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«Das Thema IVF wird totgeschwiegen»

Kinderwunsch

«Das Thema IVF wird totgeschwiegen»

  • Interview: Nathalie Wiederkehr, Bild: Unsplash   Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit kinderwunschinfo.ch entstanden.

Ein unerfüllter Kinderwunsch belastet, doch auch die Suche nach einer passenden Lösung ist oft überfordernd. IVF Coach Nathalie Wiederkehr im Gespräch mit einer Patientin über ihren Weg zum Wunschkind und über die Schwierigkeiten dabei – nicht zuletzt auch aufgrund der Corona-Pandemie.

Nathalie: Wollten Sie schon immer Kinder haben?

Patientin: Der Kinderwunsch ist seit jeher ganz tief in mir verankert. Ich bin selbst als Scheidungskind aufgewachsen und wollte immer eine grosse Familie haben, mindestens drei oder vier Kinder. Schon während meiner Ausbildung war der Wunsch nach einem Kind sehr gross, trotzdem wollte ich diese erst einmal abschliessen, Geld verdienen und ein bisschen reisen. Ich bin immer fest davon ausgegangen, dass das mit dem Kinderkriegen selbstverständlich ist und sofort funktioniert. Deswegen hatte ich mit Mitte Zwanzig auch noch gar keinen Druck.

Wann hatten Sie denn zum ersten Mal aktiv versucht, ein Kind zu bekommen?

Mit Mitte Zwanzig habe ich meinen Mann kennengerlernt und wollte spätestens Ende Zwanzig mein erstes Kind auf dem Arm halten. Doch mein Mann war leider noch nicht so weit und so vergingen noch ein paar Jahre bis auch er bereit war. Ich setzte die Pille ab und dann passierte erst einmal nichts. Ich probierte vieles aus – Homöopathie, chinesische Medizin – am Ende waren es dann anderthalb Jahre bis zum positiven Schwangerschaftstest. Mit 34 Jahren habe ich mein langersehntes Wunschkind im Arm gehabt.

Sie haben mir erzählt, dass Sie heute geschieden sind. Warum hat die Ehe nicht gehalten?

Das hatte verschiedene Gründe, aber hauptsächlich lag es an einer nicht erkannten Eileiterschwangerschaft, die zu spät entdeckt wurde. Ich wäre daran fast gestorben, wollte aber trotzdem weitere Kinder. Mein Mann wollte das nicht. Daran scheiterte am Ende die Ehe.

Der Kinderwunsch war weiter da. Wie sind Sie damit umgegangen?

Ja, den Kinderwunsch kann man ja durch eine Scheidung nicht einfach ablegen. Ich ging irgendwann eine neue Partnerschaft ein und führte mit meinem Partner über fünf Jahre lang Gespräche über dieses Thema. Er war unschlüssig, wollte vielleicht ein Kind, vielleicht aber auch nicht. Als ich 42 Jahre alt war, kam dann die endgültige Entscheidung: Nein, Kinder könne er sich mit mir nicht vorstellen. Auch diese Beziehung zerbrach, denn mir war klar, dass er mich all die Jahre nur hingehalten hatte und eigentlich von Anfang an wusste, dass für ihn eine Kinderplanung nicht infrage kam.

Und noch immer hatten Sie einen Kinderwunsch!

Ja genau. Ich verspürte weiterhin einen tiefen Wunsch, ein weiteres Kind zu bekommen und trotzte dabei auch allen vernünftigen Argumenten, die Freude und Familie vorbrachten. Zeitweise versuchte ich auch, mich abzulenken, Sport zu treiben, neue Hobbies auszuprobieren, zu reisen. Ich kam jedoch nie an den Punkt, den ich so oft von anderen hörte: Es ist gut, so wie es ist. Mein Kinderwunsch blieb.

Über 40 und keinen Partner. Wie wollten Sie Ihren Kinderwunsch dann verwirklichen?

Ich habe mich mit dem Thema Solo-Mamas und IVF-Behandlungen im Ausland vertraut gemacht. Erst war das noch ganz weit weg für mich, eine Sache die eben nur andere machen. Je mehr ich mich damit auseinandersetze, desto klarer wurde mir aber, dass dies mein Weg sein würde. Gleichzeitig suchte ich mir eine Unterstützung und fand hier bei «Your IVF Support» im Coaching seitdem eine tolle Unterstützung. Sie haben mir am Ende den Mut gegeben, diesen Schritt zu gehen. Mich hat beeindruckt, wie Sie ganz ohne Scheu mit diesem Tabuthema umgegangen bist.

Haben Sie denn im Freundeskreis die Erfahrung gemacht, dass IVF noch ein Tabuthema ist?

Ja, auf jeden Fall. Das Thema IVF wird totgeschwiegen und hat auch im Freundeskreis keinen Platz. Ich habe mich immer wie ein absoluter Aussenseiter gefühlt mit einem unerfüllten Kinderwunsch. Vermutlich geht es vielen so, aber man spricht eben einfach nicht darüber.

Wie konnte Ihnen das Coaching konkret helfen?

Im Internet kann man viele Informationen finden, aber nichts über das konkrete Vorgehen. Oftmals dürfen Ärzte das auf ihren Seiten auch nicht so offen kommunizieren. Es ist sehr mühsam, darüber etwas herauszufinden und umso hilfreicher war es, dass ich im Coaching dazu konkrete Informationen bekommen habe.

Wie sind Sie dann konkret weiter vorgegangen?

Ich sammelte erst einmal ganz viele Informationen, nahm Kontakt mit ausländischen Kliniken auf und überlegte mir, was für mich moralisch und finanziell infrage kommt.

Wie ist denn der aktuelle Stand der Behandlung?

Aktuell befinde ich mich in der Vorbereitung für meine Embyonenspende. Ich habe mich aufgrund meines fortgeschrittenen Alters dafür entschieden, denn die Eizellen sind mit Mitte 40 oftmals nicht mehr für eine Schwangerschaft geeignet.

Wie gehen Sie damit um, dass das Kind dann nicht Ihr genetisches Kind sein wird?

Diese Frage habe ich mir natürlich im Vorfeld auch gestellt und mir das alles gründlich überlegt. Ich kann aus voller Überzeugung sagen, dass das für mich kein Thema ist. Ich trage das Kind neun Monate in mir und werde schon in dieser Zeit eine Bindung zu dem Kind aufbauen. Ich weiss noch aus meiner ersten Schwangerschaft, dass es in dem Moment der Geburt und wenn man dann das Baby zum ersten Mal auf dem Arm hält, nicht mehr darauf ankommt, welche Gene es nun in sich trägt. Bei einem One-Night-Stand weiss ich schliesslich auch nichts von dem Typen und welche Krankheiten er möglicherweise in sich trägt.

Wem haben Sie von der geplanten Embyronenspende erzählt?

Natürlich ist dieser für mich grossee Schritt auch mit Ängsten und Sorgen verbunden, die ich gerne mit anderen teilen würde. Dadurch, dass das Thema so tabuisiert ist, fühle ich mich, als wenn ich etwas Verbotenes und moralisch Abstossendes tun würde. Ehrlich gesagt, habe ich mich aus diesem Grund nur einer Freundin anvertraut. Dem restlichen Umfeld habe ich nichts von meinem Weg erzählt. Das fühlt sich oft einsam an, macht die Gedanken und die Entscheidungsfindung noch schwerer.

Nun ist die Welt durch Corona ja noch ein wenig komplizierter, oder?

Genau, die Planung ist aktuell sehr schwer. Ich weiss nie, wann der nächste Lockdown kommt, ob ich fliegen kann und ob ich noch ins Ausland einreisen darf. Ich habe Angst davor, die Behandlung auf unbestimmte Zeit unterbrechen zu müssen. Nun habe ich endlich meinen Weg gefunden, bin schon 43 und dann kommt noch dieser riesige Stein. Dies hat mich schon einige Male frustriert, aber ich gebe nicht auf! Mit viel Flexibilität kriege ich das hin. Zum Glück darf ich auch auf die grossartige Unterstützung der Klinik und meiner Frauenärztin bauen. Diese wissen, wie in der aktuellen Situation Probleme zu lösen sind und sind auch jederzeit für mich da. Ich bin so dankbar und hoffe nun ganz fest auf einen baldigen, erfolgreichen Transfer.