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Bier – Der Salat des Mannes

Stil

Bier – Der Salat des Mannes

  • Text: Mathias Plüss; Foto: Getty images

Bier her, Bier her! Jetzt werden wieder Stangen, Spezli und Stiefel getrunken. Gut so, denn der Genuss von Bier sichert den häuslichen Frieden.

Jetzt trinken sie wieder Stangen, Stiefel und Spezli in rauen Mengen. Bevor nun aber Frau die Nase rümpft, sollte sie bedenken: Bier sichert den häuslichen Frieden. Ein Plädoyer von Wissenschaftsjournalist Mathias Plüss.

Eigentlich hätte Bier das Zeug zum Frauengetränk: Es ist ein reines Naturprodukt und wird ausschliesslich aus einheimischen Rohstoffen gemacht. Bier enthält keine Zusatzstoffe, kein Fett, keinen Zucker und nur wenig Alkohol. Bier ist bio. Bier ist gesund.

Das wahre Image von Bier ist so ziemlich das Gegenteil: Es gilt als ausgesprochener Männerstoff, und Frauen assoziieren es mit Festzelten, Bratwürsten und dicken Bäuchen – oder gar mit rülpsenden Halbwüchsigen, die nicht wissen, wo sie mit ihrer überschüssigen Energie hinsollen.

Ein sanftes Getränk

Doch dieses Bild ist arg verzerrt. Bier ist ein sehr sanftes Getränk. Dass jene bevorzugt danach greifen, die nach rascher Enthemmung durch Alkohol suchen, liegt letztlich am Preis: Sich mit Wein zu betrinken, ist schlicht teurer. In Wahrheit kann man Bier genauso kultiviert trinken wie Wein, und viele tun es auch. Nur fallen sie nicht so auf wie die Pöbeltrinker.

Auch aus gesundheitlicher Sicht gibt es kaum Unterschiede: Zahlreiche Studien haben in den letzten Jahren nachgewiesen, dass regelmässiger, massvoller Alkoholkonsum das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko deutlich mindert. Ob Wein oder Bier spielt keine Rolle. Die Betonung liegt dabei auf regelmässig und massvoll: Ideal sind vierzig Gramm Alkohol pro Tag für Männer, zwanzig Gramm für Frauen. Das entspricht einem Liter Bier oder einer halben Flasche Wein für Männer, für Frauen die Hälfte. Wer mehr trinkt oder am Samstagabend die ganze Wochenration auf einmal in sich hineinschüttet, schadet seiner Gesundheit.

Vom regelmässigen Konsum sind die Schweizer Frauen zumindest beim Bier sehr weit entfernt: Nur drei Prozent trinken es mehrmals wöchentlich (Männer: 19 Prozent), und drei Viertel der Frauen (Männer: ein Drittel) mögen Bier überhaupt nicht. Wie sehr da das anrüchige Image mitspielt, zeigt der Vergleich mit der führenden Biernation Tschechien, wo es keine bösen Blicke gibt, wenn eine Frau einen Humpen zum Essen bestellt: Sechzig Prozent der Tschechinnen trinken ab und zu oder regelmässig Bier. Bei den tschechischen Männern sind es allerdings neunzig Prozent – eine deutliche Geschlechterdifferenz bleibt also bestehen.

Woher rührt sie? Wenn man Frauen fragt, warum sie kein Bier trinken, nennen sie meist zwei Gründe: Bier macht dick, und Bier schmeckt bitter. Beides ist wahr, und doch ist die Wirklichkeit nicht ganz so einfach.

Zunächst einmal ist das mit dem Dickwerden nicht so dramatisch, wie man vermuten würde. Eine soeben veröffentlichte grosse europäische Studie hat ergeben: Ein grosses Bier pro Tag erhöht bei Männern den Bauchumfang auf lange Sicht um einen halben Zentimeter. Selbst zwei bis drei grosse Biere täglich ergeben im Schnitt nur einen Zentimeter mehr Bauch. Bei Frauen ist der Effekt allerdings stärker.

Ein Mythos

Dass Bier besonders kalorienhaltig sei, ist ein Mythos: Ein Halbliter Lager hat etwa so viele Kalorien wie ein Becher Joghurt. Pro Deziliter sind Fruchtsäfte oder auch das Modegetränk Eve, das von Cardinal als Bierersatz für Frauen propagiert wird (für Männer schmeckt es eher wie Zuckerwasser), deutlich energiereicher als Bier. Die dick machende Wirkung dürfte denn auch weniger von den Kalorien herrühren als von den östrogenähnlichen Stoffen, die im Hopfen enthalten sind. Diese ähneln Sexualhormonen und bewirken etwa auch, dass bei bierliebenden Männern manchmal ein Brustansatz zu sehen ist. Bier verweiblicht!

Gleichzeitig dämpft Hopfen den Sexualtrieb. Das ist wohl der Grund dafür, warum man ihn früher vornehmlich in Klöstern angebaut hat. Halbwüchsigen, die allzu gern Hand an sich selbst anlegten, gab man als Gegenmittel oft Hopfentee. Bei Frauen regen die gleichen Stoffe erwiesenermassen den Milchfluss an, sodass man Stillenden früher Bier empfahl. «Neu und frisch Bier macht den Säugmüttern viel und überflüssige Milch», steht in einem Basler Kräuterbuch von 1731. Eine biertrinkende Mutter könne selbst zwei Kinder besser stillen als eine weintrinkende ein einziges, heisst es weiter.

Insofern wäre Bier eigentlich das ideale Frauengetränk. Wenn, ja wenn da die Bitterstoffe nicht wären. Richtig: Gut gehopftes Bier schmeckt bitter. Falsch ist hingegen die Annahme, Männer liebten Bier trotz seiner Bitterkeit. Wir lieben es vielmehr wegen seiner Bitterkeit.

Getränk zum Abschalten

Hopfen ist der botanisch nächste Verwandte von Cannabis, und die Wirkung ist durchaus vergleichbar. Es sind just die Bitterstoffe, die (im Verbund mit dem Alkohol) auf den Menschen einen beruhigenden und leicht euphorisierenden Effekt haben. Darum ist Bier das ideale Getränk zum Abschalten am Abend. Keiner hat das schöner formuliert als Thomas Mann: «Ich Geringer trinke täglich zum Abendbrot ein Glas helles Bier und reagiere auf diese anderthalb Quart so stark, dass sie regelmässig meine Verfassung verändern. Sie verschaffen mir Ruhe, Abspannung und Lehnstuhlbehagen, eine Stimmung von ‹Es ist vollbracht!› und ‹Oh, wie wohl ist mir am Abend!› – ein Zustand, der gelegentlich sogar noch einen brauchbaren Einfall mit sich führt.»

Es ist wie bei Kaffee oder dunkler Schokolade: Was beim ersten Probieren abstossend schmeckt, kann mit der Zeit regelrecht süchtig machen. Weil unser Körper lernt, dass es  paradoxerweise das Bittere ist, das am Ende die gute Laune macht.

Und warum soll das bei Frauen nicht funktionieren? Das weiss man nicht so genau. Männer und Frauen reagieren einfach nicht auf alle Stoffe gleich. Aufschlussreich ist das Beispiel des Salats, auf den überwiegend Frauen stehen. Auch hier sind es just die bitteren Sorten, vor allem Chicorée und Endivie, die opiumähnliche Stoffe enthalten, wie man im Buch «Opium fürs Volk: Natürliche Drogen in unserem Essen» (Rororo, 2010) des deutschen Lebensmittelexperten Udo Pollmer nachlesen kann. Salat wäre demnach eine Art legale Droge – ein Stimmungsaufheller für Frauen. Die Männer haben dafür das Bier.

Liebe Frauen, gönnt uns Männern doch das Feierabendbier. Es ist auch besser für den häuslichen Frieden – wir sind dann entspannter und schlafen besser. Und für alles Aufregendere ist ja am nächsten Morgen noch Zeit genug.