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«Jeder Gast hat das Gefühl, dass er eine Beiz eröffnen könnte»

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«Jeder Gast hat das Gefühl, dass er eine Beiz eröffnen könnte»

  • Text: Kerstin Hasse; Foto: Getty Images

Georg Twerenbold organisiert regelmässig Genusstouren in Zürich – etwa im Rahmen des Foodfestivals Food Zurich. Wir haben ihm ein paar Fragen zur Zürcher Gourmetbranche gestellt. 

annabelle.ch: Georg Twerenbold, Sie kennen die Beizen Zürichs in und auswendig. Hand aufs Herz. Wie würde Ihre Henkers-Genusstour aussehen?
GEORG TWERENBOLD: Ui, das ist eine schwierige Frage. Ich würde wohl die Zürcher Klassiker wählen: Das «Aurelio», das «Camino», die «Kronenenhalle», das «Kaufleuten» und die «Olé Olé»-Bar.

Was braucht ein Restaurant, damit es erfolgreich wird?
Die Menschen dahinter. Das können die Gastgeber, der Koch oder das Servicepersonal sein. Es braucht Herz, damit eine Beiz erfolgreich wird. Eine Beiz auftun kann jeder, aber Erfolg hat man nur, wenn man für diese Arbeit brennt. Diesen Job sollte man nicht auswählen, wenn man nicht absolut dafür brennt. Ich denke zwar, dass das für jede Branche gilt – für die Gastronomie aber sicher ganz besonders.

Was ist der grösste Fehler, den eine Gastronomin oder ein Gastronom machen kann?
Keine Linie zu haben. Wenn man eine Beiz eröffnet, hat man 1000 Ideen, aber die kann man unmöglich alle umsetzen. Man muss sich entscheiden, und zwar betreffend der Location, dem Konzept und der Karte.

Eine kulinarische Linie ist also auch gefragt.
Absolut. Wenn ich in ein Restaurant gehe, das Pizza und Sushi und Burger anbietet, kann ich keine Linie erkennen.

Apropos Burger. Braucht Zürich noch mehr Burger-Restaurants?
Eigentlich nicht. Ausser die Restaurants sind immer voll, dann vielleicht doch. Ich finde aber eher, dass es in Zürich nicht einfach mehr Burger-Lokale braucht, sondern einfach ein richtig gutes Burger-Lokal.

Sind die alle so schlecht?
Schlecht nicht. Aber: Wenn ich im Ausland einen guten Burger esse, lege ich dafür eine Zehnernote hin, hier kostet der Burger schnell mal 30 Franken. Wenn das gute Produkte sind, die verwendet werden, und die Qualität stimmt, dann bin ich sogar bereit, das zu zahlen. Wenn mir dann aber eine Thomy-Mayo dazugestellt wird, dann ist für mich die Qualität halt doch nicht gegeben.

Viele Restaurants bieten zurzeit ein Menü nach dem Sharingkonzept an. Das heisst: Man bestellt viele kleine Teller und teilt. Können Sie damit etwas anfangen?
Ich bin ein grosser Fan der asiatischen Küche, und dort ist es üblich, dass man die Speisen teilt. Für mich ist essen nicht einfach Nahrungsaufnahme, sondern ein sozialer Akt. Ich will mit Freunden oder mit der Familie an einen Tisch sitzen und geniessen, lachen, reden – und dafür eignet sich dieses Sharing sehr gut.

Kommen wir zur Bezahlung. Wie viel Trinkgeld ist in Zürich angebracht?
Die unausgesprochene Regel lautet 10 Prozent, wobei ich das in der Schweiz schon sehr vom Service und der Qualität der Speisen abhängig mache. Wenn ich überhaupt nicht zufrieden bin, dann gebe ich auch mal gar kein Trinkgeld. Was ich total beleidigend finde, sind Leute, die inkonsequent sind, die weder richtig aufrunden noch ein richtiges Trinkgeld geben. Wenn du eine Rechnung von 102.50 hast und auf 103 Franken aufrundest, kannst du es auch grad ganz sein lassen.

Zürich gilt als teure Ausgehstadt. In anderen Kantonen spricht man deshalb gern von Züri-Preisen, mit denen man in einem Restaurant rechnen muss. Ist die Gastronomie hier überteuert?
Generell glaube ich nicht, dass Zürich überteuert ist. Die ganze Schweiz ist teuer – ich zahle für meinen Kaffee in Basel, Chur und Zürich gleich viel. Aber wie gesagt, ich finde, für diese Preise muss dann halt auch einfach die Qualität stimmen.

Das gilt auch für den Service. Und auch da heisst es oft, dass in Zürich die Servicemitarbeiter unfreundlich sind.
Es ist schwierig, gutes Servicepersonal zu kriegen, das liegt nicht zuletzt daran, dass das Arbeitsprofil nicht mehr sehr attraktiv ist. Die Arbeitszeiten sind mühsam, man verdient nicht sehr gut, das wollen viele Leute nicht mehr in Kauf nehmen. Aber es gilt auch, wie immer im Leben: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es auch heraus. Ich finde auch, dass die Qualität im Service stimmen muss, ich beobachte aber oft, dass die Gäste sehr besserwisserisch sind. Jeder Gast hat das Gefühl, dass er eine Beiz eröffnen könnte und es noch viel besser machen würde. Aber dem ist nicht so – das kann ich garantieren.

Zum Schluss noch ein paar Geschmacksfragen. Bei jeder Frage gilt: Es gibt nur eine Antwort. Vorspeise oder Dessert?
Vorspeise.

Bier oder Wein?
Wein.

Salz oder Pfeffer?
(überlegt lang) Es braucht doch beides im Leben.

Käse oder Wurst?
Käse.

Bahnhofstrasse oder Langstrasse?
(lacht) Sagen wir Kreis 4.

Italienisch oder Französisch?
Italienisch.

Zigaretten oder Schnaps?
Leider Gottes Zigaretten.

Haute Cuisine oder Kaltes Plättli?
Kaltes Plättli.

Cervelat oder Bratwurst?
Bratwurst.

Mit Sauce oder pur?
Pur.

Georg Twerenbold ist seit Jahren in der Schweizer Gastroszene tätig. Er ist Inhaber der Agentur T’nt Events und organisiert unter anderem regelmässig Genusstouren durch Zürich.

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