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Restaurant-Test: Julian Schütt isst im Restaurant Camino in Zürich

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Restaurant-Test: Julian Schütt isst im Restaurant Camino in Zürich

  • Text: Julian Schütt Illustration: Bazooka

Freuden eines Dilettanten — Autor Julian Schütt isst im Restaurant Camino in Zürich.

In regelmässigen Abständen wird an mein Gewissen appelliert. Man versteht nicht, warum ich Restaurantkolumnen schreibe. Das sei doch die korrupteste Art von Journalismus. Seltsamerweise können meine Ankläger viele Beispiele aufzählen, wie Gastrokritiker eingeseift werden oder aber von eingeschüchterten Lokalbesitzern die teuersten Menüs und Weine gratis serviert bekommen. Ich denke dann insgeheim: Was mache ich nur falsch, dass mich nie jemand einseifen will? Und dies ist die volle Wahrheit: In den bald zehn Jahren, in denen ich Woche für Woche Restaurants teste, hat mich noch kein Besitzer einzuseifen versucht.

Oder bin ich schonzu korrupt, um es zu merken? Ich glaube nicht. Bestochen wird nur, wer Einfluss hat. Man muss nicht nur Hunger haben, sondern Machthunger. Doch ich will mich bei einem guten Essen frei fühlen. Ich will alles wie zum ersten Mal geniessen, und darum bin ich weder Profikritiker noch Profiesser, sondern frisch-fröhlicher Dilettant und als solcher natürlich ohne Einfluss. Ich wähle jedes Restaurant selber aus, besuche es in der Regel inkognito und begleiche am Schluss wie jeder Gast die Rechnung. Ein ehrliches Business. Und am liebsten sind mir Restaurants, die auf eine geradlinige und «ehrliche» Philosophie setzen.

Das «Camino» ist so ein Ort. In der Küche wirkt Lukas Strejcek. Er kocht transparent und handwerklich einwandfrei. Sein Thunfisch-Carpaccio harmoniert gut mit der Sepia-Emulsion. Und der Steinbutt im Champagnerschaum lässt ebenfalls keine Wünsche offen. Extraklasse das Kirschenragout. «Camino» heisst der mit viel Leiden verbundene Jakobsweg. Von Leiden kann im gleichnamigen Restaurant keine Rede sein.

— Camino, Freischützgasse 4, 8004 Zürich,Tel. 044 240 21 21, www.restaurant-camino.ch