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«Dann wurde ich schwanger und alles kam anders»

Leben

«Dann wurde ich schwanger und alles kam anders»

  • Interview: Kerstin Hasse; Foto: Jessica Prinz

Theresia Le Battistini hat zwischen der Geburt ihrer zwei Kinder ein Unternehmen gegründet. Eigentlich hatte sie alles bestens durchgeplant. Womit sie nicht rechnete? Mit dem grossen Erfolg ihrer Spielpuppen.

annabelle.ch: Theresia Le Battistini, wann haben Sie sich dazu entschieden, sich selbstständig zu machen?
Theresia Le Battistini: Das war 2014, kurz nach der Geburt meiner Tochter. Ich hatte eigentlich einen guten Job bei der UBS, aber habe auch schon immer den Wunsch gehabt, mich selbstständig zu machen. Und nachdem ich zum ersten Mal Mutter wurde, wurde dieser Wunsch umso stärker. Mir war aber auch immer klar, dass es sich um eine richtig gute Idee handeln muss, wenn ich damit eine Firma gründen will.

Ihre Idee waren Spielzeugpuppen. Das klingt auf den ersten Blick noch nicht so innovativ. Aber Ihre Puppen sind anders als die anderen, richtig?
Die Idee ist nur so gut wie die Analyse dahinter. Und die habe ich intensiv betrieben. Ich selber habe früher sehr viel mit Puppen gespielt und als Mutter verbringt man wieder mehr Zeit in Spielzeuggeschäften. Dabei ist mir aufgefallen, dass in den Läden Puppen stehen, die noch genauso aussehen wie früher, als ich ein Kind war. Die rosaroten Verpackungen, das Material, die gleichen Gesichter. Also habe ich recherchiert, eine Konkurrenzanalyse gemacht und bin an Spielzeugmessen gegangen. Nach etwa einem Jahr war mir klar: Ich bringe selber eine Puppe auf den Markt, aber eine, die zeitgemäss und modern ist. Das lief eigentlich alles ganz rund, und es ging gut voran. Dann wurde ich jedoch noch mal schwanger. Und alles kam ein wenig anders.

Inwiefern?
Im Mai 2017 wurde das Produkt lanciert, zwei Wochen später kam mein Sohn zur Welt. Wir scherzten ständig, dass vielleicht noch beim Launch die Fruchtblase platzt. Das ist zum Glück nicht passiert, aber bereits wenige Wochen nach der Geburt kam schon das erste grosse Warenhaus auf mich zu, welches das Produkt verkaufen wollte. Es musste also gleich weitergehen. Ich musste Preiskalkulationen machen und mich auf das Weihnachtsgeschäft vorbereiten, das bereits im Sommer aufgegleist wird. Ich hatte das alles nicht so geplant. Ich stellte mir vor, als Selbstständige jeweils an einem Nachmittag pro Woche ein paar Bestellungen abzuwickeln, Pakete zu verschicken, mich um den Online-Shop zu kümmern. Ganz easy. Mit so einem Erfolg hatte ich nicht gerechnet. Vor allem nicht so früh.

Wie stemmten Sie diese Herausforderung?
Mein Umfeld fand zwar schon: Ist das nicht ein bisschen viel? So hochschwanger? Oder wenig später: So kurz nach Geburt? Aber für mich war von Anfang an klar, ich will es durchziehen. Ich hatte zwei sehr unkomplizierte Schwangerschaften und so viel Energie wie sonst kaum.

Ihre Puppen wurden bald zum Erfolg, sind heute im Franz Carl Weber, im KaDeWe und bei Harrods erhältlich. Der Businessplan ging also auf?
Unser Brand befindet sich noch im Aufbau, aber sowohl das Team als auch die Investoren, wir glauben an den Brand. In zwei Jahren ist schon viel passiert. Weitere Länder und Retailer stehen in der Pipeline und wir haben mittlerweile neun Angestellte, viele davon sind Frauen.

Ist das ein bewusster Entscheid?
Nein, das ist ein Zufall, der sich so ergeben hat. Ich achte einfach darauf, dass das Profil passt.

Es gibt ja mittlerweile einige Mütter, die sich nach der Geburt der Kinder mit einem eigenen Projekt selbstständig machen. Bietet die Selbstständigkeit mehr Flexibilität als ein Angestelltenverhältnis?
Die Selbstständigkeit bietet vielleicht schon mehr Flexibilität, aber es kommt auch darauf an, was man macht und welchen Ansporn man hat. Wenn man ein Produkt europaweit vertreiben will, so wie wir es tun, dann hat man schnell wieder nicht mehr so viel Flexibilität. Wir haben Verantwortung, ein Team, Löhne, die ausbezahlt werden müssen. Da kann man nicht einfach sagen: Ich kann heute nicht, mein Kind ist krank.

Selbstständigkeit stellt auch ein finanzielles Risiko dar. Wie haben Sie das als Teil einer jungen Familie einkalkuliert?
Ich bin mit meinem Mann seit 16 Jahren zusammen. Wir haben schon zusammen studiert und seither ein gemeinsames Leben aufgebaut. Als die Zeit gekommen war, haben wir uns entschieden, anstatt in ein Eigenheim, in diese Firma zu investieren. Man muss einen Partner haben, der mitmacht und diesen Schritt versteht und unterstützt. Mein Mann konnte sich einige Jahre voll auf sich und seine Karriere konzentrieren, dann war ich an der Reihe. Wir kennen uns wirklich sehr gut, und er weiss, wie ich funktioniere, dass ich ehrgeizig bin und engagiert.

Was macht Ihrer Meinung nach Ihre Puppe so einzigartig und erfolgreich?
Alles, was wir produzieren, ist zusammen mit Kindern entstanden. Wir haben uns ihre Wünsche genau angehört. Und das merkt man. Die Puppen sind modern und langlebig, man kann ihnen die Haare frisieren und sie sogar abschneiden ohne gleich die ganze Puppe entsorgen zu müssen. Denn die Haare sind ganz einfach auswechselbar. Wir wollen keine Wegwerfprodukte schaffen, sondern ein Produkt, an dem man lang Freude hat und das man weitergeben kann. Das sieht man auch an unserer wiederverwendbaren Verpackung. Und wir merken oft, dass auch Eltern Freude an den Produkten haben, weil ihre Kinder mit Puppen spielen, die natürlich aussehen und normale Proportionen haben.

Entstand diese Diversität im Aussehen aus der Tatsache, dass Sie als Mutter einer Tochter ein diverses Frauenbild abbilden wollten?
Nein, nicht in erster Linie. Der Beweggrund war für mich, dass Kinder wieder mehr spielen. Ich finde, Kinder werden heute so schnell gross. Mit 12 oder 13 sind sie schon kleine Erwachsene. Das hat natürlich vor allem mit der Digitalisierung zu tun. Ich will, dass Kinder länger spielen und auch Freude an Puppen haben können. Zudem habe ich den Eindruck, dass es viel mehr Spielsachen für Buben als für Mädchen gibt. Vor allem für ältere Buben. Das wollte ich ändern.

Damit sprechen Sie ein Thema an, das gerade im Bereich Spielzeug sehr umstritten ist: Die Stereotypisierung von Spielsachen.
Es gibt immer negative Sachen, die man über sein eigenes Produkt hört. So fragen mich Leute etwa, warum wir «I’m a Girly» heissen. Ich sehe diesen Namen als Lifestyle und nicht als etwas Negatives. Für uns beschreibt das Wort einen starken, selbstbewussten und kreativen Menschen. Jeder kann Girly sein, auch ein Bub. Wir wollen damit nicht Stereotypisierung bedienen, sondern eine positive Message vermitteln.

Aber Sie spüren nicht eine Verantwortung als Spielzeughersteller, diese Stereotype aufzubrechen?
Nein, nicht unbedingt. Ich finde, es ist nicht unsere Aufgabe, das zu lösen. Hauptsache ist, dass wir für alle offen sind. Jeder soll mit unseren Puppen spielen können: ob Jungs oder Mädchen, alt oder jung. Wir hatten am Anfang bei Events extra Spielecken eingerichtet für die Jungs, die ihre Schwestern begleiteten. Wir haben aber schnell bemerkt, dass das total unnötig war, denn alle – egal ob Jungs oder Mädchen – wollten mit den Puppen spielen.