Werbung
Let’s Talk about Sex

Leben

Let’s Talk about Sex

  • Text: Sven Broder; Foto: iStock 

Reportagenleiter Sven Broder: Irgendwann reden die Frauen bei annabelle mit ihm immer über Sex. 

Zum Feierabend-Apéro eingeladen hatten Helene und Bobi. Nun stellen sich Aussenstehende vielleicht vor, solche Apéros seien bei annabelle ganz grossartig. Glamourös. Ein bisschen wild, vielleicht sogar, hihi. – Sind sie nicht. Bobi verliess das «Fest» bereits nach einer Stunde, weil er angeblich noch was Besseres vorhatte. Helene blieb zwar etwas länger, verabschiedete sich dann aber auch ganz weidli in den Arabisch-Abendkurs. Bomben-Apéro, dachte ich. Mal wieder.

Letztendlich zurück blieben Line und ich. Unser Gespräch entwickelte sich gut, wenn auch in eine wenig überraschende Richtung. Nach zehn Minuten redeten wir über Kinder. Nach zwanzig Minuten über Beziehungen. Nach dreissig Minuten über Männer. Und nach vierzig Minuten über Sex. Irgendwann reden die Frauen bei annabelle mit mir immer über Sex. Man schiebt hier gern mir die Schuld dafür in die Schuhe. Ich finde, man kann höchstens behaupten, ich verfügte über ein gewisses Talent, in Gespräche über Sex hineinzustolpern. Und das passiert dann zum Beispiel so:

Als um 21 Uhr auch Line ihre ersten Müdigkeits-erscheinungen signalisierte, fing ich an, mich nach einer Anschlusslösung umzuhören. Doch irgendwie schien keiner meiner Kumpels auf mein SMS «essen, bier und tanz?» aufzuspringen. Also tat ich, was ich lange nicht mehr getan hatte, weil man sich das als verheirateter Mann ja irgendwie nie recht traut: Ich schrieb einer Freundin. «Bist du heute eine spontane Trinkgenossin? eventuell?» – «voll unspontan in der Central-Bar. Komm! Bin mit Andrea Suter* hier.»

So auf Anhieb sagte mir der Name Andrea Suter nichts. Aber sie musste offenbar eine Nummer sein, irgendwo, irgendwie, dachte ich und begann nach Bildern zu googeln. Doch Andrea Suter ist, so stellte sich heraus, vor allem eines: ein Allerweltsname. Es erschienen Hunderte von Frauen, aber keine, die mir bekannt vorkam. Ich scrollte runter und blieb bei einer Andrea Suter, Typ Andrea Suter von nebenan, hängen, weil sie es beim pfiffigen Fotoshooting ganz offensichtlich auch darauf ausgelegt hatte. Dieses es war, sehen Sie es mir nach, wenn ich es etwas unbeholfen formuliere: zwei Melonen, die in einem weissen Baumwollgewinde für Mandarinen hingen und so drapiert waren, dass sie jedem Betrachter sofort ins Auge sprangen. Dachte ich zumindest. Doch dann las ich unter der Amateuraufnahme die Kommentare anderer Männer: «süsses und natürliches Lächeln» – «sehr schönes Lächeln» – «fein, sympathisches Lächeln» – «kann mich den anderen nur anschliessen: sehr nettes Lächeln» – «ein süsses Lächeln. Hast du die Haare etwas ab?» … So ging das weiter. Ob Matthias, Jürg oder Norbert, sie alle lobten das Lächeln. Ganz ehrlich: Mir war nicht einmal aufgefallen, dass Andrea Suter auch ein Gesicht hatte.

Als ich nach einer Viertelstunde in die Central-Bar stolperte, sass zum Glück eine andere Andrea Suter am Tisch. Aber es dauerte nicht lange, da redete ich auch mit ihr über Sex. Andrea Suter hatte es schliesslich darauf ausgelegt. Und manchmal muss man die Dinger halt einfach auch mal beim Namen nennen. Finde ich. Sorry, Andrea.

* Name geändert

Sven Broder ist Leiter Reportagen bei annabelle. Er schreibt abwechselnd mit Thomas Wernli und Frank Heer übers Mannsein bei einer Frauenzeitschrift und andere Extremsituationen