Werbung
Liebe Palina Rojinski

Leben

Liebe Palina Rojinski

  • Text: Kerstin Hasse; Foto: GettyImages

Wir haben etwas gemein. Wir haben beide grosse Brüste. Das klingt jetzt irgendwie anrüchig, und diese Tatsache allein nervt mich schon. Über grosse Brüste zu schreiben, hat was anrüchiges, selbst in einem total nicht anrüchigen Kontext. Warum? Weil so viele Menschen so extrem darauf reagieren. Grosse Oberweite, das heisst immer grad Vollweib, Busenwunder, Porno. Ich weiss nicht, wie es Ihnen ergeht, aber jedes Mal, wenn mich jemand Vollweib nennt – mit Blick auf meine Kurven – möchte ich mein Gegenüber ein wenig hauen.

Ich verfolge Ihre Karriere schon lang. Ich folge Ihnen auf Ihren diversen Social-Media-Kanälen und – das können Sie aber nicht wissen – ich habe in Paris neben Ihnen am Beyoncé-Konzert getanzt. Das ist aber eher ein Funfact und tut hier nix zur Sache. Ich verfolge nicht nur seit Jahren Ihre Arbeit, sondern auch wie sich Ihre Kommentarspalten lesen lassen. Ich hatte eigentlich schon länger vor, eine Geschichte darüber zu schreiben, dass sich in Ihren Kommentaren der ganze perverse, sexistische Abschaum des Internets tummelt. Egal welches Bild Sie posten, Ihre Follower drehen durch. Sie brauchen nicht mal Haut zu zeigen. Typen schreiben sehr explizit, was sie mit Ihren machen möchten, dass sie Sie nackt sehen wollen, dass sie mit Ihnen Sex wollen. Ich will den Wortlaut hier nicht wiederholen, weil er mich anekelt. Mit jedem einzelnen Wort überschreiten diese Menschen eine Grenze. 

Vielleicht haben Sie, wie ich auch, immer mal wieder erlebt, dass Leute auch ganz direkt, so im echten Leben und nicht im Netz, unverblümt auf Ihr Décolleté reagieren. Ich merke das regelmässig im Gym oder wenn ich mal einen Ausschnitt trage. Jedes Mal, wenn dann irgend so ein hässlicher Typ auf der Strasse mir nachpfeift oder entsprechende Gesten macht, nervt mich das. Es verunsichert mich, wenn Leute mit meinen Brüsten und nicht mit meinem Gesicht reden. Also verzichte ich meist auf einen Ausschnitt. Das ist eigentlich schade. Denn ich sehe ja bei Ihnen, wie schön es sein kann, die Oberweite auch mal zu inszenieren. Ich habe mich schon oft gefragt, wie Sie auf Leute reagieren, die starren oder sich unanständig verhalten. Wie Sie das wegstecken.

Deshalb war ich tatsächlich ein wenig überrascht, als ich vor ein paar Tagen ein Bild auf Ihrem Instagram-Kanal entdeckte, das eine Nahaufnahme Ihres Ausschnitts zeigte. Da war so viel Busen drauf, wie nur irgend in das Insta-Quadrat passt. Im ersten Moment dachte ich: Warum macht sie das? Sie muss doch wissen, dass da alle Perversen dieser Welt aus ihren armseligen Löchern kriechen und das Bild sabbernd kommentieren werden. Dieser Gedanke ist ein Trugschluss, über den ich mich selbst ärgere: Denn die Tatsache, dass Sie ein Bild Ihres Ausschnitts posten, rechtfertigt niemals die Masse an anzüglichen, primitiven Sprüchen, die unter so einem Bild landen.

Dann vor ein paar Tagen, die Auflösung: Das Bild, das Tausende von Likes absahnte und durch die entsprechenden Kommentare und Emojis geschmückt wurde, war eine optische Täuschung. Es zeigte keine Brüste, sondern Pobacken. Ein richtig tolles Bauarbeiter-Décolleté. Sie haben sich mit Klaas Heufer-Umlauf zusammengetan, um all den Typen in Ihren Kommentarspalten und all den Medien, die Sie regelmässig als Busenwunder bezeichnen und damit auf Ihre Oberweite reduzieren, mal den Spiegel vorzuhalten. Ein Mitarbeiter von Heufer-Umlauf stellte sich zur Verfügung. Sein bepuderter Hintern wurde zu Ihrem sexy Ausschnitt.

Liebe Palina Rojinski, ich applaudiere Ihnen zu diesem Streich. Und ich hoffe, dass er etwas auslöst. Wenn ich könnte, würde ich Sie glatt umarmen. Das wär dann ein bisschen mühsam, weil da so viel Busen zwischen uns wäre – aber wir könnten das easy handeln. Und vielleicht leben wir irgendwann in einer Welt, in der ich mir nicht mehr überlegen muss, ob dieser vorangehende Satz zu anzüglich ist. Ob er falsch verstanden wird. Ob ich damit die richtigen Signale aussende und ob ich damit riskiere, dass mir nun irgendwelche Vollpfosten nachstellen, die auf ein Palina-Kerstin-Busenbild warten.

Wie geil wäre das denn, oder?

Herzlich,
Kerstin Hasse