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Lieber René, wir müssen reden

Leben

Lieber René, wir müssen reden

  • Text: Kerstin Hasse; Foto: iStock

Der Sportjournalist René Weber macht mit einer sexistischen WM-Kolumne Schlagzeilen. Für seine Sprüche erhält er von unserer Autorin die rote Karte.

Wir kennen uns schon seit einigen Jahren. Damals, als ich beim «Bündner Tagblatt» arbeitete und du beim Schwesterblatt «Südostschweiz», habe ich manchmal die Sportseiten bei euch in der Sportredaktion abgeholt oder euch nach den Schlagzeilen des nächsten Tages gefragt. Du hast dann gern einen Witz gerissen, und manchmal habe ich gelacht.

Ich weiss, dass deine Arbeit nicht nur irgendein Job für dich ist. Du zelebrierst das Sportreportersein. Dein Facebook-Feed ist voll von Selfies von dir in irgendwelchen Stadien rund um den Globus. Unter ein Bild mit dem ehemaligen österreichischen Skistar Franz Klammer schreibst du: «Legende trifft Legende.» Dir fehlt es nicht an Selbstbewusstsein.

Letzte Woche hast du es bis nach Deutschland in die Schlagzeilen geschafft. Und zwar mit einer deiner Sportkolumnen, die den poetischen Titel trägt «Wo sind die schönen Olgas von der Wolga?». Du schreibst darin, dass du dich auf die Traumfrauen in Russland gefreut hast, wo doch Russinen weltweit «als das Mass aller Dinge» gelten. Nun bist du aber in Toljatti angekommen und findest: «Was ich bisher in der 700 000-Einwohner-Stadt zu sehen bekam, war jedenfalls nicht viel Schönes.» Und weiter: «Schöne Olgas sucht man an der Wolga vergeblich.»

Das Newsportal Watson bezeichnete dein Werk als «sexistischste Kolumne» der WM 2018, die deutsche Plattform Bento hat die besten Tweets zu deinem Artikel gesammelt, und von einer Kollegin vom «Tages Anzeiger» wurdest du als «Burebüebli» bezeichnet, das vielleicht bald merken wird, dass es sich an einer Weltmeisterschaft und nicht an einer Viehschau befindet.

Autsch. Das hat gesessen. Gestern hast du zu den Vorwürfen Stellung genommen. «Sogar im fernen Zürich haben sich Journalistenkollegen mit mir auseinandergesetzt», witzelst du. Sexistisch sei das aber nicht gemeint gewesen mit den Olgas und der Wolga. «Sorry, liebe Frauen. Ich weiss sehr wohl, wie wichtig Ihr seid. Für was Ihr (ein-)steht, was eine Frau kann und ausmacht.» Du hättest mit einem «Augenzwinkern an der Wolga die Olgas» gesucht. 

Lieber René, diese halbherzige Entschuldigung hättest du dir auch gleich ganz sparen können. Zuerst bedienst du dich am Klischee der schönen Russin, die darauf wartet, die Fussballstars der Welt und deren Fans zu bespassen und dann unterstellst du denen, die diese «lockere Kolumne» nicht verstehen, Humorlosigkeit. Die Leute, die bei der Lektüre deiner Kolumne den Kopf schüttelten, waren weder verwirrt noch haben sie irgendwas missverstanden. Sie fanden sie einfach sexistisch – und schlecht. 

Ich werde hier nicht auf den Mann zielen, oder zumindest nur ein bisschen. Ich werde nicht – wie so viele Leute es in den Social Media taten – darüber urteilen, ob du die richtige Person bist, um über das Aussehen von anderen zu richten. Ich möchte dir viel eher einen Ratschlag mitgeben: Lies doch mal die Zeitung, für die du schreibst. Setz dich mit deiner Umwelt auseinander. Wenn du an der Fasnacht als Playboyhäschen verkleidet durchs Dorf ziehst und deinen Fasnachtswagen mit Bildern von nackten Frauen tapezierst, dann ist das deine Privatsache. Das ist okay. Nicht geistreich, aber okay. Wenn du allerdings frauenverachtende Texte schreibst, dann ist das alles andere als okay. Denn wir schreiben verdammt noch mal das Jahr 2018. Du hast eine Verantwortung als Journalist, und die solltest du wahrnehmen.

Und wenn dir dein sexistisches Werk um die Ohren fliegt, dann hab doch wenigstens die Grösse, den Fehler einzugestehen. Du bist Sportreporter, du weisst, was Fairplay heisst. Schneid dir eine Scheibe von den Sportgrössen ab, über die du berichtest. Steh hin und gib zu: Das war nicht lustig, das war nicht schlau – das war einfach nur ein Eigengoal. 

Liebe Grüsse
Kerstin

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