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Lila Pudel

Leben

Lila Pudel

  • Text: Sven Broder

Der stellvertretende Chefredaktor Sven Broder mag es, ein Mann zu sein. Und ist trotzdem Feminist. Denn für ihn bedeutet das viel mehr, als sich für das andere Geschlecht einzusetzen. 

Sind Frauen die besseren Menschen? Ich weiss es nicht. Ich kenne die Frauen nicht. Sind Männer die schlechteren Menschen? Ich weiss es nicht. Ich kenne auch die Männer nicht. Wie sollte ich auch? Manchmal kenne ich nicht mal mich selber. Und ich stehe immerhin jeden Morgen mit mir auf und gehe abends mit mir ins Bett.

Trotzdem bin ich Feminist, vertrete vermeintlich die Sache der Frau. Ich bin ein lila Pudel, wie mich ein paar Antifeministen nennen – «bei annabelle von frustrierten Männerhasserinnen auf ihre feministische Ideologie getrimmt». Ob sie mich wohl kennen? Ich bezweifle es. Denn nähme man tatsächlich den Hass auf Männer als Massstab, wäre ich ein ziemlich mieser Feminist. Ich mag es nämlich, ein Mann zu sein. Ich würde sogar behaupten: Ich bin nicht zuletzt auch aus Liebe zu ihm zum Feministen geworden. Ein Paradox? Ja. Aber kein Widerspruch.

Der Feminismus ist eine Befreiungsbewegung mit dem Ziel, das Individuum aus den Fesseln althergebrachter Rollenvorstellungen zu befreien und gegen politische, juristische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen zu kämpfen, die ein selbstbestimmtes und gerechtes Leben auf Augenhöhe verhindern. Er ist eine Utopie der Gleichberechtigung, nicht nur der Geschlechter, sondern der unterschiedlichen Lebensentwürfe schlechthin. Es geht um Chancengleichheit und um Respekt – und um eine Diskussion, die künftig noch dringlicher sein wird: die Frage nämlich, was uns als Gesellschaft wirklich etwas wert ist.

Wenn ich mich als Mann für die Aufwertung vermeintlicher Frauenberufe einsetze, kämpfe ich nicht primär für ein Geschlecht, sondern grundsätzlich für mehr (ökonomische) Anerkennung der Arbeit, die Menschen beispielsweise in der Alterspflege und bei der Betreuung von Kindern leisten. Dass in der Hausarbeit und generell in Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns so wenige Männer vertreten sind, hat nämlich weniger damit zu tun, dass wir Männer einfach herzlosere Wesen wären, sondern wohl eher damit, dass sich damit kein Familienleben finanzieren lässt. Der Vorwurf, Männer seien sich halt einfach zu schade für niedere Arbeiten, zielt jedenfalls ins Leere, wenn man mal darauf achtet, wer hinten auf Müllfahrzeugen steht und unten in Kanalisationen.

Es ist auch nicht nur diskriminierend, dass Frauen weniger verdienen als Männer, dass sie nach dem ersten Kind meist nur noch Teilzeit arbeiten können und seltener Karriere machen. «Es hemmt auch den Wandel im Familienleben und schwächt die Vaterrolle», wie die Anthropologin und Väterforscherin Anna Machin zu Recht moniert. Denn ja, ich wäre gern öfter zuhause bei den Kindern und trüge nicht ständig dieses Joch des Hauptversorgers, an dem so vieles hängt, nur ironischerweise nicht das feministische Prädikat «moderner Mann». Aber wie so viele Väter hatte ich und habe ich noch heute nicht die Wahl – genauso wenig wie meine Frau sie hatte. Und wenn ich unter einer lila Fahne gegen Gewalt protestiere, dann tue ich dies nicht nur, weil ich meine Tochter vor sexuellen Übergriffen schützen möchte, sondern auch meine beiden Söhne vor besoffenen Idioten mit mangelnder Affektkontrolle. Gewalt ist ein Männerproblem, durchaus – aber eben durchaus auch für Männer.

Dasselbe gilt auch in Bezug auf andere Schlagworte des Feminismus wie Patriarchat, Sexismus und stereotype Rollenbilder. Für die Feststellung, dass man auch als Mann darunter zu leiden hat, mögen mich manche Feministinnen beschimpfen. Aber die Luft über der gläsernen Decke ist eben auch für viele von uns zu dünn und zu stickig und der patriarchale Ellbogentanz der Anzug- und Krawattenträger nicht jedermanns Sache. Und wenn ich mich als Mann einbringe in Debatten wie #MeToo, dann tue ich dies aus Solidarität mit den Opfern und aus Aversion gegen die Täter. Aber eben auch, um das feministische Feld nicht allein jenen zu überlassen, die im Mann nur das Feindbild sehen, und alles, was er in der Hose trägt, ist Gefahrengut. Denn aus männlicher Perspektive hat es durchaus was Sexistisches, wenn selbst die eigene Tochter nur von einem Mann träumt, nämlich vom bösen.

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