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Schluss mit Detoxkuren

Leben

Schluss mit Detoxkuren

  • Text: Claudia Senn, Illustration: Grafilu

annabelle-Redaktorin Claudia Senn wird auch in diesem Frühling auf eine Detoxkur verzichten. Mit Freuden.

Es ist so weit, meine Damen, der Frühling ist da – die Zeit, in der wir alle Jahre wieder dem kollektiven Irrsinn verfallen. Ich spreche von den Detoxkuren, die sich in jüngster Zeit als eine Art Frühlingsputz für den Körper etabliert haben. Sie wissen schon: kübelweise Tee zum Entschlacken, dazu Gemüsebouillon und Green Smoothies, egal, wie eklig flüssiger Broccoli nun mal schmeckt. Detox, das klingt, als müssten wir unseren Körper von lebensbedrohlichen Giften befreien, die ihn von innen her verpesten. Und genauso ist es auch gemeint: All die hastig reingestopften Pommes frites, der Suff der letzten Party und die im Körper angereicherten Umweltgifte sollen weggeschwemmt, weggeschwitzt, weggeatmet und wegmassiert werden. Hardcore-Entgifterinnen schrecken sogar vor Darmspülungen nicht zurück. «Eingetrocknetes Fäkalmaterial, das sonst im Darm vor sich hinrotten würde, löst sich und wird leicht abgeleitet», schreibt eine Detoxwebsite, die unseren Verdauungsapparat offenbar für eine sanierungsbedürftige Kloake hält. Bitte entschuldigen Sie das drastische Zitat. Ich hoffe, Sie sitzen nicht gerade beim Essen.

Die Sache ist nur, es gibt diese Schlacken überhaupt nicht, die angeblich so dringend entsorgt werden müssen. Kein Arzt oder Chemiker hat sie je gefunden. Das hat einen einfachen Grund: Leber, Nieren und der Verdauungstrakt neutralisieren Gifte innerhalb weniger Stunden ganz von selbst. Da muss man nicht extra nachhelfen. Im Gegenteil, manche Detoxmassnahmen schaden mehr, als sie nützen. So sind etwa Kopfschmerzen keineswegs ein Zeichen dafür, «dass die Entgiftung in Gang kommt», sondern ein Symptom von Unterzuckerung. Darmspülungen können die Darmflora schädigen und Infektionen verursachen. Und wer wie Heidi Klum tagelang nur Zitronensaft mit Ahornsirup und Cayennepfeffer zu sich nimmt, tut seiner Magenschleimhaut ganz sicher keinen Gefallen.

So weit die Fakten. Doch kümmert es die Leute? Nein! Stattdessen kaufen sie wie die Bekloppten Detoxtees, Detoxduschgels und Detoxfussbäder, die angeblich die Gifte «mit Elektrolyse ausleiten». Die englische Wissenschaftsstiftung Sense about Science hat vor ein paar Jahren 15 solche Produkte untersucht. Resultat: alles komplett wirkungslos. Egal, gekauft wirds trotzdem. Die Überzeugung, von schleichender Vergiftung bedroht zu sein, scheint unausrottbar.

Warum sind Frauen so? Weshalb glauben sie allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz, ihr Körper sei mit toxischen Substanzen verseucht, statt sich darüber zu freuen, was für ein perfekt konstruiertes, selbstreinigendes Ding er doch ist? Steht dahinter vielleicht dieselbe paranoid-hypochondrische Lebensangst, die auch die Impfgegnerinnen antreibt und die Glutenhysterikerinnen, die von der Schulmedizin, dem Butterzopf und der Welt an und für sich nur Böses erwarten? (Zöliakie-Patientinnen, die ihr wirklich kein Gluten vertragt: Ihr seid hier nicht gemeint. Also bitte nicht gleich wieder empört unsere Kommentarspalten volltexten!)

Entspannt euch, Leute. Wenn ihr kein Junkie oder Alkie seid, braucht ihr keine Entgiftung. Die dauernde Überbesorgtheit ist auch ganz schlecht fürs Immunsystem. Und wie easy der Körper mit ein bisschen Gift zurechtkommt, könnt ihr an mir sehen. Als ich noch an solche Dinge glaubte, nahm ich einmal für längere Zeit ein angeblich unfassbar gesundes Algenpulver. Es schmeckte wie ein verdünnter Kuhfladen und sah auch so aus, das hätte mich stutzig machen sollen. Vor zwei Jahren entdeckte nun ein Umwelttoxikologe, dass das vermeintliche Wundermittel mit leberschädigenden Giftstoffen kontaminiert ist, sogenannten Microcystinen, die ähnlich wirken wie ein Knollenblätterpilz. Statt eines Gesundheitstrunks hatte ich mir also täglich meinen kleinen Giftcocktail verabreicht. Ich habe den Unterschied nicht einmal bemerkt. Dank der genialen, seit Jahrmillionen bewährten Detoxmechanismen meines Körpers.

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