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Meine Meinung: Skiferien oder doch lieber Wasserskiferien?

Leben

Meine Meinung: Skiferien oder doch lieber Wasserskiferien?

  • Text: Michèle Roten, Illustration: Grafilu

Waren Sie dieses Jahr auch schon Skifahren? Mit dieser Frage hat sich die Autorin Michèle Roten eingehend beschäftigt.

Es ist schon seltsam: Da habe ich mindestens 15 Jahre lang keinen Gedanken mehr an Wintersport verschwendet, aber sobald sich die Nachzucht einigermassen verlässlich auf zwei Beinen halten kann, wird es völlig selbstverständlich wieder zum Thema. Die Menschen fragen den Buben: «Ja gehst du denn auch Ski fahren diesen Winter?», einfach so. Sie fragen ihn im Frühling nie, ob er denn auch Schlüsselblumen pflücken geht, oder im Sommer, ob er mit dem Gummiboot die Limmat hinunterschippert, aber im Winter fragt man ihn nach dem Skifahren. Beziehungsweise: Sie fragen natürlich mich. Und ich frage mich das auch. Denn einerseits, eben, sagt mir Schneesport nicht besonders viel. Ich bin als Teenager von den Ski auf Snowboard umgestiegen, grosse Begeisterung war nie dabei, man hats gemacht, weil es alle gemacht haben, es gab Skilager von der Schule, ging man halt mit.

Natürlich ist es schön, eine Piste hinunterzuflitzen. Aber es ist auch sehr ärgerlich, sich in der Talsohle mit vollem Speed zu verkanten. Natürlich ist es schön, auf einem Berg zu sein und die Luft und die Sonne und die Aussicht. Aber es ist auch sehr nervig, Ewigkeiten in der Schlange zu stehen und Knieschmerzen zu kriegen, weil das vordere Bein so verdreht ist. Und dann die ganze Montur, die Mütze, die Handschuhe, die Jacke, die Brille, die Strumpfhose, die Füsse, die trotz Thermosocken immer kalt sind, die Nase, die immer läuft, die Lippen, die immer spröde sind, die Ohren, die immer wehtun, all der Mist. Wenn ich so als Erwachsene an Wintersport denke, dann muss das wirklich nicht unbedingt sein.

Aber das Problem ist natürlich folgendes: Nostalgie. Ich habe grossartige Kindheitserinnerungen an Skiferien mit der Familie. Die Ferienwohnung, die so intensiv nach Holz gerochen hat. Das Kläranlagenhäuschen auf dem Weg zur Piste, an dem immer die tollsten Eiszapfengebilde hingen. Pommes frites zum Zmittag. Wie meine Schwester und ich uns abends fix und alle auf den Schlitten setzen durften und mein Vater uns den unheimlich steilen Weg ins Dorf hinaufzog. Wie unsere Mutter es sogar in Skimontur schaffte, elegant auszusehen.

Das zieht nun folgende Überlegungen nach sich:
– Einerseits möchte ich meinem Sohn solche Kindheitserinnerungen nicht verwehren. Andererseits ist ja gar nicht klar, ob unsere Skiferien auch so schön werden würden. Gerade auch, weil ich selber keinen Bock drauf habe, sondern das mehr für ihn machen würde. Na gut, so ist es ja bei vielem, was man mit Kindern so macht.

– Wahrscheinlich hat die Tatsache, dass Skiferien als Kind so schön sind, vor allem damit zu tun, dass die ganze Familie zusammen etwas unternimmt. Wir könnten ja zwei Wochen lang alle zusammen jeden Tag ins Alpamare? Wäre wohl auch nur halb so teuer.

– Und vor allem: Gehört Skifahren nicht irgendwie zur Identität als Schweizer? Wird nicht deshalb so selbstverständlich gefragt, ob die Familie Ski fahren geht im Winter? Ja gut, aber auf solche Sachen haben wir ja schon immer geschissen. Da wird man doch bloss von einer Marketingidee der Tourismusbranche instrumentalisiert.

– Wird eigentlich der Secondobub aus Eritrea auch gefragt, ob er Ski fahren geht? Oder fragt man da taktvollerweise nicht, weil man annimmt, dass die Familie sich das eh nicht leisten kann? Unsere Zweiklassengesellschaft zeigt sich wohl am deutlichsten beim Thema Wintersport. Von daher sollte man eigentlich schon aus Solidarität mit den Schlechtergestellten nicht Ski fahren gehen.

– Aber es ist schon schön, so Schnee und Bergdorf und Fondue und Cheminée. Ich habs: Wir machen Schlittelferien.

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