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Sorgen mit der Vorsorge

Leben

Sorgen mit der Vorsorge

  • Text: Brigitte Zaugg; Foto: iStock 

Brigitte Zaugg (64) ist annabelle-Produzentin und stellt mit zunehmendem Alter Dinge infrage, die für sie in jüngeren Jahren selbstverständlich waren.

Wäre die Diagnose damals tatsächlich Brustkrebs gewesen, hätte ich mit Sicherheit eine klare Meinung. So aber habe ich bloss einen Chip in der rechten Brust, und eigentlich müsste diese Rubrik für einmal «Keine Meinung» heissen. Viele Frauen fragen sich beim Thema Vorsorgeuntersuchungen dasselbe wie ich, ob mit oder ohne Chip in der Brust: Ist es eine gute Sache, sich ab fünfzig alle zwei Jahre zur Mammografie anzumelden? Beziehungsweise – in Kantonen mit systematischen Früherkennungstests – dazu aufgeboten zu werden? Wie und wem soll man denn vertrauen, wenn Kanton X mit Screeningprogrammen beste Erfahrungen macht, während Kanton Y das System gleich wieder, weil offenbar nutzlos, abschafft?

Über meine eigene mammografische Biografie habe ich schon fast den Überblick verloren. Angefangen hat sie vor 15 Jahren mit einer gutartigen Zyste, die noch am Tag der Diagnose entfernt wurde. Auf dem Röntgenbild stellte die Spezialistin jedoch an einer anderen Stelle eine winzige «Verkalkung» fest, die man «im Auge behalten müsse». So machen wirs, dachte ich und meldete mich wie vereinbart ein Jahr später erneut zur Mammografie. Das Kalkteilchen war unverändert da, auch ein zweites, kaum grösseres. «Wir bleiben dran», verblieb ich vertrauensvoll mit der Brustärztin. Nächstes Jahr, nächste Mammografie, gleicher Befund. Nur dass jetzt noch ein dritter, irgendwie anders aussehender Winzling auftauchte. MRI, Biopsie – kein bösartiger Befund, die Stelle wurde vorsorglich mit einer Art Chip markiert, falls dereinst «ein Eingriff nötig würde». Was das alles kostete, musste mir egal sein, ich tat ja nur, wozu mir medizinisch geraten wurde.

Ein paar Mammografien später wurde ich sicherheitshalber zu einer Tomosynthese geschickt. Statt zweidimensional sah man meinen Winzling jetzt dreidimensional und ungleich schärfer, zu meiner grossen Freude aber kein bisschen grösser. Das war vor zwei Jahren. Letztes Jahr hätte ich mich dort erneut für einen Test melden sollen. Ich habs – inzwischen fast schon entspannt – schlicht verlauert.

Dafür war ich endlich wieder mal für einen Krebsabstrich bei meiner Gynäkologin. Daran hatte ich im jahrelangen Mammo-Wechselbad von Befürchtung und Erleichterung gar nicht mehr gedacht. Wir unterhielten uns über die verschiedenen Krebsarten, und ich erfuhr, dass Brustkrebs im Alter nur noch langsam wächst, der aggressivste aller Tumore aber, der Eierstockkrebs, einen in nur drei Monaten erledigen kann, und zwar bis ins hohe Alter, Vorsorgeuntersuchungen wären da sinnlos. Beim Gebärmutterhalskrebs wiederum sei eine regelmässige Kontrolle sinnvoll, und ich solle doch, falls ich nichts anderes von ihr höre, in zwei Jahren wiederkommen.

Einst ging ich sogar brav jedes Jahr zum Abstrich – und nun lese ich die neusten Empfehlungen für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Der Test soll nicht alle zwei, sondern nur alle drei Jahre wiederholt werden. Das ergibt «die beste Balance zwischen Nutzen und Schaden». Waren zwei von drei Vorsorgeuntersuchungen in meinem Leben also für die Katz? Haben mir vielleicht sogar geschadet?

Und noch ein Satz springt mir ins Auge: Bei «unauffälligen Screening-Ergebnissen» soll der Test ab Alter 70 «sistiert werden». Da stellt sich die Frage, was ich mit 64 Jahren jetzt tun soll: in zwei Jahren wie geplant zum Abstrich antraben? Oder erst in drei? Oder gleich ganz «sistieren»?

Kürzlich diskutierte ich mit meiner Schwägerin, einer ehemaligen Pflegefachfrau, über Vorsorgeuntersuchungen. Sie habe damit ganz aufgehört, sagte sie. Sie wolle mich da allerdings nicht beeinflussen, jede Frau müsse letztlich selber wissen, wie sie dazu stehe. Ja, wenn man nur wüsste!