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Unsere beste Waffe

Leben

Unsere beste Waffe

  • Text: Helene Aecherli; Foto: laindiapiaroa / Getty Images

Autorin Helene Aecherli fragt sich, was wohl noch alles geschehen muss, damit Frieden endlich lukrativer wird als Krieg.

Die mutmassliche Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat erreicht, was der seit vier Jahren andauernde Jemen-Krieg trotz all seiner Opfer nicht geschafft hat: ein PR-Desaster für das milliardenschwere Königreich. Denn anders als die Kriegsverbrechen im weit entfernten Jemen lässt sich die Tat im saudischen Konsulat in Istanbul nicht einfach ausblenden. Weltweit werden Sanktionen gegen das Königreich erwogen, derzeit wird sogar über einen Stopp der Waffenausfuhren nachgedacht. Auch hierzulande. Das ist bemerkenswert. Denn bis anhin hat der Bund in Sachen Waffen wirtschaftliche Interessen stets vor menschenrechtliche gestellt.

So beschloss der Bundesrat vor vier Jahren, Rüstungsexporte in Länder zu erleichtern, die Menschenrechte systematisch verletzen. Vergangenen Juni kündigte er an, künftig auch Gesuche für Kriegsmaterialexporte in Bürgerkriegsländer prüfen zu wollen. Als Gründe hierfür werden der Erhalt von Arbeitsplätzen und die Fitness der hiesigen Rüstungsindustrie genannt – Kriterien, die so altbekannt sind, wie sie in politischen Diskussionen verlässlich verfangen. Fast schon reflexartig wird dabei der Mythos der Schweiz als unabhängige Nation heraufbeschworen, deren schiere Existenz von der Schlagkraft der hiesigen Rüstungsindustrie abhängt. Es ist im Grunde dieselbe ideologische Argumentation, mit der auch die Heimaufbewahrung der Armeewaffen noch immer legitimiert wird. Sie zelebriert das Bild des wehrhaften und deshalb ehrhaften Bürgers, der Kraft seiner eigenen Waffe allzeit bereit ist, das Vaterland zu verteidigen. Diese Ideologie ist Teil der kollektiven helvetischen DNA – und mit ein Grund dafür, weshalb Waffendebatten immer so emotional aufgeladen sind.

Mittlerweile sollte jedoch selbst sentimentalsten Traditionalisten klar sein, dass angesichts der aktuellen Bedrohungslage und künftiger Konfliktszenarien die Dauerbewaffnung des Milizsoldaten ein alter Zopf ist. Und geradezu irrational ist die Vorstellung, die Schweiz könne ihre Landesverteidigung heute wie in Zukunft aus eigener Kraft und Produktion leisten. Längst stammt der Grossteil unserer militärischen Schlagkraft aus dem Ausland; Kampfjets aus den USA, Schützenpanzer aus Schweden, Aufklärungsdrohnen aus Israel.

Im vergangenen Jahr exportierte die Schweiz gemäss Seco Kriegsmaterial für 447 Millionen Franken. Dies entspricht 0.15 Prozent der gesamten Warenausfuhr – und nicht einmal der Hälfte des Werts der 2017 ausgeführten Schokolade.

Nun, vielleicht wäre es an der Zeit, angesichts dieses relativ marginalen Exportvolumens das hiesige Kriegsmaterialtreiben grundsätzlich neu zu denken – und künftig ganz auf die Ausfuhr von Rüstungsgütern zu verzichten. Denn selbst ein noch so freundlich gesinnter Empfängerstaat wird nie ausschliessen können, dass unsere Waffen nicht irgendwann doch in falsche Hände geraten. Warum sich also nicht auf die andere, humanitärere Wehrhaftigkeit besinnen, für die unser Land als neutrale Friedensvermittlerin international bekannt ist – und dafür wirtschaftliche Interessen für einmal hintanstellen. Wir hätten schon mal einen passenden Claim für eine solche Charme-Offensive: «Make chocolate, not war!»