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«Zwei Drittel der Betroffenen überleben heute ihren Brustkrebs»

Gesundheit

«Zwei Drittel der Betroffenen überleben heute ihren Brustkrebs»

  • Text: Anna Böhler; Foto: Getty Images

Eine bessere Vorsorge und massgeschneiderte Therapien haben die Heilungschancen massiv verbessert, sagt Eliane Sarasin vom Brust-Zentrum Zürich.

annabelle: Eliane Sarasin, welche Fortschritte gibt es heute in der Vorsorge und der Behandlung von Brustkrebs?
Eliane Sarasin: Die Mammografie-Apparate werden immer genauer. So ist zum Beispiel die Tomosynthese in gewissen Fällen aussagekräftiger als das herkömmliche Verfahren, da sie eine dreidimensionale Darstellung der Brust ermöglicht. Zudem sind die medikamentösen Therapien von Brustkrebs sehr viel präziser geworden. Die betroffenen Frauen erhalten eine ihrem Subtyp von Brustkrebs entsprechende Behandlung, da die verschiedenen Arten von Brustkrebs unterschiedlich auf Medikamente reagieren. Sehr aggressive Tumore werden immer häufiger bereits vor der Operation mit einer Chemotherapie bekämpft. So lassen sich Tumor und Lymphknotenbefall reduzieren, so dass die Operation vielleicht weniger ausgedehnt wird und man Zeit gewinnt. Letzteres ist besonders wichtig, da nicht selten auch ein genetischer Test durchgeführt werden muss, wenn die Betroffene noch mehr krebskranke Familienmitglieder hat. Dieser benötigt einige Wochen bis zum Resultat und dieses beeinflusst die Wahl der Operationstechnik. Ein geniales Konzept, aber die Frau muss aushalten können, dass der Tumor noch etwas in der Brust verbleibt, dafür kann sie meist sehen, dass er «schmilzt» unter der Therapie. Derzeit laufen Untersuchungen, ob möglicherweise sogar auf eine Operation verzichtet werden kann, wenn der Tumor nach der Chemotherapie nicht mehr sichtbar ist.

Inwiefern hat sich die Corona-Krise auf die Behandlung von Brustkrebs ausgewirkt?
Während des Lockdown hatten wir die Weisung, keine Routineuntersuchungen zu machen. Stand jedoch ein Krebsverdacht im Raum, durften die Frauen immer zu einer Untersuchung kommen. Viele Frauen, die nach Abschluss ihrer Therapie noch mit Hormonen behandelt werden, hatten Angst, dass sie Teil der Risikogruppe sind. Ihnen konnten wir Entwarnung geben. Anders ist es bei den Patientinnen, die sich noch mitten in einer Chemotherapie befinden: Sie gehören zur Gruppe mit einem erhöhten Risiko für einen Covid-Infekt.

Wie gross ist heute die Chance, Brustkrebs zu überleben?
Etwa zwei Drittel der erkrankten Frauen können heute geheilt werden, das heisst, sie gelten als krebsfrei. Dies ist vor allem der besseren Vorsorge und den massgeschneiderten Therapien zu verdanken. Einerseits bleibt die Anzahl der Frauen, die jährlich neu an Brustkrebs erkranken, hoch – in der Schweiz sind es jährlich etwa 5500 Personen – während aber auch die Chancen auf Heilung steigen. Ursache für die hohe Erkrankungsrate sind unter anderem der Lebensstil wie Alkohol, Übergewicht und körperliche Inaktivität sowie das steigende Alter der Frauen.

Sehr viele Frauen fallen interessanterweise erst nach Abschluss ihrer Krebsbehandlung in ein Loch. Warum?
Krebspatientinnen werden während der Akutbehandlung eng von einem multidisziplinären Behandlungsteam begleitet. Das Team setzt sich zusammen aus einer Chirurgin, einem Onkologen, einer Breast-Care Nurse, eine Pflegefachfrau, die darauf spezialisiert ist, Brustkrebspatientinnen zu betreuen, einem Pathologen, einem Radiotherapeuten und einer Psycho-Onkologin. Ist die Behandlung abgeschlossen, steht plötzlich nur noch alle drei Monate eine Untersuchung an. Viele Frauen verunsichert das. Wir gehen individuell auf die Bedürfnisse der Betroffenen ein: Ängstliche Frauen dürfen öfters in die Kontrolle kommen und werden nach der Behandlung weiter von Breast-Care Nurses betreut. Auch die psychologische Unterstützung kann fortgeführt werden – doch nimmt nur jede fünfte Frau dieses Angebot an.

Welche komplementären Massnahmen helfen, die Lebensqualität während der Behandlung zu verbessern?
Die Krebsliga hat speziell für Brustkrebspatientinnen ein Rehabilitationsprogramm mit psycho-onkologischer Unterstützung, Ernährungsberatung und Sport entwickelt, um Betroffene zu unterstützen. Körperliche Aktivität hilft, gerade die Nebenwirkungen der Chemotherapie zu lindern. Welche Sportart man wählt, ist nicht so wichtig, Hauptsache, man bewegt sich – sei es, täglich eine Stunde spazieren zu gehen, zu tanzen oder im Garten zu arbeiten. In der Regel fühlt man sich am ersten und zweiten Tag nach der Chemotherapie müde und kraftlos. Danach sollte man sich aber bewegen. Gibt man der Müdigkeit nach und schläft den ganzen Tag, wird man noch müder. Achtsamkeitstraining sowie Yoga oder Meditation helfen auch dabei, die Chemotherapie besser zu überstehen. Und ganz wichtig: Wer sich bewegt, stärkt auch seine psychische Gesundheit. Und die hat erwiesenermassen einen grossen Einfluss auf den Therapie-Erfolg.

Eliane Sarasin ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Leitende Ärztin am Brust-Zentrum Zürich sowie am Swiss Breast Care in der Klinik Bethanien