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Interview mit Shootingstar Ella Rumpf

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Interview mit Shootingstar Ella Rumpf

  • Mode-Redaktion: Daniella Gurtner, Michèle Boeckmann; Fotos: Roman Goebel; Interview: Yvonne Eisenring

Von ihr wollen wir noch viel sehen: Die 19-jährige Zürcherin ist der Shootingstar des neuen Schweizer Kinos und geboren für die Kamera. Für uns präsentiert die junge Schauspielerin Mode, die zu ihr passt – stark und aufmüpfig.

«Das Ganze ist so verdammt körperlich»

Im Teenagerdrama «Chrieg» spielt sie ein Girl mit Eiern – für die Rolle trainiert hat Ella Rumpf mit einer Socke in der Hose.

Um ein Haar hätte ich Ella Rumpf nicht erkannt. Die junge Frau in ihren knallengen, hoch geschnittenen Jeans, die einem da mit grossen Schritten entgegenkommt, sieht der burschikosen Ali aus dem Film «Chrieg» überhaupt nicht ähnlich. Und das liegt nicht nur an den Haaren, die jetzt wieder länger sind. Auch ihr Gesicht, ihr gesamtes Wesen haben sich, so scheint es, seit den Dreharbeiten völlig verändert. Ella Rumpf lacht und sagt, sie erkenne sich manchmal auch nicht, wenn sie alte Fotos anschaut.

Ella Rumpf, 19 Jahre alt und für «Chrieg» vom Schweizer Regisseur Simon Jaquemet quasi von der Strasse aufs Filmset geholt, ist eine Frau mit augenscheinlich angeborenem Talent zur Verwandlung. Die Rolle der in sich gekehrten, rebellischen Ali, die sie in Jaquemets Spielfilmdebüt spielt, kauft man ihr jede Sekunde des Films ab – obwohl die Figur ganz offensichtlich so gar nicht zu ihrem Naturell passt.

«Chrieg» ist ein rohes, (bild-)gewaltiges Coming-of-Age-Drama. Ali, die vermeintlich verzogene Teenagergöre, verbringt den Sommer zusammen mit drei Jungs in einem Erziehungslager auf einer Alp. Dort oben, nur scheinbar fernab von jeglichen zivilisatorischen Verlockungen und Teenie-Spässen, ist von Nacherziehung jedoch keine Rede. Der bedauernswerte «Hüttenpapi» hat die Kontrolle über die ihm anvertrauten Kids verloren. Ali und die drei Jungs schwingen das Zepter, und zwar nach ihren eigenen, bisweilen sadistischen Regeln. Auf dem Berg messen sie sich wie Jungwölfe in wilden Rangkämpfen. Unten im Tal überfallen sie Geschäfte, randalieren, rächen sich an ihren Eltern. Der Umgang der vier Jugendlichen untereinander ist wie die hochalpine Umgebung: roh und rau. Es wird nonstop gepöbelt, geprügelt, gerotzt. Kriegszustand. Und mittendrin: Ali. Die einzige Chance, sich als junge Frau in der Gruppe zu behaupten, besteht darin, alles Weibliche an sich abzulehnen, abzustreifen, zu negieren.

Als Ali trägt Ella Rumpf die Haare raspelkurz. Sie redet wie ein Typ, bewegt sich wie ein Typ, schweigt wie ein Typ. Sie ist passiv, introvertiert. Kein Vergleich zu der Ella Rumpf, die da zum Interview erschienen ist: Ihre Worte liefern sich ein Wettrennen. Immer wieder bricht sie Sätze in der Mitte ab, fängt neu an, sie redet hastig und ohne Pausen. Während sie spricht, streicht sie sich ununterbrochen durchs Haar, steckt ihre kleinen Klammern um, befestigt eine andere Strähne am Kopf. Ihre Frisur, ein wildes Durcheinander von Klammern und Spangen, ist alle paar Minuten eine andere.

annabelle: Ella Rumpf, sind Sie froh, dass sind Ihre Haare wieder länger sind?
Ella Rumpf: Eigentlich schon. Mit jedem Zentimeter kam ein Stück Weiblichkeit zurück – aber leider auch ein Stück Unsicherheit. Mit kurzen Haaren fühlte ich mich stärker. Jetzt fühle ich mich wieder verletzlicher.

Wurden Sie mit kahlem Kopf denn so viel anders wahrgenommen?
Ja, total. Als junge Frau mit langen Haaren hielten mich viele für arrogant und oberflächlich. Mit kahlem Kopf wurde ich plötzlich respektiert, ernster genommen. Ich hätte mir zwar nie freiwillig die Haare abgeschnitten, aber ich bin so froh, durfte ich diese Erfahrung machen.

Hat sich Ihr Selbstbewusstsein dadurch nachhaltig verändert?
Ich denke schon. Vor dem Dreh war ich ein richtiges Mädchen. Die langen Haare gaben mir eine Identität, Sicherheit. Ich konnte mich wie hinter ihnen verstecken. Und ich wusste, wie ich mit dem Frausein spielen, wie ich mit meinen weiblichen Reizen Dinge erreichen konnte. Als die Haare abgeschoren waren, fiel das weg. Ich fühlte mich plötzlich nackt. Ich dachte, ich hätte mit den Haaren auch meine ganze Attraktivität verloren. Mit kahlem Kopf musste ich meine Weiblichkeit neu erfinden.

Wie viel Ella steckt in Ali, respektive: Wie viel Ali steckt in Ella?
Nicht viel. Ali ist sehr weit weg von mir. Aber natürlich habe ich versucht, sie für die Zeit der Dreharbeiten zu einem Teil von mir zu machen.

Wie haben Sie sich diese Ali-typischen Attitüden antrainiert, diese Männlichkeit, die ihr das Gefühl gibt, unangreifbar zu sein?
Das war natürlich gar nicht so einfach, auch weil das Ganze so verdammt körperlich ist. Als Erstes haben sie mir schon Wochen vor Drehbeginn den Kopf rasiert. Das war schon mal ein grosser Schnitt. Danach lief ich öfter in Baggypants und Kapuzenpullis rum, habe Boxunterricht genommen und versucht, auch im Alltag an meiner männlichen Haltung zu arbeiten – dafür hat mich Simon Jaquemet, der Regisseur, zum Beispiel mit einer Socke zwischen den Beinen auf die Strasse geschickt.

Was war das Schwierigste?
Mich auf diese radikale männliche Art einzulassen, ohne das Gefühl zu haben, ich spielte bloss eine lächerliche Karikatur eines Jungen. Zudem hatte Simon Jaquemet für Ali eine düstere, introvertierte Charaktervorstellung. Ich selber bin aber ein ziemlich positiver Mensch. Dieses Finstere an Ali, das bin nicht ich.

Ella Rumpf ist in der Stadt Zürich aufgewachsen, im Kreis 6. Ihr Vater ist Psychotherapeut, ihre Mutter Dozentin. Ella Rumpf ging in die Steiner-Schule. Als sie dort «Romeo und Julia» spielten, bekam Ella die Hauptrolle. Sie war 14 damals – und danach «total begeistert» von der Schauspielerei. Also meldete sie sich beim Castingbüro von Corinna Glaus an. Mit 16 bekam sie ihre erste Minirolle im Kinofilm «Draussen ist Sommer». Zwei Jahre später, Ella Rumpf hatte unterdessen die Atelierschule, das Gymnasium der Rudolf-Steiner-Schule, abgeschlossen, erhielt sie eine der vier Hauptrollen in Simon Jaquemets «Chrieg». Dreissig Tage dauerten die Dreharbeiten. Als der Film im Sommer 2013 im Kasten war, zog sie nach London und begann ihre Schauspielausbildung an der Schule von Giles Foreman.

Sie scheinen schon lange sehr genau zu wissen, was Sie wollen.
Ja, ich bin völlig versessen auf Schauspielerei und Film. Ich habe mich schon immer gern in anderen Welten verloren – manche sagen auch Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom dazu …

Sie meinen ADS?
Ja, zu Beginn meiner Schulkarriere meinte ein Schulpsychologe zu meinen Eltern: «Wenn Sie Ihrer Tochter kein Ritalin geben, wird sie Ihnen das später mal vorwerfen, weil sie nicht weiterkommt im Leben.» Aber ich habe mich immer dagegen gewehrt. Zum Glück waren auch meine Eltern gegen Ritalin – und haben mich stattdessen auf die Steiner-Schule geschickt. Ich brauchte einfach mehr Raum. Und mehr Zeit, um herauszufinden, was ich brauche und was ich kann.

Und, herausgefunden?
(lacht) Zumindest ein bisschen. Ich bin jemand, der ehrlich mit sich selber sein möchte und so natürlich wie möglich. Ich habe gelernt, dass ich meinen Gefühlen vertrauen kann. Wenn ich auf meinen Bauch höre, kommts gut. Ich bin schliesslich die Einzige, die mein Leben in die Hand nehmen kann. Und ich will ein gutes Leben haben.

Dann sagen Sie mal: Die Woche hat sieben Tage. Wie viele Tage sind denn gut in einer Woche von Ella Rumpf?
Vier.

Und an den restlichen Tagen fühlen Sie sich einsam? Sie sind schliesslich schon mit 18 und quasi allein nach London gezogen.
Ja, manchmal fühle ich mich tatsächlich einsam in dieser Millionenstadt. Aber eigentlich habe ich gar nicht so viel Zeit, um mich mies zu fühlen. Dafür ist das Studium viel zu intensiv. Ich bin oft erst um 22 Uhr zuhause, gehe kaum aus.

In London?
Na ja, ich hatte eben auch noch kaum Zeit, das Nachtleben Londons kennen zu lernen. Wenn ich ausgehe, dann meist zum Bier in einem Pub.

Wie selbstständig waren Sie denn, als Sie nach London gegangen sind?
Na ja. Putzen musste ich lernen, kochen kann ich nach wie vor schlecht. Und leider schaffe ich es auch nicht immer, gewisse Dinge in dem Zeitraum zu erledigen, in welchem dies eigentlich gewünscht wäre … Aber ich versuche meine Eltern so wenig wie möglich damit zu belasten. Ich will nicht, dass sie sich Sorgen machen. Hätten sie denn Grund dazu? Nein, nein, sie dürfen mir vertrauen; das kommt schon gut. Ich bin sehr ehrlich mit meinen Eltern. Die wissen alles von mir.

Im Internet hingegen findet man noch so gut wie keine Informationen über Sie, auch auf Facebook sind Sie inexistent, oder?
Nein, nein, ich bin auf Facebook. Aber weil ich mich lange für meinen Namen schämte, meldete ich mich damals unter einem Pseudonym an. Unterdessen habe ich aber Frieden geschlossen mit Ella Rumpf. Als ich den Namen erstmals im Abspann eines Films las, dachte ich: Okay, den kann man sich wenigstens merken!

Sie sind jetzt 19. Welche grossen Fragen des Lebens beschäftigen Sie sonst so?
Wie sich die Welt entwickelt. Ich frage mich oft, ob das alles noch normal ist, was da draussen passiert. Meine Generation ist ja aufgewachsen in dieser Flut von Informationen. Wir können alles lesen, alles sehen, alles erfahren – aber im Grunde, habe ich das Gefühl, wissen wir nichts. Ich persönlich fühle mich oft sehr klein und weiss nicht, an welchen «Wahrheiten» ich mich orientieren kann. Aber deswegen will ich nicht passiv leben, ich will meinen Beitrag zum Guten leisten, wenn auch im Kleinen.

«Chrieg» wurde in nur dreissig Tagen abgedreht – und das Wetter scheint über weite Strecken ziemlich mies gewesen zu sein. An wie vielen Tagen haben Sie gefroren?
Eigentlich jeden Tag, aber wir wurden immer sehr gut mit dicken Daunenjacken versorgt. Ich war auch mal krank, ausgerechnet am Morgen vor dem Bad im 13 Grad kalten Bergsee. Ich konnte kaum atmen im Wasser, so kalt war es – aber die Szene musste in den Kasten. Punkt.

Hat Sie der Film verändert?
Ich denke schon, so wie einen alles, was man im Leben tut, verändert. Als Ali habe ich mich sehr stark gefühlt, ein bisschen von diesem Gefühl habe ich mitgenommen ins wirkliche Leben.

— Ab 12. März im Kino: «Chrieg» von Simon Jaquemet

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