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Liebe Barbara Bleisch

Leben

Liebe Barbara Bleisch

  • Text: Aleksandra Hiltmann 

Während ich nach einer langen Samstagnacht verkatert im Bett liege, schmeissen Sie am Sonntagvormittag die Runde am schweren Holztisch der «Sternstunde Philosophie» vom SRF.

Sie besprechen dort jedes erdenkliche und unerdenkliche Thema, philosophieren mit Ihren Gästen über Wahrheit, Krieg, Frieden, Ethik, aber auch über Sucht, Verschwörungen, Kunst und Pornografie.

Ihre Gäste decken neben vielen verschiedenen fachlichen Disziplinen auch die gesamte Bandbreite an Persönlichkeiten ab. Ob kauzig oder streitlustig, nie lassen Sie sich von jemandem aus der Ruhe bringen. Auch nicht, wenn sich ein Kunstfälscher und ein Anwalt bei der Frage, wo die Fälschung eines Werks anfängt und aufhört, fast an den Kragen gehen.

Sie greifen ein, lenken, haken nach, bringen entweder Schwung oder Ruhe an den Tisch, fragen unvoreingenommen, provokativ, einfach, informiert.

Manchmal jagt mir Ihr Wissen beinah Angst ein. Sie moderieren ja nicht nur philosophische Diskussionen, sondern unterrichten an verschiedenen Universitäten in der Schweiz, schreiben Essays, Artikel und Bücher. Sie haben Philosophie, Germanistik und Religionswissenschaften in Zürich, Basel und Tübingen studiert. Als Philosophin, Moderatorin und Autorin holen Sie die Philosophie aus dem Elfenbeinturm in den Alltag und knüpfen an aktuelle gesellschaftspolitische Debatten an.

Die «Sternstunden» werden für mich so zum erhellenden Gang über Brücken, die Sie schlagen.

Ihre Gäste und Gespräche lassen mich reisen, vom antiken Griechenland bis ins zerstörte Syrien. Bei Ihnen findet man Fragen, aber auch viele Antworten auf Themen jenseits kurzer Schlagzeilen und schneller News. Über den Tisch hinweg werden Bögen geschlagen – das Böse, das Gute, die Demokratie, der Krieg gestern und heute.

Unglaublich sind derweil auch die Einblicke, die Sie ins Seelenleben Ihrer Gäste erhalten. Mit Ruhe und Respekt wird dann das nackte Wesen einer Alkoholsucht oder einer hemmungslosen, kopflosen Liebe ausgebreitet – aber nie vulgär breitgetreten.

«Philosophie ist riskantes Denken: Sie rüttelt an Dogmen und erprobt gedanklich das scheinbar Unmögliche», sagen Sie. Nicht nur Dogmen werden bei Ihnen am sternstundlichen Tisch durchgerüttelt, sondern auch mein Geist. Mit Ihnen ist mir kein Morgen zu früh, um ihn mit Philosophie zu beginnen.

Herzlich, Aleksandra Hiltmann