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«Hört auf, den G-Punkt zu suchen!»

Leben

«Hört auf, den G-Punkt zu suchen!»

  • Text: Jacqueline Krause-Blouin; Bilder: Getty Images

Ruth Westheimer, als Sexberaterin weit über die USA hinaus eine Institution, ist 91 Jahre alt und lebte einst als Flüchtlingskind in der Schweiz. Sie kennt kein Tabu und redet ebenso offen über Vibratoren und die Schattenseiten von One Night Stands wie über schwere Zeiten und untaugliche Ehemänner.

Schon in der Lobby konnte man ihr berühmtes Kichern hören. Und dann sitzt sie da, am Ecktisch im Restaurant des Zürcher Grandhotels Baur au Lac, adrett, wie man das von ihr kennt, in apricotfarbener Bluse: Ruth Westheimer, Sexualtherapeutin, Fernsehstar, Radiosensation – und Amerikas beliebteste Deutsche. Selbst wenn sie gleich aufstehen wird, so wird sie doch nicht viel höher über den Tisch ragen – Westheimer ist gerade mal 1.40 Meter gross, «1 Meter 40 konzentrierter Sex», wie sie sich in ihren Sendungen gern selbst bezeichnet hat. Und es stimmt schon: Jemanden mit ihrem Selbstbewusstsein muss man erst einmal finden. «Ich zeige ihnen was aus Ameeeerika!», sagt Westheimer, die darauf beharrt, das Interview auf Deutsch zu führen, ihre Muttersprache, obwohl sie seit über sechs Jahrzehnten in den USA lebt.

Sie zeigt auf Kopien eines Artikels aus dem «People Magazine»: «Hundert Gründe, Amerika zu lieben.» Dr. Ruth ist einer davon. «Fantastisch, fantastisch!», ruft sie aus und applaudiert sich gleich selbst. Nachdem sie allen Anwesenden Kopien in die Hand gedrückt hat, schickt sie ihre Assistentin los, um noch weitere zu holen. Gute alte Selbstpromotion, Dr. Ruth hat sie drauf. «Schauen Sie mal mein Gesicht an, ich sehe so gut aus! Wegen der Visagistin, die die Filmleute in mein Zimmer geschickt haben. Fantastisch!» Sie habe sich extra herausgeputzt für annabelle, das Magazin sei ja immerhin fast schon so alt wie sie. Eine PR-Mitarbeiterin wird als Nächstes angewiesen, ein Foto zu machen. «Für – wie heisst das Ding? – meinen Twitter!» Als Westheimer hört, dass die Interviewerin kürzlich ein Kind bekommen hat, gibt sie sogleich ungefragt ein paar Sextipps. «Sie müssen unbedingt ab und zu ins Hotel mit Ihrem Mann. Trinken Sie Champagner und dann nehmen Sie gemeinsam ein Bad. Sie müssen ja nicht die ganze Nacht bleiben, ein paar Stunden reichen. Vielleicht können Sie mit den Leuten vom ‹Baur au Lac› hier einen Deal machen! Und das Baby einfach mal schreien lassen, bitte. Schreiben Sie das auf!»

Es ist diese sympathisch unverblümte Art, die Ruth Westheimer in den Vereinigten Staaten zu einer Sensation werden liess. Vor knapp vierzig Jahren, in einer Zeit, in der man Sex noch vornehmlich im Dunkeln praktizierte, wandte sie sich in ihrer Radioshow «Sexually Speaking» an ein Millionenpublikum und beantwortete – in hinreissendem Englisch mit deutschem Akzent – als «Dr. Ruth» dessen Fragen; direkt, aber nie vulgär, humorvoll, aber keinesfalls spöttisch. Noch heute lehrt sie, die ursprünglich an der Sorbonne in Paris Psychologie und später Soziologie studiert und in ihrer Karriere über vierzig Bücher geschrieben hat, an der Columbia University. Und bis heute ist sich die gebürtige Karlsstädterin in keiner Situation zu schade, Sexfragen aller Art zu beantworten. «Überall auf der Welt kommen Menschen zu mir, um mit mir über ihr Liebesleben zu sprechen. Sogar Taxifahrer und Kellner, alle haben sie eine Frage. Nur in der Schweiz nicht, hier ist man zu diskret.» Scherzhafte Seitenhiebe auf die Schweiz werden im Gespräch noch häufiger fallen. Westheimer ist im Land, um ihren Dokumentarfilm zu promoten. «Ask Dr. Ruth» erzählt auf einfühlsame Weise die Lebensgeschichte der gebürtigen Karola Ruth Siegel. Wer dabei jedoch lediglich banales Sex-Geplänkel erwartet, wird enttäuscht werden: Der Film berichtet auch überraschend ehrlich von ihrer Flucht vor dem Holocaust, als zehnjähriges Mädchen ganz auf sich allein gestellt, weil die Eltern im KZ in Auschwitz ermordet wurden. Doch Schwermut ist Ruth Westheimers Sache nicht. Auch mit 91 Jahren schaut sie noch immer strahlend optimistisch nach vorn. Auf die Frage, ob sie jetzt auch noch einen Oscar wolle, meint sie wie aus der Pistole geschossen: «Unbedingt! Ich sehe mich schon da auf der ganz grossen Bühne! Fantastisch!»

annabelle: Ruth Westheimer, mit der Schweiz verbindet Sie eine besondere Geschichte.
Ruth Westheimer: Ich verdanke der Schweiz mein Leben! Ich kam am 5. Januar 1939 mit einem dieser damals legalen Kindertransporte aus Deutschland hierher und wurde in einem Kinderheim im Appenzell untergebracht. Hätte mich die Schweiz nicht aufgenommen, ich hätte nicht überlebt. Das Heim hiess Wartheim, ironischerweise – denn wenn ich etwas kritisiere, dann nur das, dass wir Mädchen nicht in die Sekundarschule durften. Ich erinnere mich noch gut, wie ich damals sehnsüchtig über den Schulhof gelaufen bin und mir wünschte, in diesem Haus unterrichtet zu werden wie die Jungens. Stattdessen wurden wir Mädchen in Hausarbeit ausgebildet, mein Diplom machte ich in Herisau. Wenn es mit Dr. Ruth also mal nicht mehr läuft, komme ich in die Schweiz, zeige mein Zeugnis und putze hier rum. Aber Fenster mache ich nicht, das sag ich Ihnen gleich! Nun gut, die Welt hat sich zum Glück geändert – sogar die Schweiz! (lacht)

Sie kommen noch heute jedes Jahr hierher.
Ja, und immer gehe ich als Erstes zu Sprüngli. Damals im Kinderheim durfte ich nie nach Zürich und jetzt sitze ich hier im Fünfsternehotel. Ich habe den Filmleuten gesagt: Wenn ihr mich für Interviews wollt, dann bitte nur im besten Hotel der Stadt.

Warum haben Sie mit einem Film über Ihr Leben eigentlich so lang gewartet?
Ich habe mehrfach abgelehnt. Dachte, die Leute können mich doch langsam nicht mehr sehen, ich bin ja ständig im Fernsehen. Aber die Produzenten haben nicht locker gelassen und mir einen Film namens «Kein Platz zum Leben» geschickt, den sie produziert hatten. Da war meine Neugier geweckt, weil das natürlich genau meine Geschichte ist; für mich war auch kein Platz auf der Welt. Ich fühlte mich auch sehr allein ohne meine Eltern und kann bis heute das Bild nicht vergessen, wie ich als zehnjähriges Mädchen in den Zug Richtung Schweiz gestiegen bin und wie mein Vater damals am Bahnsteig stand und sich zu einem Lächeln gezwungen hat. Ich bin jetzt 91. Ich muss meine Geschichte noch erzählen – meine Geschichte mit dem Holocaust, denn dieses Thema darf nie in Vergessenheit geraten.

«HÄTTE MICH DIE SCHWEIZ NICHT
AUFGENOMMEN,
ICH HÄTTE NICHT ÜBERLEBT»

 

Stört es Sie denn, dass man Sie vor allem mit Sex in Verbindung bringt?
Mein Nachlass wird natürlich immer sexueller Natur sein. Aber vielleicht sollte ich auch noch über etwas anderes sprechen. Ich dachte ja immer, dass jemand, der von morgens bis abends über Sex spricht, um Politik einen Bogen machen sollte. Aber jetzt, mit 91, habe ich meine Meinung geändert, weil ich gesehen habe, wie die Kinder an der Grenze zwischen den USA und Mexiko von ihren Eltern getrennt werden. Ich weiss, wie sich das anfühlt.

Wie politisch sollte Sex sein?
Wenn es darauf ankommt, durchaus sehr politisch. Etwa wenn es heute darum geht, dass Abtreibungen in den USA legal bleiben. Damals in den Achtzigern war ich im Radio eine der ersten, die über das Thema Aids gesprochen haben. Und bereits in den Sechzigern war es sehr wichtig, dass eine öffentliche Person wie ich sagt, dass wir zwar nicht wissen, warum sich manche Menschen vom eigenen und manche Menschen vom anderen Geschlecht angezogen fühlen, aber sicher ist, dass alle gleichermassen respektiert werden müssen. Punkt. Das klingt für Sie heute natürlich nicht sehr bahnbrechend, aber das war es damals. Ich gehe noch heute regelmässig zur Pride.

Ich war sehr überrascht, dass Sie sich nicht als Feministin bezeichnen.
Meine Enkelin hat mir erläutert, dass ich wohl doch eine Feministin bin. Ich hatte ein wenig Angst vor dem Wort. Aber sie hat mir gesagt: «Schau Oma, du glaubst doch daran, dass alle Geschlechter in allen Belangen gleiche Rechte haben sollten. Dir ist wichtig, dass Abtreibung legal bleibt oder dass Frauen Zugang zu Bildung haben müssen.» Und natürlich habe ich all das bejaht. Also bin ich jetzt offenbar eine Feministin, das ist doch interessant! Sie hat mir auch erklärt, dass das nichts mehr mit Büstenhalterverbrennen zu tun hat.

Warum sprechen Sie eigentlich nie über Ihr eigenes Sexleben?
annabelle! Das geht niemanden was an!

Aber wir könnten bestimmt viel von Ihnen lernen!
Es gibt Dinge, die man für sich behalten muss – ausser natürlich in einer therapeutischen Situation. Ich war dreimal verheiratet, obwohl ich dachte, ich sei hässlich und klein und niemand würde mich je wollen. Zwei der Männer waren Liebesaffären, die ich legalisiert habe. Erst meine dritte Ehe mit Manfred Westheimer war eine grosse Liebe.

Welche Zeit war besser? Single oder verheiratet? Ganz klar verheiratet zu sein mit Manfred. Er war der perfekte Mann. Er war intelligent und konnte wahnsinnig gut Ski fahren. Und er hat meine Tochter Miriam adoptiert. Man kann im Leben Fehler machen, das passiert. Aber ich bin dagegen, dass man mit jemandem unglücklich zusammenbleibt, nur um sich nicht scheiden zu lassen. Ich hatte die Courage, mich vom Vater meiner Tochter zu trennen, in einer Zeit, in der das noch kaum jemand gewagt hat. Rückblickend kann ich sagen: Ich habe mich zweimal vertan und beim dritten Mal das grosse Los gezogen.

«ICH DACHTE, ICH SEI HÄSSLICH
UND KLEIN UND NIEMAND WÜRDE
MICH JE WOLLEN»

 

War es denn nicht schwierig, Ihre Tochter vom Vater zu trennen?
Natürlich war das schmerzhaft. Aber damals war es gar keine Frage, ob das Kind beim Vater oder bei der Mutter bleibt. Es war sonnenklar, dass die Erziehung vornehmlich Aufgabe der Mutter ist. Mein Ex-Mann zog dann zurück nach Europa, ich blieb mit der Kleinen in den USA.

Wie war es als alleinerziehende Mutter zu der Zeit?
Schwierig. Zwischen all den Hausfrauen war ich die einzige, die ihr Kind selbst ernährte. Und dies mit einem Verdienst von rund einem Dollar die Stunde! Ich hatte nie Geld, aber es hat mich nicht betrübt. Und irgendwie habe ich es fertiggebracht, dass meine Lebenssituation nicht als skandalös galt, obwohl ich deutsch-jüdisch und bourgeois bin und eigentlich aus einem sehr traditionellen Umfeld komme. Aber ich habe nie unter der Situation gelitten, es war halt einfach so, und ich musste Lösungen finden. So habe ich alle Kleider für mich und für die Kinder von Freunden geerbt. Und weil ich so klein war, trug ich manchmal Kinderkleider.

Sie waren 36 Jahre lang mit Manfred Westheimer verheiratet. Wie fand er es, dass sie beruflich den lieben langen Tag über Sex sprechen?
Er hat immer gesagt: «Die Kinder vom Schuhmacher haben keine Schuhe.» Damit meinte er, dass ich Details aus unserem Sexleben gefälligst für mich behalten sollte. Doch auch in der heutigen Zeit, in der man offener über Sex spricht, muss man aufpassen, was man erzählt. Wenn Sie ihrer Freundin zum Beispiel berichten, dass ihr Mann immer zu früh kommt – keine gute Idee! Sie wird Sie bei jedem Kaffeekränzchen fragen, ob sich sein Stehvermögen verbessert hat. In so einem Fall gilt: Lieber den Mann schnappen und zu einem Sexualtherapeuten gehen.

«AUCH IN DER HEUTIGEN ZEIT, IN DER
MAN OFFENER ÜBER SEX SPRICHT,
MUSS MAN AUFPASSEN, WAS MAN 
WEM ERZÄHLT» 

 

Wie haben Sie es geschafft, dass Ihnen wildfremde Leute ihre intimsten Geheimnisse preisgeben?
Ich war gut ausgebildet, hatte einen Doktortitel. Die Leute spürten, dass ich weiss, worüber ich spreche, und dass ich nicht einfach nur zum Jux und fürs Entertainment da bin. Trotzdem schadet natürlich auch eine Prise Humor nicht, bei so einem delikaten Thema. Im jüdischen Talmud steht, dass man die Leute viel nachhaltiger mit Hilfe von Humor erreicht.

Wo ziehen Sie Ihre Grenze?
Einmal hat mir jemand gestanden, dass er sich von Tieren angezogen fühlt. In seinem Fall war es eine Kuh …

Wie haben Sie reagiert?
Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Tierärztin sei. Muuh!

Peinlich ist Ihnen nichts, oder?
Nicht in Bezug auf Sex. Aber auch dies liegt wohl an meinem jüdischen Hintergrund. Anders als in anderen Religionen ist Sex in der jüdischen Tradition nie eine Sünde. Es gilt als Pflicht, in der Ehe Sex zu haben – und zwar nicht nur zu Fortpflanzungszwecken, sondern auch zum Spass.

Die 91-jährige Ruth Westheimer lebt seit über sechs Jahrzehnten in den USA.  

Gibt es Dinge, die in Ihren Augen wieder zum Tabu werden sollten?
Ja, One Night Stands. Denn ist es zu glauben, dass Syphilis tatsächlich wieder ein Problem ist? Geschlechtskrankheiten verbreiten sich, wenn man wahllos und husch, husch die Betten wechselt. Auch schlimm ist, dass so viele Leute auf Drogen und Alkohol zurückgreifen – in der Hoffnung, sie hätten damit besseren Sex. Aber was mich am meisten aufregt, ist, dass die Kunst der Konversation verloren geht. Alle haben ein iPhone – auch ich! Aber es kann doch nicht sein, dass im Restaurant bei jedem Date die Handys auf dem Tisch liegen. Wie soll da Stimmung aufkommen?

Nun, wir leben doch in einer eher übersexualisierten Gesellschaft …
Ach, so etwas gibt es doch gar nicht! Ausser jemand ist krank und braucht den Sex, um zu wissen, dass er noch lebt. Wenn in einer Beziehung einer mehr Sex möchte als der andere, dann soll der, der mehr möchte, sich öfter selber befriedigen und dann schlafen gehen.

Ich meinte die Omnipräsenz von Sex, wo immer man hinschaut. Trotzdem haben junge Erwachsene laut aktuellen Studien tatsächlich immer weniger Sex.
Vielleicht gerade deswegen. Ein bisschen Geheimnis erzeugt Spannung, aber heute ist eben nicht mehr viel geheim. Was ich beobachte, ist, dass viele junge Menschen sich nicht auf eine Verbindung konzentrieren, sondern mehrere Partner haben. Doch man wird nicht dauerhaft zufrieden sein, wenn man sich auf niemanden verlassen oder sich nicht freuen kann, dass da jemand ist, der einem wichtig ist.

Glauben Sie, dass Pornografie unseren Sex verändert?
Ich möchte das Wort Pornografie verbannen, es ist stigmatisierend. Wir sagen ja jetzt auch nicht mehr Prostituierte, sondern Sexarbeiterin. Ich möchte, dass wir sexuell explizites Material sagen. Alles, was den Menschen hilft, den Alltag zu vergessen, und was das Sexleben besser macht – bitte her damit! Aber man muss sich auch im Klaren darüber sein, dass guter Sex kein Fastfood ist. Auch Sextoys sind eine wunderbare Sache, vor allem, wenn einer 45 Minuten braucht, um zum Orgasmus zu kommen, der andere aber nur zehn Minuten Zeit hat. Zugleich sollte man sich nicht an Vibratoren gewöhnen, denn kein Penis ist imstand, das zu tun, was ein Vibrator kann.

«ALLES, WAS HILFT, DEN ALLTAG ZU
VERGESSEN, UND DAS SEXLEBEN
BESSER MACHT– BITTE HER DAMIT!»

 

Ist es überhaupt hilfreich, so viel über Sex nachzudenken? Sollte man nicht besser einfach machen?
Nun, manche Dinge muss man halt einfach auch wissen, zum Beispiel, dass eine Frau nach der Menopause Gleitgel benutzen sollte. Oder dass ein Mann über fünfzig besser am Morgen Sex haben sollte, weil dann der Testosteronspiegel höher ist. Oder dass der Orgasmus einer Frau mit dem Alter an Intensität verliert.

Kann man mit einer Person, die man nicht mag, guten Sex haben?
Das wäre doch schade. Also: Finger weg!

Gibt es jemals einen guten Grund, einen Orgasmus vorzutäuschen?
Nein, natürlich nicht! Ich gebe da teilweise Sigmund Freud die Schuld an der ganzen Misere. Er war sexuell ungelehrt und hätte mal lieber einen Kurs bei mir belegen sollen. Er behauptete zum Beispiel, dass eine Frau, die nur zum Orgasmus kommen kann, wenn die Klitoris bei der Penetration mit stimuliert wird, unreif sei. Es gibt bis heute Leute, die das glauben. Dieser Mann hat vielen Frauen das Leben sehr schwer gemacht.

Bitte klären Sie uns ein für alle Mal auf: Gibt es ihn nun oder gibt es ihn nicht, den G-Punkt?
Nein, mir ist noch keine Studie untergekommen, die dessen Existenz tatsächlich bewiesen hätte. Die Idee, dass man diesen G-Punkt unbedingt finden muss, ist eine Katastrophe. Hört endlich auf zu suchen und habt Spass!

Hat die #MeToo-Debatte unseren Sex verändert?
Ich bin alt und altmodisch und ich sage Ihnen jetzt mal eins: Zwei Menschen haben nackt oder halbnackt nichts zusammen in einem Hotelzimmer zu suchen, wenn nicht beide Sex wollen. Die Debatte hat ihre Berechtigung, aber die Entwicklung geht in die falsche Richtung. Wollen Sie denn wirklich in der Hitze des Gefechts gefragt werden, ob man jetzt ihre linke und danach ihre rechte Brust berühren darf? Das ist doch schrecklich! Ich spreche natürlich nicht von Vergewaltigung, aber man geht mit dem Begriff sexuelle Belästigung, zumindest in den USA, zu leichtfertig um. Wir müssen Geduld haben, die Situation wird sich hoffentlich wieder beruhigen. Ich glaube, wir brauchen noch früher Sexualerziehung, damit die Themen schon mit ganz jungen Menschen besprochen werden können.

Ist man jemals zu alt für Sex?
Ich glaube, Sie kennen meine Antwort!
 

Vom Doc verordnet: Ruth Westheimers ultimative Sextipps
 

Merke: Kaninchen nehmen keine Vorbildrolle ein. Wie oft ist normal? Eine Frage, die wohl in so mancher langjährigen Beziehung irgendwann auf den Tisch kommt und Dr. Ruth somit oft gestellt wird. Ihre pragmatische Antwort: «Nun, Paare müssen sich nicht an den Kaninchen orientieren, aber Sex sollte in der Beziehung eine gleichbleibende Konstante sein.»

Zähneputzen hilft. «Menschen sind keine siamesischen Zwillinge», sagt Dr. Ruth. «Sie wollen nicht immer zur selben Zeit oder gleich viel Sex haben.»Wichtig sei, dass Paare miteinander kommunizieren und sich aufeinander einstellen. Für mehr Lust in der Partnerschaft empfiehlt sie: «Zähneputzen und Sich-unter-den-Achseln-Waschen können das Problem lösen.» Sind wir dann wieder appetitlich sauber, kann «eine Glühbirne mit geringer Wattzahl» zur nötigen Stimmung verhelfen.

Das «Kama Ruthra». Diesen Begriff hat die agile Seniorin selbst erfunden: «Nutzen Sie neue Stellungen als Anregung für Gehirn und Herz», so ihr Ratschlag. Das Bett hat im «Kama Ruthra» als Schauplatz der Liebe übrigens ausgedient. «Nutzen Sie Ihr Mobiliar. Ob Tisch, Kommode, Stuhl, Sofa, Küchenanrichte oder Wandschrank. Finden Sie heraus, wie Sie Ihre Möbel einsetzen können.»

Die Schildkrötenstrategie. Um sein Sexualleben zu verbessern, empfiehlt die Erfolgsautorin die «Schildkrötenstrategie». Nein, dabei handelt es sich nicht um eine kreative «Kama Ruthra»- Stellung. Vielmehr ruft Dr. Ruth dazu auf, mutig seinen Schutzpanzer zu verlassen. Also: tapfer sein und offen über die eigenen Wünsche sprechen.

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Eigene Wünsche ansprechen, ja. Eine aktive Kommunikation in der Partnerschaft – auch ganz wichtig. Es gibt in der Beziehung aber auch Situationen, in denen besser geschwiegen wird: «Nach Jahren des Zusammenlebens brauchen Menschen Fantasien, um für Sex mit ihrem Partner ausreichend erregt zu sein.» Was auch immer einem dabei durch den Kopf schwirrt, könne man aber getrost für sich behalten: «Wenn Sie Sex mit Ihrem Partner haben und dabei an eine ganze Fussballmannschaft denken, ist das in Ordnung. Aber halten Sie den Mund!»

Dessert first. Von wegen «das Beste kommt zum Schluss». «Dessert first», lautet Ruth Westheimers Motto. Sie legt den Leuten ans Herz, Sex zu haben, bevor sie auswärts essen gehen. Und kürzlich raunte Dr. Ruth einer Moderatorin während des Interviews verschwörerisch ins Ohr, sie solle vor dem ersten Date doch masturbieren. «So kann man sich viel besser auf das Kennenlernen konzentrieren.»

Der ultimative Scharfmacher. Trotz ihrer Offenheit für jegliche Aspekte der Sexualität – eine Fürsprecherin von Zügellosigkeit ist Dr. Ruth nicht. Ihr Credo hat sie einmal formuliert, als ein junger Mann sie fragte, was das beste Mittel sei, um Frauen scharf zu machen. Sie sagte kurz und knapp: «Liebe.»