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Wie ist es eigentlich, die heile Familie nur zu spielen?

Familie

Wie ist es eigentlich, die heile Familie nur zu spielen?

  • Aufgezeichnet von Bettina Zanni; Foto: SXC  

Markus Schwarz* (41), Psychiatriepfleger aus Schaffhausen, erzählt, wie es ist, die heile Familie nur zu spielen?  

Meine Frau und ich haben uns vor einem Jahr getrennt. Bald lassen wir uns scheiden. Dennoch werde ich weiter mit ihr unter einem Dach wohnen. Den Kindern zuliebe. Wären sie nicht, ich hätte längst ein neues Leben angefangen, an einem anderen Ort. Aber als meine Frau und ich den Schlussstrich unter unsere Beziehung zogen, kam weder für mich noch für sie ein Auszug infrage. Keiner von uns konnte sich vorstellen, von den Kindern getrennt zu leben.

Umsetzen können wir das spezielle Familienmodell nur, weil wir in einem grossen alten Bauernhaus wohnen. Ich richtete im oberen und meine Frau im unteren Stock eine separate Wohnung ein. Die Kinderzimmer befinden sich genau dazwischen. Meine Frau hadert manchmal mit den Umständen. So eine Trennung ohne Trennung ist für sie nicht einfach. Sie sehnt sich nach mehr Distanz und Getrenntsein. Auf ihren Wunsch hin haben wir uns bereits ein zweites Auto gekauft, anstatt uns eines zu teilen – und wir haben das gemeinsame Abendessen mit den Kindern aufgegeben. Sie wollte mich nicht als Gast in ihrer Wohnung haben, aber auch nicht Gast in meiner sein.

Kommunikation via E-Mail und SMS

Anfangs hatte ich kein Verständnis dafür, ich sah das Ganze pragmatisch. Mittlerweile glaube ich aber, dass es für uns alle so tatsächlich am besten ist. Was meine Ex noch immer stört, ist meine Dauerpräsenz in ihrem Leben. Sie hört mich halt immer: meine Schritte im Flur, das Klicken der Tastatur, wenn ich schreibe. Einfach alles. Dabei gehen wir uns im Alltag so gut es geht aus dem Weg. Oft sehe ich meine Frau zwei Tage nicht. Haben wir etwas zu besprechen, kommunizieren wir per E-Mail und SMS. Würden wir uns häufiger als nötig begegnen, flammten nur alte Konflikte wieder auf.

Unseren Kindern ist ganz wohl. Linda ist vier, Moritz ist sechs. Sie wissen, dass meine Frau und ich uns nicht mehr lieben. Als Papa eines Tages in den oberen Stock zog und Mama in den unteren, mussten wir es ihnen nicht gross erklären. Wir sind ja nach wie vor beide für sie da, das ist für sie das Wichtigste. Anfangs jedoch machte ich mir wegen der Kinder viele Gedanken, vor allem wegen Moritz, der die neue Situation ja viel bewusster wahrnimmt als seine kleine Schwester. Ich fragte ihn ständig, wie es ihm gehe. Irgendwann meinte er: «Papa, warum fragst du das immer? Mir geht es doch besser als dir, ich habe jetzt ja sogar zwei Wohnungen.»

Wir als Elternpaar

Seit der Trennung ist Moritz viel ruhiger geworden, das sagt auch seine Kindergärtnerin. Meine Ex-Partnerin und ich arbeiten beide fünfzig Prozent. In der einen Wochenhälfte betreue ich die Kinder, in der anderen sie. Die Wochenenden verbringen die Kinder abwechselnd bei mir oder bei ihr. Beide Wohnungstüren stehen den Kindern aber jederzeit offen. Ab und zu spielen wir für Linda und Moritz auch «normale Familie». Alles, was für die Kinder wichtig ist und das Miteinander nicht unerträglich macht, unternehmen wir gemeinsam. An Heiligabend zum Beispiel assen wir zusammen und feierten zusammen Bescherung. Auch zur Theateraufführung im Kindergarten gingen wir als Elternpaar. In die Ferien aber fährt jeder Elternteil mit den Kindern allein.

Ich muss für dieses Familienmodell einiges entbehren. Meine neue Partnerin sehe ich kaum: Einen Abend pro Woche besucht sie mich, jedes zweite Wochenende fahren wir zusammen weg. Sie versteht, dass ich sie nicht öfter sehen kann. Sie selber versucht gerade, ein ähnliches Modell mit dem Vater ihrer Kinder umzusetzen. Das Umfeld von meiner Frau und mir hat oft kein Verständnis für unsere spezielle Trennung. «Das könnte ich nie», heisst es meistens. Mir ist bewusst, dass es keine Garantie für das Gelingen unseres Familienmodells gibt, aber zu sehen, wie gut es den Kindern dabei geht, gibt mir viel Kraft. Wie lange ich mit meiner Frau noch unter demselben Dach wohnen werde, weiss ich nicht. Die Kinder geben den Takt vor.

* Alle Namen geändert