Werbung
Wie ist es eigentlich, einem Liebesschwindler zu verfallen?

Body & Soul

Wie ist es eigentlich, einem Liebesschwindler zu verfallen?

  • Aufgezeichnet von Stefanie Rigutto; Bild: SXC

Susanne Ruch * (50), Kommunikationsberaterin aus Luzern, erzählt, wie es ist, einem Liebesschwindler zu verfallen.

Wach auf! Schalte deinen Verstand ein!», beschworen mich meine Freundinnen. Ich wollte nicht hören. Auch als ich längst kapiert hatte, dass es andere Frauen gab, die Mohamed * um Geld und Liebe betrog, glaubte ich noch an ihn. Vielleicht war ich zu naiv. Vielleicht war er aber auch einfach zu gut.

Ich lernte Mohamed in einem Hotel im Süden Marokkos kennen, am Rand der Wüste. Man schlief im Zelt, ich fühlte mich wie im Märchen. Eines Morgens stand er an der Réception. Ein wunderschöner, stattlicher Mann. Er trug ein Berbergewand, die Augen schwarz wie Tinte – als er mich ansah, durchlief es mich heiss und kalt. Dieser Ausdruck, dieses Begehren! Während des ganzen Aufenthalts umsorgte er mich liebevoll, doch erst am letzten Abend zog er alle Register. Er war ein unglaublich guter Liebhaber.

Zurück in der Schweiz, schrieb er mir die romantischsten E-Mails. Zwei Monate hielt ich es aus ohne ihn, dann flog ich wieder nach Marokko. Nun war er nicht mehr nur nett, sondern auch mal launisch, gab vor, kein Geld zu haben und liess mich alles bezahlen. Ich war irritiert, doch sein gehauchtes «Pardon», sein «Je suis tellement désolé, chérie», versöhnten mich.

Bald kam er mich in der Schweiz besuchen. Ich war gerührt. Fühlte mich begehrt – und bezahlte: das Flugticket, die Hotels, Kleider, einen Computer, ein Handy. Immer wieder verlangte er Geld und versprach inbrünstig, es gleich nächsten Monat zurückzuzahlen. 25 000 Franken habe ich für ihn ausgegeben. Ich war völlig in seinem Bann. Bat ich ihn, das Geld zurückzuzahlen, rastete er aus. Er konnte sehr jähzornig sein. Er hat, wie ich später erfahren habe, sogar zwei Schweizerinnen in Marrakesch spitalreif geschlagen.

Mit mir trieb er Spielchen. Meldete sich wochenlang nicht, strafte einen mit Nichtbeachtung, dann säuselte er wieder die schönsten Liebesschwüre ins Telefon. Über ein Jahr lang liess er mich auf der Wolke der Verliebtheit schweben, ich sah nur rosarot, zu einer richtigen Beziehung kam es nie. Und immer ging er im Streit, gab mir die Schuld, dann fühlte ich mich schlecht und bat ihn unter Tränen um Versöhnung. Zuckerbrot und Peitsche – das beherrschte er wie kein Zweiter.

Per Zufall erfuhr ich dann, dass Mohamed mit einer Berberfrau verheiratet ist. Misstrauisch googelte ich seinen Namen und landete auf der Website 1001geschichte.de. Dort las ich exakt meine Erlebnisse. Gleich mehrfach. Das ist doch mein Mohamed! Dieselbe Strategie, oder besser: dasselbe Geschäftsmodell. Ich fand gleich mehrere Schweizerinnen, die ihm – gleichzeitig – auf den Leim gekrochen sind. Er hat es geschafft, alle an mir vorbeizuschaukeln. Frauen, jede zwischen 40 und 60 Jahre alt, gut verdienend, mit einem grossen Herzen. Und vielleicht vermissten sie wie ich das Gefühl, von einem Mann begehrt zu werden.

Als ich Mohamed mit den Vorwürfen konfrontierte, stritt er alles ab. Er schwor mir, dass er die anderen Frauen verlassen habe, dass er nur mich liebe und dass er mit mir ein Hotel in Marokko aufbauen wolle. Dafür hätte er bereits ein Stück Land gefunden – für 50 000 Franken. «Je t’en prie, chérie», flehte er mich an und präsentierte marokkanische Urkunden, die ich nicht verstand. Aber ich glaubte ihm. Wirklich. Es war, als hätte er sich in meinen Verstand geschlichen. Das Geld sollte um 12 Uhr überwiesen werden; eine Stunde vorher erhielt ich einen Tipp, dass der Flecken Land, den ich kaufen sollte, bereits Mohamed gehörte.

Das war zu viel. Sogar für mich. Ich brach jeglichen Kontakt ab. Langsam realisiere ich, wie durchtrieben und professionell, ja richtig kriminell er ist. Doch Mohamed lässt nicht locker. Er schreibt wieder SMS. Er flucht, Allah würde mich bestrafen. Er droht sogar, mich umzubringen. Ich habe ihm nur einmal geantwortet: Dass er ein elender Lügner und Betrüger sei. Und dass ich ihn verachte.

* Name von der Redaktion geändert