Werbung
«Die Mode hat es schwer, von Kunden verstanden zu werden»

Stil

«Die Mode hat es schwer, von Kunden verstanden zu werden»

  • Redaktion: Viviane Stadelmann; Fotos: Mirjam Kluka

Die Schweizer Jungdesignerin Eliane Heutschi hat im Februar ihre erste Kollektion an der Paris Fashion Week gezeigt. Das Besondere: Für ihre Mode will sie vergessenes Kunsthandwerk neu aufleben lassen. Dafür ist sie ins Berner Oberland gereist – und hat bei der 73-jährigen Maria Lehner klöppeln gelernt.

Geklöppelte Spitze an der Paris Fashion Week: Das sah man in diesem Februar beim Label Savoar Fer. Dahinter steht die Schweizerin Eliane Heutschi, die in Paris lebt und arbeitet. Für ihre erste Kollektion hat sie zusammen mit der Bernerin Maria Lehner in Beatenberg mit neuen Materialien getüftelt, um dem altbackenen Handwerk neues Leben einzuhauchen. Wie funktioniert eine solche Zusammenarbeit, bei dem zwei Welten aufeinanderprallen? Und was kommt als Nächstes? Wir haben mit der Designerin gesprochen.

annabelle: Wann hatten Sie die Idee dazu, altes Handwerk in Ihre Kollektion zu integrieren?
Eliane Heutschi: Ich war vor drei Jahren in Peru, nachdem ich zuvor einige Jahre bei einem Designer in Paris gearbeitet hatte. Dort habe ich mit einer Nonprofit-Organisation gearbeitet, die in den Anden Weberinnen unterstützt hatte, die Produkte mit typisch peruanischem Handwerk herstellten. Meine Aufgabe war es, neue Designs zu entwerfen, damit danach moderne Accessoires entstehen, die sich verkaufen lassen und den Frauen Einnahmen für das Schulgeld ihrer Kinder sichern. Dort ist es mir dann eingefahren: Wie schnell sich die Mode bei uns verändert, dass die ganzen Prozesse immer schneller werden, vieles aber leider am Ende auch weniger Tiefe enthält. Da wusste ich, dass ich für mein eigenes Label zwar Neues kreieren, mich aber auch auf gewisse Werte zurückbesinnen will.

Verkörpert für Sie altes Kunsthandwerk diese Rückbesinnung?
Das ist ein Aspekt davon. In Peru setzen sich viele noch sehr stark dafür ein, dass dieses alte Kunsthandwerk nicht verblasst. Doch auch in Europa haben wir viele eigene Techniken und Handwerke, die ganze Regionen und Länder auszeichnen. Doch weil viele davon nicht den Sprung ins Zeitgemässe geschafft haben, interessiert man sich heute viel weniger dafür. 

Warum schafft das niemand?
Ein Problem ist, dass Kunsthandwerker oft so nah an ihrem Handwerk sind, dass sie nicht radikal genug die unausgesprochenen Regeln brechen. Für mich als Aussenstehende ist es einfacher, durch meine Distanz dazu neue und teils absurde Ideen einzubringen. Ich möchte mit meiner Arbeit versuchen, von aussen diese Tür zu öffnen, dass danach etwas Neues entsteht.

Wieso haben Sie gerade Klöppeln für Ihre Kollektion gewählt?
Jede meiner Kollektionen wird sich einem anderen Handwerk widmen. Für mich war es wichtig, als Erstes ein Handwerk zu wählen, das einen sehr altmodischen Ruf hat. Ich suchte die grosse Herausforderung: Ich wollte etwas, das der Inbegriff einer verstaubten Tradition ist, und dies in die Moderne transformieren.

War es schwierig, jemand für diese Zusammenarbeit zu gewinnen?
Ich habe – wie das wahrscheinlich alle tun – mit meiner Recherche im Internet angefangen. Dabei bin ich erst auf viele traditionelle Klöppel-Handwerker gestossen.

Und Maria Lehner war keine von ihnen?
Personen, die klöppeln, nehmen auch oft an Wettbewerben teil. Ich stiess auf einen Klöppelwettbewerb, bei dem Maria Lehner einen Preis gewonnen hatte. Sie war die Einzige, die ein eher unkonventionelles Produkt hergestellt hatte. Das Motto war «Ein Hauch aus Gold», und sie stellte eine 3D-Wolke mit Goldfäden her. Da dachte ich: Vielleicht ist das genau die Frau, die meinen Ideen gegenüber aufgeschlossen reagiert.

War sie auf Anhieb dabei?
Ja, sie hatte sich sehr gefreut und war sofort dabei. In der Theorie war sie begeistert, Klöppeln modern zu machen.

Und die Praxis gestaltete sich dann schwieriger?
Ich kam mit sehr ungewöhnlichen Ideen auf sie zu. Ich fragte, ob man statt mit Faden nicht mit Stoffstreifen arbeiten könne, ob man ein Muster nicht tausendfach vergrössern könne. Es gab sicherlich Dinge, die sie nicht verstanden hatte oder nicht schön fand, und genauso hatte ich Ideen, die nicht funktionierten. Aber wir hatten beide das Interesse daran, die Spitze zu verändern. Und ich bin ja auch auf sie zugegangen, weil ich dachte, die Neugier überwiegt die Tradition bei ihr. Es hätte nicht mit jedem Klöppler funktioniert. Dazu musste ich selber erst das Handwerk erlernen, um zu verstehen, auf welche Dinge man achten muss. Das brauchte einige Zeit – auch, um ihr Vertrauen zu gewinnen.

Gab es dazu einen ausschlaggebenden Moment, als dies gelang?
Es war ein Prozess, ein gemeinsames Suchen. Aber ich erinnere mich noch sehr gut an einen besonderen Moment, als wir zum ersten Mal ein Muster ausprobierten, das richtig gut funktionierte – und das wir beide gleichermassen schön fanden.

Welches Muster war das?
Das war eines aus Jersey-Streifen. Wir produzierten damit ein schwarzes Jackett, das auf der Seite geklöppelte Spitzeneinsätze hatte.

Wie lang dauert es, ein solches Stück Ihrer Kollektion herzustellen?
Das kommt darauf an. Die Stücke mit der Spitze dauern viel länger, da sie sehr aufwendig sind – gern mal bis zu hundert Stunden. 

Das klingt kostspielig. Rentiert sich das für Ihren jungen Brand?
Das Ziel ist es sicherlich einmal, dass sich mein Brand mit der Zeit selber rentiert. Dort bin ich natürlich noch nicht angelangt. Aufgrund der Integration des Kunsthandwerks ist dies sicherlich nicht so einfach. Deswegen habe ich auch eine Zweitlinie: Fer. Bei dieser werden aber nicht wie bei vielen Zweitlinien diverser Brands einfach günstigere Materialien oder andere Designs verarbeitet. Die Kleider sind von gleicher Qualität, und es werden die gleichen Muster und Volumen verwendet wie bei der Erstlinie (Savoar), einfach ohne das Kunsthandwerk.

Gerade Jungdesigner haben es schwer, sich einen Namen zu machen. Hilft Ihnen diese Ausrichtung auch auf dem Modemarkt, weil Sie damit auffallen?
Die Mode hat es allgemein schwer, von den Kunden verstanden zu werden, weil von der Kommunikation bis zum Auftritt, zum Design und zum Zeitpunkt alles stimmen muss. Eine der grössten Herausforderungen an die Designer ist meiner Meinung jedoch, einfach zu kommunizieren, was den eigenen Stil ausmacht. Da hilft mir die Zusammenarbeit mit den Kunsthandwerkern sicherlich.

Haben Sie schon ein nächstes Kunsthandwerk im Sinn?
Ich bin aktuell an der zweiten Kollektion. Diese wird an der Fashion Week im September gezeigt werden.

Können Sie schon verraten, was für ein Handwerk das sein wird?
Es ist ein Handwerk, das ich aus meiner Kindheit kenne. Es ist in Frankreich stark vertreten. Meiner Meinung nach ist es auch sehr verstaubt, aber komplett anders als Klöppeln.

Haben Sie dort schon jemand für die Zusammenarbeit gefunden?
Nein, ich habe noch keine konkrete Kooperation mit jemandem, weil es etwas ist, das ich selber schon kann. Deswegen muss ich es nicht erst erlernen. Aber für die Produktion später wird eine Zusammenarbeit unumgänglich sein.

Wie lang wollen Sie diese Kunsthandwerke in Ihre Kollektionen einbauen, hat diese Idee ein Ablaufdatum?
Nein, einen Zeitplan gibt es nicht. Dafür gibt es genug Handwerke – auch solche ausserhalb Europas, die man neu interpretieren kann. Aber vielleicht werde ich mich in der Zukunft nicht immer auf Textilien beschränken, es gibt auch noch andere spannende Materialien. Aber die Kombination aus Design und etwas mit seinen Händen machen, hat mich schon immer fasziniert. Und diese wird auch bleiben.

Werbung

1.

Die Jacke wurde aus zerissenen Denimstreifen geklöppelt 

2.

Dabei entstand eine völlig neue Optik, die der traditionellen Klöppelspitze kaum mehr gleicht

3.

Alles Handarbeit: Ein Stück mit Klöppelspitzeneinsatz aus der aktuellen Kollektion zu produzieren kann bis zu hundert Stunden dauern

4.

Das Moodboard für die erste Kollektion von Savoar Fer