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Bally-Kreativchef Pablo Coppola im Interview

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Bally-Kreativchef Pablo Coppola im Interview

  • Interview: Barbara Loop; Foto: Paul Wetherell

Wäre Pablo Coppola nicht Kreativchef von Bally, würde er an den Filmsets von Wes Anderson herumlungern. Ein Gespräch übers Chefsein, über Indiefilme und über Schweizer Klischees.

Auf Sneakersohlen, im weissen T-Shirt, die beige Hose hochgekrempelt, reisst Pablo Coppola die Tür zu seinem Londoner Büro auf. Der Windstoss lässt die Papiere auf dem Schreibtisch fliegen. Frischer Wind. Staub aufwirbeln. Pablo Coppola erfüllt seine Aufgabe als Creative Director bei Bally, dem Traditionshaus mit Schweizer Wurzeln, perfekt: Seine Herbstkollektion ist modern, leger, voller knallender Farben – inspirieren liess er sich nicht von den verschneiten Schweizer Bergen, sondern von den schrägen Filmen des texanischen Kultregisseurs Wes Anderson.

Der Südamerikaner – er ist nicht mit den Coppolas aus Hollywood verwandt und spricht nicht über sein Alter – war selbst unter Modekennern ein Unbekannter, als er im Februar 2014 zum Kreativchef von Bally ernannt wurde. Doch Modehäuser sind wie Gourmetküchen: Hinter jedem Stardesigner steht eine Truppe anonymer Könner. Pablo Coppola war einer von ihnen, sein CV liest sich wie das Who’s Who der Branche: Er begann als Praktikant bei Céline, war Accessoire-Designer bei Burberry, Alexander McQueen, Tom Ford und Christian Dior. Nur zwei Monate arbeitete er im Team von Bally, schon wurde er zum Creative Director ernannt. Bally steht für Schuhe und Accessoires, dennoch verantwortet Pablo Coppola auch eine Ready-to-Wear-Kollektion. Zum ersten Mal überhaupt – und ihm gefalle das, sagt er: «Es ist ein bisschen wie mit Puppen zu spielen.»

ANNABELLE: Pablo Coppola, als Kreativchef stehen Sie plötzlich in der Öffentlichkeit.
PABLO COPPOLA: Ja, und ich kann es nicht ausstehen. Anfangs war ich vor jedem Interview wahnsinnig nervös. Es wird besser, aber es ist furchtbar, ständig seine Arbeit erklären zu müssen. Warum dies? Warum das? Ich weiss es nicht, ich bin nicht so strukturiert. Natürlich gibt es einen Plan. Aber bevor wir eine Kollektion präsentieren, ändert sich dieser Plan tausend Mal.

Sie schlagen sich ganz gut.
Sie sind ja auch nett, zumindest bis jetzt. Manchmal sitzen die Journalisten da wie Pokerspieler, und ich frage mich: «Mag die Person das, was ich gerade sage?»

Hat der neue Job Sie verändert?
Ich habe dieses kleine Etwas in mir drinnen wiedergefunden, Sie wissen schon, das Gefühl, dass mich mein Job glücklich macht. Wie damals, als junger Praktikant in Paris. Ich spazierte jeden Tag von meiner Wohnung ins Atelier und platzte schier vor Glück. Ich habe seither bei vielen Labels gearbeitet, aber der Job blieb derselbe. Bei Bally gab es so viele Dinge, die ich nie zuvor gemacht habe.

Zum Beispiel?
Ich kümmere mich um die Lookbooks und die Kampagnen, bespreche die Architektur der Shops und Geschäftsstrategien. Es gibt auch negative Seiten: Ich habe die Nähe zum Produkt etwas verloren. Ich zeichne fast nicht mehr, und ich habe kaum Zeit, um unsere Fabriken zu besuchen. Allein ein Team zusammenzustellen ist schon ein Fulltimejob.

Sind Sie ein strenger Chef?
Na ja, ich habe eine rechte Hand, Alexandra. Sie ist eine gute Bulldogge (lacht) – eigentlich ist sie der Boss, und ich kann mich entspannen.

Bally-CEO Frédéric de Narp sagte, Sie hätten als einziger Bewerber nicht ständig davon geredet, dass man Bally neu erfinden müsse.
Jeder um mich herum wollte Bally auf den Kopf stellen, und ich dachte mir immer: «Leute, wir sind doch alle nur hier, weil Bally einst so gross war!» Ich wollte die Marke von all den Dingen bereinigen, die nicht zu Bally passen, und dasjenige ausloten, das schon da war. Ich habe es gehasst, dass jeder, auch ausserhalb der Firma, zu glauben wusste, wie Bally sein soll. Am schlimmsten waren die Schweizer.

Warum?
Ich bin Südamerikaner, auch ich liebe die Natur und die Landschaft. Aber warum soll Bally nicht sexy, luxuriös, fröhlich oder farbenfroh sein? Wer sagt, dass das nicht Bally ist? Die Meinung der anderen interessiert mich einen feuchten Dreck. Ich will so gut wie nur möglich sein. Bally soll ein fröhlicher, verspielter, farbiger und gegenwärtiger Brand sein.

Vielleicht sind fröhlich, verspielt und farbenfroh keine Schweizer Charaktermerkmale.
Wer sagt das? Was ist überhaupt schweizerisch? Ihr sprecht doch vier Sprachen, lebt in einem so vielfältigen Land. Wer sagt, dass die Schweizer pünktlich sind? Lasst uns mit den Klischees aufhören. Bally kann alles sein, erst der Himmel ist das Limit.

Ist die lange Geschichte von Bally für Sie eine Chance oder eine Bürde?
Es ist eine Gratwanderung. Müsste ich das Erbe ständig einsetzen, wäre die Tradition eine Bürde. Andererseits gibt sie dem, was man tut, Bedeutung. Ich dachte immer, dass Bally ein sehr männlicher Brand ist. Wegen der Rentierstiefel von Bally, die Sir Edmund Hillary bei der Erstbesteigung des Everest trug. Dann fand ich im Archiv all diese feinen Frauenschuhe aus den Zwanzigerjahren, mit Gold und Verzierungen. Auch das war mal Bally. Wenn ich also morgen einen Metallicschuh mit hohen Absätzen entwerfe, würden Sie ihn vielleicht für einen Schuh von Dior oder Prada halten. Aber Entschuldigung, Bally hat das schon in den Zwanzigern gemacht. Umgekehrt haben wir diese Koffer entworfen, die aussehen, als wären sie alt. Aber das ist ein Trick, Bally hat gar kein grosses Erbe von Taschen, um ehrlich zu sein.

Jetzt sind Sie zum ersten Mal auch für eine Ready-to-Wear-Kollektion verantwortlich.
Ich liebe es. Unser Designer Anthony Fourrier ist grossartig. Wir haben schon zusammen bei Tom Ford gearbeitet. Ich vertraue niemandem, ausser meinem Team. Ready-to-Wear ist für uns ein Mittel, um die Moods der Saison zu erklären.

Ihre erste Bally-Kollektion war sehr simpel gehalten, da klang keine Sexiness à la Tom Ford an.
Ganz am Anfang wollte ich die Männerkollektion auch für Frauen machen. Coole Frauen kleiden sich heute wie Männer, einfach etwas besser. Ich finde das sehr sexy. Und ich glaube nicht, dass moderne Frauen zu viel Schnickschnack wollen. Sie wollen kein Korsett tragen, sondern einfache Sachen. Wir begannen also mit einer sehr schlichten Kollektion. Später wollte ich ein bisschen mehr Romantik und Mystik, mehr Vintage.

Ihre Herbstkollektion ist von Wes Andersons Film «The Royal Tennenbaums» inspiriert.
Love! Wäre ich heute nicht hier, ich würde mit Wes Anderson Filme drehen. Okay, dafür müsste ich Schauspieler sein. Aber ich könnte doch als Set- oder Kostümdesigner anheuern? Ich liebe die Farben, diese Perfektion und könnte aus jeder seiner Filmeinstellungen eine Kollektion machen. Wes Anderson arbeitet immer mit denselben Schauspielern zusammen, seine Filme sind opulent, aber von einem kleinen Team gemacht. Genau das will ich mit Bally erschaffen. Die grossen Fashionbrands sind ja wie Hollywood-Blockbuster. Bally aber ist ein Indiefilm. Wir werden besser und besser, aber nie zu protzig. Wir behalten unsere kleinen Geheimnisse. Wie Margot Tennenbaum.

Sie sind in Argentinien geboren. Wussten Sie, dass Bally bereits in den 1870er-Jahren nach Buenos Aires expandierte?
Ja! Ich habe meinen Eltern sofort von meinem Job bei Bally erzählt. Bei Tom Ford und Céline, da schauten sie mich nur fragend an. Aber Bally? Sie erinnerten sich sofort daran, wie mein Grossvater einst Bally-Schuhe kaufte. Jetzt wissen sie endlich, wo ich arbeite.

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