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Modewelt: Jeans-König und Diesel-Boss Renzo Rosso im Interview

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Modewelt: Jeans-König und Diesel-Boss Renzo Rosso im Interview

  • Interview: Christina DussFotos: Anton Corbijn, Luca Rigato, Imaxtree und Diesel

Jeans-König ist Renzo Rosso seit über 30 Jahren. Nun hat der Diesel-Boss ganz nebenbei auch den Luxusmarkt erobert. Ein Besuch in der italienischen Provinz Veneto.

Modegigant vom Land

ANNABELLE: Renzo Rosso, ein Grossunternehmen in einem so kleinen Ort wie Breganze im Veneto. Warum haben Sie gerade diesen Standort ausgesucht?
RENZO ROSSO: Aus verschiedenen Gründen: Ich hatte meinen ersten Job hier, mochte die Gegend und die Menschen, die hier leben. Also habe ich beschlossen zu bleiben. Und brachte Leute aus der ganzen Welt hierher.

Eine Horde von Modemenschen in einem italienischen Kaff.
Am Anfang war es nicht einfach: Junge Leute aus London, Japan und Südamerika zogen in die Gegend. Sie hatten grüne Haare, Piercings, Tattoos und schienen für die Einheimischen hier wahrscheinlich von einem anderen Planeten zu kommen.

Hat sich das Dorfleben seither verändert?
Klar. Aber nicht nur in Breganze, in der ganzen Region. Diesel ist die grösste Industrie in der Gegend. Du gehst heute in eine Bar und kannst dich auf Englisch verständigen, viele Restaurants sind aus dem Boden geschossen, chinesische, indische, junge Leute kleiden sich teilweise besser als jene in Mailand. Und Nachbarorte wie Marostica oder Bassano wachsen mit.

Auf welchen Dorfleben-Aspekt würden Sie denn gern verzichten?
Was ich nicht so mag, ist, wenn Leute mich nach Jobs für ihre Kinder fragen.

Das tun sie wirklich?
Ja. Aber ich kann nicht jeden unterstützen. Und ich gehe nie auf Empfehlungen ein. Ich sage dann jeweils: Hören Sie, schicken Sie den Lebenslauf doch bitte an die Firma.

Wie unitalienisch.
Wenn jemand wirklich gut ist, wird er die Stelle auch ohne mein Zutun kriegen, ganz normal, über eine Bewerbung, oder er wird von einem unserer Headhunter entdeckt.

Mit der neuen Female Collection oder der Diesel-Black-Gold-Kollektion setzen Sie ein klares Zeichen: Diesel ist nicht länger eine Jeanscompany, sondern bewegt sich im Dunstkreis der Big Player im Modemarkt.
Wir waren immer darauf bedacht – auch als einfache Jeansmarke –, etwas Spezielleres herzustellen. Ich habe meine ersten Jeans für hundert Dollar in den USA verkauft, damals war eine Ralph-Lauren-Hose mit vierundfünfzig Dollar noch das teuerste Modell. Niemand begriff, warum meine Jeans so viel kosteten. Die aufwendige textile Behandlung war der Grund. Wir haben also schon damals hochwertiges Denim verarbeitet. Und auch jetzt, wo wir uns im Luxussegment befinden, arbeiten wir mit den besten Materialien.


Mit Diesel Black Gold hat Renzo Rosso seit 2008 eine eigene Luxuslinie.

Warum lohnt es sich nicht, im mittleren Segment der Branche zu bleiben?
In der Mitte gibts keinen Markt. Viele Jeansmarken sind darum auch während der Wirtschaftskrise eingegangen. Einen guten Absatzmarkt gibts an der Spitze oder an der Basis.

Sie haben Top-Labels wie Maison Martin Margiela, Just Cavalli, Vivienne Westwood Red Label oder die Männerlinie von Marc Jacobs in die von Ihnen gegründete Holding Only the Brave geholt. Warum?
Sie alle haben mir geholfen, in meinem modischen Denken und meinen Visionen zu wachsen. Prêt-à-porter ist für Diesel ein neuer Markt. Diese Labels gaben mir die Möglichkeit, mich einem höheren Marktsegment zu nähern.


Die Top-Labels in seiner Holding

Ging es dabei nicht auch um Imageverbesserung?
Auch. Aber eigentlich gehts um Qualität. Heute können wir mit teureren Materialien arbeiten.

Auf der nächsten Seite finden Sie die Fortsetzung des Interviews.

Sie nutzen also das Knowhow der grossen Modepartner?
In erster Linie sind für mich ein Ansporn, genauso viel Qualität und Innovation zu bieten.

Sind Sie denn am kreativen Prozess der Labels beteiligt?
Ich sehe nie einen Entwurf vor der Fashionshow. Die Designer sind alle total frei, ich unterstütze sie lediglich in Sachen Infrastruktur, Investitionen, Werbung oder Marketing.

Ihr Landsmann Diego Della Valle hat das Kolosseum renoviert. Haben Sie auch soziokulturelle Ambitionen für Ihr Land?
Nun, in dieser Hinsicht sind wir uns ähnlich, Diego Della Valle und ich: Wir führen wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen und engagieren uns gleichzeitig im sozialen oder kulturellen Bereich. Diesel unterstützt etwa die Renovation des Ponte di Rialto in Venedig. Oder mit unserer Only the Brave Foundation ein Entwicklungsprojekt in Mali. Wir sind eine Art New Entrepreneurs.

Und die zeichnet was genau aus?
Der Dalai Lama hat es so formuliert: «Sie gehören einer neuen Generation von Unternehmern an, weil sie auf neue Weise mit ihren Leuten arbeiten» – in ihrem Arbeitsumfeld zum Beispiel für ein gutes Restaurant oder einen Kindergarten sorgen, das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit dem Unternehmen stärken.

Sie stehen oft im Rampenlicht. Wie wichtig ist es für Labels, ein Gesicht zu haben?
Sehr wichtig! Was wäre aus Apple geworden ohne Steve Jobs? Der Konsument braucht doch ein Gesicht.

Nehmen Sie eigentlich noch am Dorfleben teil?
Jetzt muss ich Ihnen etwas zeigen. (Hantiert mit seinem iPad) Ich war letzten Monat im Supermarkt, ich bin ein einfacher Mann, wissen Sie. (Hantiert immer noch mit seinem iPad. Zur Assistentin:) Wo ist das noch mal? (Gemeinsam finden sie das Bild: Renzo Rosso, ein Dorfbewohner und ein Einkaufswagen) Das ist der Beweis. Die Leute kennen mich, sprechen mich an, und ich lasse mich gern auf einen kleinen Schwatz mit ihnen ein.

Local Fashion Hero

Der Bauernsohn Renzo Rosso (57) ist Gründer und Präsident des Jeans-Labels Diesel sowie der Holding Only the Brave (OTB), die über Beteiligungen oder Lizenzen diverse renommierte Brands wie Just Cavalli, Vivienne Westwood Red Label oder die Männerlinie von Marc Jacobs ganz oder teilweise kontrolliert. Rosso lebt in Bassano del Grappa (I), unweit des Diesel-Headquarters in Breganze. Er ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. www.diesel.com

Buch-Tipp

In seinem Buch «Mach doch mal was Verrücktes! Be stupid – Die Erfolgsphilosophie des Diesel-Gründers Renzo Rosso» erzählt der Jeans-König von seinem Lebensmotto und der Erfolgsgeschichte seines Unternehmens. Sein Credo: Konventionen brechen, anders sein, mal etwas riskieren, gegen den Strom schwimmen, selber Trends setzen — Nur so kommt man wirklich weiter!

Das Buch finden Sie hier: www.thalia.ch

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1.

Das Diesel-Mutterhaus in Breganze

2.

Typisch italienisch: Das Dorf Breganze mit seiner grossen Piazza