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Muss Mode wirklich mystisch sein?

Stil

Muss Mode wirklich mystisch sein?

  • Text: Barbara Loop; Foto: Netflix

annabelle-Redaktorin Barbara Loop über den aktuellen Mystery-Hype der Populärkultur und die Frage, ob jetzt auch die Mode tatsächlich Magie braucht, um unter die Haut zu gehen. 

«Twin Peaks» is back. Aber das Revival der Kultserie ist nur der vorläufige Höhepunkt einer Mystery- Flut, die uns derzeit allein schon mit Netflix-Angeboten wie «The Returned», «The OA» und «Stranger Things» seriell erschauern lässt. Und das Übernatürliche strahlt pandemisch über die Populärkultur hinaus und mitten in die Modewelt hinein: «Stranger Things» lieferte den Modemagazinen Looks zum Nachstylen und Raf Simons mit Hauptdarstellerin Millie Bobby Brown das Gesicht für seine erste Calvin-Klein-Kampagne. Die Designerinnen von Rodarte lassen in ihrem ersten Spielfilm namens «Woodshock» Kirsten Dunst irgendwo zwischen Wahnsinn, Rausch und vierter Dimension Schreckliches durchleben. Und Chloë Sevigny, die Frau mit dem sicheren Gespür für Trends, will einen Kurzfilm über all die Mädchen drehen, die derzeit auf Hexerei, Tarot und Kristalle stehen und denen «dann plötzlich etwas wirklich Gruseliges widerfährt».

Während man noch den Hyper-Realismus von Labels wie Vetements feiert, schleicht sich schon Okkultes und Übersinnliches in die Garderobe ein: Sarah Burton liess sich jüngst für Alexander McQueen von heidnischen Bräuchen im englischen Cornwall inspirieren und Dior-Designerin Maria Grazia Chiuri von Tarotsymbolen, mit denen sich Christian Dior zu Lebzeiten die Zukunft ausgemalt haben soll. Hexenartiges gibt es auch von Gucci, dessen Mastermind Alessandro Michele sich als Alchemist bezeichnet und die Gäste seiner Herbst/Winter-Show an einen «magischen Ort» einlud, «wo neugierige Hände mit Materie spielen und diese mit dem Unbewussten vermischen». Die Titelmelodie der Serie «The OA» lieferte den Soundtrack dazu.

Ob zwielichtiger Grusel oder lichterfüllte Magie, Heilung versprechen in Zeiten der Überproduktion und sterbenden Kreativität offenbar allein die Gefühle. Die neuen Kollektionen müssen unter die Haut gehen, die neuen Filme auf den Magen schlagen. Man setzt auf Emotionen statt auf intellektuelle Konzepte, auf Magie statt auf Vernunft. Doch ist die kopflose Flucht in andere Sphären wirklich die richtige Reaktion? Braucht es zu den alternativen Fakten wirklich Alternativen, die uns erschauern lassen? Vielleicht sollten wir nicht allein auf Magie setzen, sondern lieber mehr Magie in der Realität zulassen.