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Victoria’s Secret: Die Engel sind gefallen

Stil

Victoria’s Secret: Die Engel sind gefallen

  • Text: Annik Hosmann; Foto: Getty Images

Es hat sich ausgeflogen bei der amerikanischen Unterwäscheherstellerin Victoria’s Secret, die Show findet nicht mehr statt – und das Internet feiert.

Seit Monaten wurde spekuliert, ob Victoria’s Secret seine pompöse Fashionshow, die vor einigen Jahren noch als popkulturelles Highlight gefeiert wurde, erneut durchführen wird. Die Antwort lautet Nein – und das Internet ist in Feierlaune. «Oh, thank God, it’s over» (Oh, Gott sei Dank, es ist vorbei) titelte etwa das Onlinemagazin «The Cut» gestern Abend. Unter dem Instagram-Post zu ebendiesem Artikel sind über tausend Kommentare zu lesen, fast ausschliesslich solche der Erleichterung. Doch was hat die Engel-Show zu Fall gebracht?

Die Modeschau von Victoria’s Secret, die 1995 zum ersten Mal stattfand, war nicht wie jede andere: Zum einen wurde sie unabhängig des Fashion-Week-Plans durchgeführt und zum anderen im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt. Millionen von Zuschauer verfolgten die Show mit Glitzer, Pomp und wenig tragbarer Unterwäsche für die Durchschnittsfrau. Während Jahren schien es für Models das Ziel zu sein, bei dieser Schau laufen zu dürfen. Gisele Bündchen, Heidi Klum, Kendall Jenner, Gigi Hadid, Adriana Lima, Alessandra Ambrosio waren neben vielen anderen Angels, wie die Models genannt wurden.

Und hier begann das Problem und der Glanz der Show zu verblassen: Sexiness heisst nicht Size Zero und die Erfüllung von Männerfantasien, wie es Victoria’s Secret über Jahre propagierte. Das bewies Rihanna mit ihrer Wäschekollektion für Savage x Fenty, wo verschiedene Ethnien, Menschen mit körperlichen Beeinträchtigung und verschiedenen Körperformen auf dem Laufsteg zu sehen war. Zum Victoria’s-Secret-Imageverlust beigetragen hatte auch ein Interview des ehemaligen Marketingchef Ed Razek mit der «Vogue», in dem er sich unter anderem gegen Transgender-Models ausgesprochen und gesagt hatte, dass die Welt keine Plus-Size-Modeschau sehen wolle. Und als bekannt wurde, dass der ehemalige CEO des VS-Mutterkonzerns Les Wexler ein Kunde des New Yorker Finanzmoguls und wegen mehererer Sexualdelikte angeklagten Jeffrey Epstein war, schien der Damm gebrochen.

Wenig erstaunlich kam das alles bei den Victoria’s-Secret-Kundinnen nicht gut an. Neben dem Verkaufsumsatz brachen auch die Zuschauerzahlen der Show ein. Bei der letzten Ausgabe im Herbst 2018 hatte die Übertragung der Show noch 3.3 Millionen Fernsehzuschauer. Das scheint als Zahl viel, bedenkt man aber, dass noch zwei Jahre zuvor doppelt so viele Menschen eingeschaltet hatten, ist das ein massiver Einbruch. Das haben nun auch die Besitzer von Victoria’s Secret akzeptiert, zumindest im Moment. Der Finanzchef von L Brands, Stuart Burgdoerfer, sagte gestern, dass man weiterhin mit den Konsumentinnen kommunizieren wolle, aber nicht in der Art und Grösse wie die Modeschau. Interpretiert wird die Aussage so, dass die Show für immer gecancelt ist.

Man möchte sagen hoffentlich, denn selbst wenn Victoria’s Secret in diesem Jahr erstmals eine Kampagne mit einem Plus-Size-Model lancierte und mit Valentina Sampaio auch ein Transgender-Model unter Vertrag hatte – es war zu spät. In der Gesellschaft hat ein Umdenken stattgefunden. Victoria’s Secret hat das über Jahre hinweg bewusst ignoriert, bis das nicht mehr ging. Ihr Versuch, diverser zu sein, war weder konsequent noch glaubwürdig. Andere Labels designten seit Jahren Unterwäsche für alle Grössen und zeigten in Kampagnen längst nicht mehr nur weisse Frauen, so wie es in einer vielfältigen Welt sein sollte. Denn ein Körper ist ein Körper, egal welche Form und Farbe er hat. Als solcher kann er immer auch sexy sein. Aber Flügel braucht er dazu keine.