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2. Etappe: von Schaffhausen nach Luzern

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2. Etappe: von Schaffhausen nach Luzern

  • Text: Brigitte Zaugg; Fotos: Martin Mischkulnig

Von Schaffhausen über Winzigwege nach Luzern: Auf dem Soziussitz einer alten BMW ist nicht die schnellste Route das Ziel, sondern die Fahrt durch möglichst viele Orte mit dem Zusatz -wil.

Viele Wege führen von Schaffhausen nach Luzern. Auf dem schnellsten wäre man in gut einer Stunde da: Brüttiseller Kreuz, Gubristtunnel, Limmattaler Kreuz, Verzweigung Blegi … die üblichen Verdächtigen aus den Staumeldungen. Wir aber sind schon seit geschlagenen fünf Stunden on the road und dennoch erst in Neschwil im Zürcher Oberland. Luftlinie ab Schaffhausen: 30 Kilometer. Mit 70 PS unterm Hintern? Ohne Stau und Panne? Wie ist das zu schaffen, mögen Sie sich fragen.

Locker! Ein Schwenker zum lauschigen Unterlauf der Thur bei Dätwil – zack, eine Stunde vorbei. Ein Abstecher ins Hinterthurgauer Tannzapfenland – wusch, zwei Stunden weg. Mit der 35-jährigen BMW meines Bruders ist zudem nicht mehr rasen, sondern eher rumkürveln angesagt. Und durchs Mittelland kürvelt man mit dem Töff eben am geruhsamsten im Hochsommer, wenn all die Rudelfahrer ihre Alpenpässe «machen».

Allerdings kürveln wir keineswegs planlos. Auf der Flucht vor Ballungsräumen wählen wir lauter kleine Etappenorte, die auf -wil enden. Zum Beispiel Tuttwil, Wiggwil und Freudwil, Mull- und Ballwil, Rutsch-, Retsch- und Rifferswil. Dazu vier verschiedene Niederwil, drei Oberwil und zwei Wetzwil, eines davon kurz vor Knutwil, unterwegs nach Wauwil, wo bereits die Pfahlbauer siedelten.

Aber kommen wir doch gleich zu den alten Römern! Denn -wil bedeutet Weiler und geht aufs lateinische Villa (Landgut) zurück. Unsere verschnörkelte Route ist also eine einzige, rund 350 Kilometer lange Indizienkette dafür, dass bei der Zersiedelung des Schweizer Mittellands spätestens die römischen Legionäre ganze Arbeit geleistet haben. Denn mindestens vierzig -wils pflastern unsern Weg. Lückenlos zu beweisen ist unsere Römerthese zwar nicht, dazu müsste man das Mittelland ja komplett umgraben. Doch legen Tonscherbenfunde und Mauerresten nahe (erwartungsgemäss in Römerswil überm lieblichen Baldeggersee), dass die Expats jener Zeit sehr gern ein Häuschen im helvetischen Grünen bauten und sich dort an lauen Sommerabenden einen Becher kühlen Blauburgunder aus der bauchigen Amphore gönnten.

Für uns zwei Städter gut nachvollziehbar. Zwar wecken Baukräne da und dort den Verdacht, dass es dereinst noch anderen Dörfchen ergehen wird wie Alliswil am Hallwilersee, das längst mit Boniswil zusammengewachsen ist. Trotzdem hat das Mittelland viel mehr als Agglo und Autobahn zu bieten. Nicht zuletzt Traumaussichten – zum Beispiel auf die Alpen, wo derzeit die Rudelfahrer … Sie wissen schon. Auch prima Landgasthöfe gibt es auf unserer Route. Erwähnt sei nur das Restaurant Strebel im südaargauischen Geltwil. Auf der Terrasse verschlingen wir die mittellandesweit saftigsten Grilladen auf Granitstein (ab 33 Fr.).

Es ist Mittag des zweiten Tages, Luftlinie bis Luzern: 20 Kilometer. Ob das vor dem Einnachten zu schaffen ist? Ein Denkmal hält uns noch auf. Es erinnert an einen vernebelten Novembermorgen anno 1847, als sich auf dem Geltwiler Dorfplatz liberale Mittelländer mit konservativen Berglern das heftigste Gefecht des ganzen Sonderbundskriegs lieferten. Wussten Sie das? Man sieht: So ein Reislein von -wil über -wil nach -wil ist nicht nur schön, es bildet auch. In Gäutu, wie der Einheimische sagt, gab es damals ein Dutzend Tote. Gesiegt haben die Mittelländer. Drei Jahre nach der Schiesserei, bei der ersten Schweizer Volkszählung, lebten 205 Menschen in dieser Idylle am Osthang des Lindenbergs. Heute sind es 185.
 

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