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Letzter Halt Mexiko-Stadt: Die Weltreise neigt sich dem Ende zu

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Letzter Halt Mexiko-Stadt: Die Weltreise neigt sich dem Ende zu

  • Redaktion: Stefanie Rigutto; Fotos: Laurent Burst

Das Abenteuer Weltreise naht dem Ende — Wieso kann das Leben nicht so weitergehen? Immer unterwegs, jeden zweiten Tag ein neues Abenteuer?

Sieben Stunden hinter der Schweiz. Ich bin im Rausch. Kann das Leben nicht einfach so weitergehen? Immer unterwegs, jeden zweiten Tag ein neues Abenteuer?

Am Gepäckband im Flughafen kontrolliert ein Wachmann, dass ich den richtigen Koffer mitnehme. Auf dem Weg ins Hotel bin ich von blinkenden Autos eskortiert, so viel Polizei ist auf der Strasse. Vor dem Hotel steht ein Sicherheitsmann in schusssicherer Weste. Jede Sekunde einen Überfall fürchtend, spaziere ich über den Zócalo – mit 240 mal 240 Metern einer der grössten Plätze der Welt – und steige hinunter in die Metro. Überlebt!

Die Metro in Mexiko-Stadt ist ein fahrender Markt. Da werden Filzstifte angepriesen, Taschentücher, Mathematikbücher. Die CD-Verkäufer beschallen mich mit Musik aus einem Rucksack, von links US-Oldies, von rechts mexikanische Schnulzen.

Die Basílica de Nuestra Señora de Guadalupe

Mein Ziel ist die Basílica de Nuestra Señora de Guadalupe, der wichtigsten Schutzheiligen der Mexikaner. Ihr werden unzählige Wunder nachgesagt. Tausende von Pilger kommen jeden Tag hierher, auch an einem normalen Freitagmorgen. Die Messen im grauenhaft hässlichen Siebzigerjahrebau (die alte Kolonialkirche konnte die Menschenmassen nicht mehr fassen) finden stündlich statt, im Schnitt mit je 4000 Gläubigen.

Die Mädchen tragen hellblaue Prinzessinnenkleidchen und sehen aus wie watschelnde Bonbons. Die Leute singen, murmeln, zünden Kerzen an. Vor den Beichtstühlen haben sich lange Schlangen gebildet, auf den Brüstungen liegen Berge von Blumen – es riecht umwerfend, aber nicht unbedingt gut. Hinter dem Altar, unter dem Bild der Schutzpatronin, wurden vier rollende Wege angebracht. Die Leute können die Señora nur so lange anbeten, wie die Fahrt auf dem Rollband dauert.

Die Mariachi

Dieser Kontrast zu Los Angeles, wo man sich nur im Auto bewegt, auf breiten Freeways. Hier drängen sich die Leute auf den Trottoirs, da wird gelacht, getratscht, geschäkert, geschmust. Ganze Familien halten sich an den Händen, versperren den Weg. Es dauert eine Weile, bis ich zur Plaza Garibaldi komme, dort, wo sich die Mariachi am frühen Abend treffen.

Sie stehen am Paseo Reforma und stecken den Autofahrern ihre Visitenkarte zu. Sie hoffen auf Aufträge für Geburtstage, Fiestas. Die Musiker sind aufgedonnert wie für einen Mexiko-Werbespot: rosa Hemden mit Pailletten, gegelte Haare. Der Mariachi-Strich.

Auf der Plaza Garibaldi kann man die Gruppen für ein paar Canciones buchen. Überall wird gefiedelt, jetzt ein paar Takte von «La cucaracha», dann ein trauriges Liebeslied.

Ich gehe zum Mercado San Camilito, einer grossen Halle mit vielen kleinen Lokalen. Man sitzt auf Schemeln an Tischen mit speckigen Tüchern. Alle Lokale servieren dasselbe: Pozole – Suppe mit Schweinsöhrchen. Ich bestelle Panuchos, frittierte Tacos mit Poulet, und beträufle sie mit einer giftgrünen Sauce, die gar nicht so scharf aussieht, aber natürlich ist sie es doch.

Rückblick

Es ist der letzte Abend. Während mir die grüne Sauce über die Finger läuft, nimmt die Nostalgie überhand. Ich war im Dschungel und in der Grossstadt und am Strand. Ich war 2240 Meter (Mexiko-Stadt) und 400 Meter (Burj Khalifa) über Meer.

Ich ass Curry, Foie gras, Sushi. Schlief im Luxushotel und in der Backpackerabsteige. Betete im Tempel, trank mit Teenagern und liess mir aus der Hand lesen. Ich sprach Thailändisch und Spanisch, sah nackte Brüste und verschleierte Frauen – am selben Ort. Ich fuhr Ski und stand auf dem Surfbrett. Und das alles in 14 Tagen.

Ich lecke die giftgrüne Sauce von den Fingern. Der Fotograf ist bereits beim süssen Flan angelangt. «Fantastisch», murmelt er nach jedem Löffel wie in Trance. Mein Mund brennt immer noch. Jetzt noch ein Gläschen Tequila. Und dann auf dem Rückflug eine Flight Attendant, die sagt: «Frau Rigutto, Sie erhalten ein Upgrade in die First Class.» Verdient hätte ichs.

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